Das Licht aus dem Osten
Die große archäologische Sonderausstellung "Imperium der Götter" im Badischen Landesmuseum Karlsruhe.
von Wulf Rüskamp
Harald Siebenmorgen wäre nicht der umtriebige Museumsleiter, der er ist, wenn es ihm nicht gelänge, von der Spätantike den Bogen in die Gegenwart zu schlagen. Und so will er den Besuchern der aktuellen Ausstellung seines Badischen Landesmuseums in Karlsruhe etwas Aktuelles zum Nachdenken mitgeben: ob nicht das Nebeneinander der Religionen im späten Römischen Reich Vorbild sein könnte fürs heutige Europa? Das wird ja zunehmend wieder multireligiös – aber eben noch nicht in dieser friedlichen Konkurrenz wie vor bald 2000 Jahren.
Dionysos/Bacchus, Pompeji, 1. Jahrhundert
Doch keine Bange: Die Ausstellung, die unter dem Titel "Imperium der Götter" bis Mitte Mai nächsten Jahres im Karlsruher Schloss zu sehen ist, bietet keine kühne Thesenschau. Sie widmet sich mit großem historischem Ernst den Kulten und Religionen, die sich im Römerreich neben der offiziellen Staatsreligion inklusive Gottkaisertum etabliert hatten. Die Götter heißen Mithras, Isis, Kybele oder Große Mutter, Jupiter Dolichenus – aber auch Jehova oder Christus. Ihnen allen gemeinsam ist, dass ihre Herkunft der Osten des Reiches war: Kleinasien, Persien, Palästina, Ägypten. Ex oriente lux, wie der Lateiner sagt, das göttliche Licht aus dem Osten. Der römische Staat lässt sie gewähren, vorausgesetzt, ihre Weltdeutung greift nicht den Staat an, indem sie etwa an der Vergöttlichung des jeweils amtierenden Kaisers zweifeln lässt.
Jupiter Dolichenus
Das tun freilich die Christen, weil es für sie nur einen, ihren Gott, geben kann. Das gilt zwar ebenso für die Juden, aber die bleiben unter sich, während die Christen ungeheuren Zulauf haben, trotz der bald einsetzenden Verfolgung. Das Emanzipationsversprechen, dass alle Menschen gleich seien vor Gott, damit doch auch im Diesseits, überzeugte viele Römer ebenso wie die Aussicht auf ewige Glückseligkeit nach der Auferstehung.
Große Mutter Kybele
Die Karlsruher Ausstellung verweist auf die Unterschiede zwischen den Religionen, erläutert Herkunft, Mythologie, Kult und Mysterien, soweit das überhaupt möglich ist. Immer wieder ist von Rausch und Ekstase die Rede: Die Religionsausübung war mitunter ganz lebensnah und sinnenfroh, wie überhaupt der Alltag durchdrungen war von der Gegenwart göttlichen Wirkens. Aber eben all dies auf eher undogmatische Weise: Religiöse Toleranz prägt die spätrömische Gesellschaft, die hinnimmt, dass neue Religionen sich Tempel und Heiligtümer errichten – mal verborgen wie die Mithräen, mal öffentliche Orte in den Städten.
Attis, Begleiter Kybeles
Es liegt ein großes Verdienst der Ausstellung darin, diesen so ganz anderen Umgang mit Religiosität erlebbar zu machen, ebenso die fließenden Übergänge und Wechselbeziehungen: Christen wie Mithras-Anhänger glaubten an ein Leben nach dem Tod, pflegten verwandte Aufnahmerituale und Festtage, und die Bilder, die sie dem spätantiken Publikum von Glückseligkeit, Rettung und Hoffnung boten, ähnelten einander.
Isis
Das hört sich nach weitreichender Relativität der Glaubensvorstellungen an, und so sahen es die Römer als Gesamtheit wohl auch. Wobei sie die Religionen aus dem Osten ebenso wie die der von ihnen besiegten Völker sich anverwandelten, sie romanisierten – etwa durch Anpassung und Funktionsergänzungen der Staatsgötter Jupiter, Juno und anderer, die ja immer auch den Himmel über dem Reich bevölkerten.
Isis-Kult in Rom
Die Geschichte hat sich allerdings gegen diesen theologischen Relativismus entschieden – das Christentum setzt sich im 4. Jahrhundert Zug um Zug durch, die anderen Religionen verschwinden, nicht ohne im Christentum ihre Spuren zu hinterlassen. Die von mittelalterlichen Tafelbildern bekannte Mutter Gottes, die den Jesus-Knaben an ihrem Busen nährt, hat ihr Vorbild in der von den Römern adaptierten altägyptischen Göttin Isis, die in gleicher Weise mit ihrem Sohn Horus als Mater Lactans dargestellt wird.
Isis lactans
Aus all dem wird ersichtlich, dass es in dieser Ausstellung, die den Besucher nicht mit langen Texten quält, sondern sich auf das zum Verständnis Unerlässliche beschränkt, viel zu lernen gibt. Das bewältigt sie auf eine unangestrengte Weise, die mit einem Ausblick auf die Nachwirkungen der spätantiken Kultur bis heute sogar am Ende ironisch gebrochen wird. Modelle, dazu Rekonstruktionen eines Mithräums oder eines Katakombenraums in Originalgröße und der Katalog leisten an Informationen ein Übriges.
Sol Invictus
Aber man würde der Ausstellung nicht gerecht, spräche man nur von ihren – durchaus reichen – Inhalten. Denn auch das genießerische Auge kommt nicht zu kurz. Was die Kuratoren aus den Museen in Rom, im Vatikan, in Neapel und Venedig, ebenso aus deutschen und österreichischen Museen an Schaustücken zusammengetragen haben, ist von höchster Qualität: Fresken aus Pompeji und Herculaneum, großartige Plastiken – die Statue der Mater Magna oder des Bacchus, die christlichen Reliefs aus den Vatikanischen Museen, ein fast exhibitionistisch wirkendes Figürchen von Attis, der zum Kult der Kybele gehört –, dazu feinst ausgearbeitete silberne Votivscheiben und sogar eine in die Wand geritzte, antichristliche Karikatur. Eine derart dichte Zusammenfassung von Kunstwerken und Gebrauchsgegenständen zu den Religionen der Spätantike hat man wohl noch nie zu sehen bekommen.
Esel am Kreuz
Schon der Auftakt, der die Götter der Staatsreligion zeigt, bietet eine entzückende Aufreihung von Bronzestatuetten. Nicht zu vergessen die großartigen Reliefs des Mithraskults: Es sind wunderbare Exemplare zu sehen, zu zwei weiteren, darunter dem aus Riegel, muss man die Antikenabteilung des Museums aufsuchen, weil sie dort fest installiert sind. Aber inspiriert von der Qualität dieser Ausstellung, macht man das vermutlich gerne.
Imperium der Götter. Isis, Mithras, Christus: Kulte und Religionen im Römischen Reich. Ausstellung im Badischen Landesmuseum Karlsruhe. Bis 18. Mai, Di bis So 10–18 Uhr.
Mithras
Nota.Wenn sich demnächst die überregionalen Zeitungen der Karlsruher Ausstellung annehmen, erfahren wir vielleicht doch etwas über die religiösen Inhalte der Kulte. Und bekommen vielleicht den einen oder andern Hinweis, warum unter all denen es ausgerechnet das Christentum war, das sich im Abendland durchgesetzt hat. Denn dass es eine Armeleutereligion war, mag seiner Verbreitung unter den armen Leuten genutzt haben. Aber dass es zur kaiserlichen Reichsreligion wurde, kann darin kaum seinen Grund haben. Auch an der reichhaltigen Theologie kann es nicht gelegen haben, denn die hat sich erst später ausgebildet. Ich habe selber eine Vermutung zu dem Thema verlauten lassen, aber die ist ganz spekulativ und hat außer der Plausbilität einstweilen nichts für sich.
Vielleicht liest ein Redakteur ja diesen Wink?
JE
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