Warum Gleichheit Europäer glücklich macht
Judith Ahues
Communications & Public Relations
Jacobs University Bremen
18.11.2013 10:18
Wenn die Kluft zwischen arm und reich groß ist, fühlen sich die Europäern weniger wohl. Dies konnten Jan Delhey, Professor für Soziologie an der Jacobs University, und Georgi Dragolov, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand an der Bremen International Graduate School of Social Sciences, in ihrer aktuellen Studie belegen. Sie analysierten Daten der zweiten europaweiten Erhebung zur Lebensqualität und konnten so 30 Länder miteinander vergleichen. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass soziale Ungleichheit das Vertrauen in einer Gesellschaft mindert und die Angst vor Geringschätzung durch die Mitmenschen erhöht. Beide Mechanismen haben eine negative Wirkung auf das subjektive Wohlbefinden.
Die Frage, ob soziale Ungleichheit einen Einfluss auf das subjektive Wohlbefinden hat, wird seit einigen Jahren in der Glückforschung diskutiert. Die allgemeine Annahme ist, dass Menschen weniger glücklich sind, wenn sie tagtäglich große Einkommensunterschiede erleben. Empirisch konnte diese Annahme in weit gefassten internationalen Vergleichen nicht durchgängig bewiesen werden. Allerdings gibt es signifikante Unterschiede zwischen verschiedenen Weltregionen, die nahe legen, dass gerade die Europäer mit einem verminderten subjektiven Wohlbefinden auf soziale Ungleichheit reagieren. Warum das so ist, wusste man bislang nicht. Die neue Studie über Europa benennt erstmals die Mechanismen: Der Verlust von Vertrauen und eine erhöhte Angst vor Geringschätzung in ungleichen Gesellschaften.
Vertrauen ist die Erwartungshaltung, dass sich andere berechenbar und freundlich verhalten. Dabei ist für den gesellschaftlichen Zusammenhalt besonders wichtig, dass wir auch Fremden Vertrauen entgegen bringen. Solch ein allgemeines Vertrauen etabliert ein gesellschaftliches Gemeinschafts- und Zugehörigkeitsgefühl. Einkommensungleichheit mindert nun dieses allgemeine Vertrauen, und mit dem Zusammenhalt schwinden Glück und Lebenszufriedenheit.
Ein zweiter wichtiger Mechanismus sind Statusängste. Darunter verstehen die Forscher die Befürchtung, in den Augen der Mitmenschen als zu wenig erfolgreich zu gelten, zum Beispiel im Hinblick auf das Einkommen oder den Beruf. Die Studie belegt nun, dass eine ungleiche Einkommensverteilung solche Statusängste befördert und so zu einem geringeren subjektiven Wohlbefinden führt.
Die aktuelle Studie zeigt zudem, dass in wohlhabenden Ländern das Vertrauen eine übergeordnete Rolle für das Wohlbefinden spielt, während in weniger wohlhabenden Ländern die Statusängste ausschlaggebend sind.
Auch wenn die Studie vor allem die Wirkung von Ungleichheit untersucht, ist insgesamt gesehen die Höhe des Pro-Kopf-Einkommens immer noch wichtiger für das Wohlbefinden der Europäer als dessen Verteilung. Jan Delhey kommentiert: „Europäer wollen Wohlstand und Einkommensgleichheit, in dieser Reihenfolge. Eine Politik, die diese beiden Ziele unterstützt, ist am ehesten dazu geeignet, Europäer glücklich zu machen.“
Kontakt:
Jan Delhey | Professor für Soziologie
Email: j.delhey@jacobs-university.de | Tel.: +49 421 200-3492
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