Samstag, 31. August 2013

Die Schlacht am Harzhorn.

aus NZZ, 31. 8. 2013


Als die Römer die Germanen bestrafen wollten
 
Funde einer vergessenen Schlacht zeigen Vorstoss bis weit nach Norddeutschland

Die Schlacht am Harzhorn liegt bald 1800 Jahre zurück. Die Entdeckung des Schlachtfelds stellt eine archäologische Sensation dar. Jetzt werden die Funde in einer grossangelegten Landesausstellung gezeigt.

von Hendrik Feindt, Braunschweig

Der Erwartungsdruck auf dem Imperium lastet schwer. Einfälle der Germanen in römische Siedlungen und Lager am Limes haben sich zu abscheulichen Gemetzeln entwickelt. Der Kaiser und seine Mutter -- ein in der Cäsarengeschichte einmalig unzertrennliches Paar -- ziehen riesige Truppenteile in Mogontiacum, dem heutigen Mainz, zusammen. Dann suchen sie jedoch nach einer diplomatischen Lösung. Das Militär ist unzufrieden. Das Paar wird 235 n. Chr. ermordet und einer der Anstifter, Maximinus Thrax, zum neuen Kaiser berufen. Maximinus, mit 62 Jahren ein kampferfahrener Soldat, vollzieht eine regelrechte Strafexpedition, die sein Heer weit in den Norden, bis fast an die Elbe bringt. Gemessen nach Verwüstungen und Vernichtungen des Gegners muss sie äusserst erfolgreich gewesen sein. Doch auf dem Rückweg ins Winterlager geraten die Römer in einen Hinterhalt.
 
Germanien nicht tabu

Vieles von dieser Geschichte stand bereits seit Jahrhunderten in einer antiken Chronik. Nur vertrauten ihr die Historiker nicht, fehlten ihnen doch die Belege. Erst vor fünf Jahren, als im Juni 2008 ein Hobbyarchäologe im niedersächsischen Northeim eine eiserne Maultiersandale präsentiert, verdichten sich die Hinweise auf das bisher Undenkbare: Germanien jenseits von Main und Rhein war nicht tabu. Im 3. Jahrhundert sind römische Truppen in Norddeutschland gewesen. Der Fundort, das sogenannte «Harzhorn», ein steiler Abhang zwischen Hildesheim und Göttingen, wird rasch zu einem grossflächigen Grabungsgebiet erklärt, das Suchtrupps mit Metallsonden durchforsten.



Die Prospektion erweist sich als überaus ergiebig: 2700 vergleichsweise gut erhaltene und meist nur wenige Zentimeter unter der Oberfläche des Waldbodens aufgespürte Fundstücke werden geborgen. Eine markante Auswahl ist derzeit in Braunschweig in einer reichhaltig instrumentierten Landesausstellung zu besichtigen. Überwiegend römischer, zu weniger als zwei Prozent germanischer Herkunft, umfassen sie neben Rüstungsfragmenten und Wagenteilen zahlreiche Münzen sowie Relikte einer Feldschmiede. Vor allem fand man Tausende von Schuhnägeln sowie Hunderte von eisernen Pfeilspitzen und Katapultbolzen, die dem Einsatz römischer Torsionsgeschütze entstammen.
 
Überfall von der Anhöhe

An dieser Stelle tritt die Schlachtfeldarchäologie, eine jüngere Disziplin der Altertumswissenschaft, auf den Plan. Sie zielt auf die Rekonstruktion nicht von Zuständen, sondern von Ereignissen. Am Harzhorn erscheint die Ausgangslage besonders günstig. Die Stück für Stück vermessenen Fundorte und vor allem die Bestimmung der Ausrichtung der Projektile erlauben eine recht genaue Rekonstruktion des Geschehens: paradoxerweise auf der ballistischen Basis der fehlgegangenen Schüsse. Im Falle des Harzhornereignisses muss es einen Überfall von der Anhöhe auf den langen römischen Heereszug in der Talsenke gegeben haben, ein mehrstündiges Defilégefecht mit zahlreichen Scharmützeln, das die Römer mit einem mächtigen Gegenangriff unter Zuhilfenahme von schwerer Artillerie erwiderten. Alle Seiten sollen erfolgreich gewesen sein, vermuten die Ausstellungsmacher in Braunschweig. Das römische Heer sei weitgehend unversehrt weitergezogen. Die Germanen hätten einige Beute gemacht. Und die heutige Archäologie ist um ein gutes Stück weitergekommen in der Revision der germanisch-römischen Geschichte.

Roms vergessener Feldzug: Die Schlacht am Harzhorn, Ausstellung im Braunschweigischen Landesmuseum bis 14. Januar; Katalog im Theiss-Verlag, 408 Seiten, Fr. 59.90.

Freitag, 30. August 2013

Sorgen machen dumm.

aus Der Standard, Wien, 30. 8. 2013                                                                                  Zuckerrohrernte

Armut wirkt sich negativ auf die Intelligenz aus

Forscherteam führte Laborstudie in USA und Feldstudie in Indien durch

Washington - Wenn wir eine ganze Nacht lang nicht geschlafen haben, leidet am nächsten Tag unsere geistige Leistungsfähigkeit. Ganz ähnlich sind die Auswirkungen einer anderen Beeinträchtigung, der man solche Folgen nicht zutrauen würde: Armut wirkt sich deutlich negativ auf die Intelligenz aus - im Schnitt fällt der IQ bei Betroffenen um 13 Punkte.
 
Das sind die überraschenden Ergebnisse zweier Untersuchungen, die ein internationales Forscherteam um Eldar Shafir (Universität Princeton) mit rund 400 US-Bürgern und 464 Zuckerrohrbauern in Indien durchführte.
 
Die US-Probanden wurden mit unterschiedlichen Szenarien konfrontiert, die in manchen Fällen zu akuten Geldnöten führten. Daneben wurden Intelligenztests durchgeführt. Im Gegensatz dazu basierten die Tests mit den Indern auf tatsächlich erfahrener Armut: Die Bauern ernten nur einmal pro Jahr ihr Zuckerrohr. Vorher sind sie meistens arm, danach im Normalfall reich. Bei gleichen Testaufgaben vor und nach der Ernte schnitten sie vor der Ernte deutlich schlechter ab.
 
Wie Shafir klarstellt, ist es nicht der Stress vor der Ernte, der die geistige Leistungsfähigkeit reduzierte: "Unter Stress kann man bei Tests sogar besser abschneiden." Vielmehr würden Armut und all die Sorgen, die damit verbunden sind, so viel geistige Energie binden, dass für andere geistige Leistungen einfach weniger Kapazitäten vorhanden seien. (tasch)



Abstract
Science: Poverty Impedes Cognitive Function



aus Die Presse, Wien, 30. 8. 2013

Geldsorgen monopolisieren das Gehirn und senken den IQ

US-Forscher haben einen neuen Zugang zu Problemen gefunden, die mit Armut amalgamiert sind und sie verschärfen: Mangelnde Vorsorge, mangelnde Pünktlichkeit etc. Alle diese Mängel lassen sich auf den einen zurückführen, den an Geld. Mit ihm sind Arme vollauf beschäftigt.

Von Jürgen Langenbach 

Dass man „lieber reich und gesund“ ist als „arm und krank“, ist so zynisch wie wahr, Letzteres besonders in der Hinsicht, dass Armut und Krankheit – breiter: Armut und schlechtes Ergehen – oft amalgamiert sind. Arme kümmern sich in Gesundheitsbelangen weniger um Prävention, sie nehmen es mit der Einnahme von Medikamenten nicht so genau, selbst wenn die kostenlos sind, sie sind beim Einhalten von Terminen – bei Ämtern und in der Arbeit – weniger verlässlich, kümmern sich weniger um die Kinder, bringen in der Arbeit weniger zustande.
 

Wo kommt das her, gehört es zum Elend der Verdammten dieser Erde, ist es also strukturell angelegt, oder fehlt es den Armen an Initiative und Willen? Die Debatte ist so endlos wie steril, und zum Verständnis des Problems trägt sie wenig bei, zur Lösung noch weniger. Deshalb arbeiten Ökonomen um Sendhil Mullainathan (Harvard) an einem neuen Zugang, sie haben zunächst gezeigt, dass Armut in Abwärtsspiralen führen kann – Überziehungszinsen am Konto sind hoch, Jobs gehen wegen Unpünktlichkeit verloren etc. 

Abwärts: Armut bringt Armut

Und nun gehen sie dem Wie nach: „Andere haben Armut auf die Umwelt oder auf individuelle Fehler zurückgeführt“, erklärt Mullainathan: „Wir argumentieren, dass der Mangel an finanziellen Ressourcen selbst zu einer Schädigung der Denkfähigkeit führen kann. So kann der schlichte Umstand, dass man nicht genug hat, ein Grund für Armut werden.“
 

Der Befund stützt sich auf zwei Experimente, eines unternahmen die Forscher selbst, in ihrem Labor: Sie rekrutierten Testpersonen in einem Supermarkt und ließen sie dann zwei Aufgaben ausführen, die oft in IQ-Tests eingehen, bei der einen geht es um Logik, bei der anderen um Selbstkontrolle.
 

Aber vorher kam noch eine lebenspraktische Frage: „Wenn Ihr Auto kaputt wäre und Sie für die Reparatur x Dollar bräuchten, wie würden Sie dieses Geld auftreiben?“ Das x war einmal hoch angesetzt (1500), einmal moderat (150). Diese Differenz wirkte auf den IQ, aber nur bei Armen (Jahreseinkommen im Durchschnitt: 20.000 Dollar): Wenn sie den Kopf voll hatten mit dem Problem, 1500 Dollar auftreiben zu müssen, schnitten sie im IQ-Test um 16 Punkte schlechter ab – das ist sehr viel –, als wenn es nur um 150 ging. Bei denen stand ihre Intelligenz der der Reichen (Jahreseinkommen 70.000) um nichts nach, und bei den Reichen hatte die fiktive Reparatur auch keinerlei Einfluss, ganz gleich, was sie kosten sollte. 

Aufwärts: Geld hebt Intelligenz
 

Aber Labortests haben etwas Künstliches, deshalb gingen die Forscher im zweiten Schritt in ein natürlich/gesellschaftliches Experiment, ins Feld, wörtlich verstanden, zu Zuckerrohrbauern nach Indien, die einmal im Jahr Geld haben, dann, wenn sie die Ernte verkaufen. „Im Monat danach sind sie ziemlich reich, im Monat davor sind sie ziemlich arm“, berichtet Mullainathan: „Wir haben sie zu diesen Zeitpunkten getestet, und gesehen, dass im Monat nach der Ernte der IQ steigt, die Fehlerquote sinkt und die Reaktionszeit auch.“ Der IQ stieg um zehn Punkte, jeweils bei ein und denselben Personen (Science, 341, S. 976).
 

„Wenn man arm ist, ist nicht nur das Geld knapp, die kognitive Fähigkeit ist es auch“, interpretiert Mullainathan, „das heißt nicht, dass Arme weniger intelligent sind, sie haben nur den Kopf voll mit den Geldsorgen und deshalb weniger Kapazitäten für anderes frei.“ Es sei wie bei einem Computer, der langsamer läuft, wenn er im Hintergrund beschäftigt ist, vergleicht der Forscher. Und er hat Rat: „Die Politik sollte sich nicht nur um finanzielle Entlastung der Armen bemühen, sondern auch um kognitive Entlastung“, etwa durch einfachere Behördenformulare, oder, bei den indischen Bauern, durch Timing: Anti-Aids-Kampagnen etwa sollten kurz nach der Ernte stattfinden.

Donnerstag, 29. August 2013

Die Erde erwärmt sich nicht mehr...

aus Die Presse, Wien, 29. 8. 2013

Sorgt Klimaphänomen La Niña dafür, dass die Erwärmung stillsteht? 


Seit 15 Jahren sind die Temperaturen global nicht gestiegen. Das liegt vielleicht an einer Abkühlung des östlichen Pazifiks.

Von Jürgen Langenbach

Seit 1998 steht die befürchtete globale Erwärmung still. Die Temperaturen sind in den 80er- und 90er-Jahren gestiegen, seitdem blieben sie auf diesem Niveau. Das wurde von Klimaforschern lange eher verdrängt – und vom UNO-Klimabeirat IPCC auch –, nur wenige suchten mögliche Ursachen für den Widerspruch, dass die Gehalte des Treibhausgases CO2 in der Luft steigen und steigen, die Temperaturen aber nicht folgen: 2007 kam zunächst Mojib Latif (Uni Kiel) mit der Hypothese, die Klimawandelpause käme von veränderten Meeresströmungen, kurz darauf sah Susan Solomon des Rätsels Lösung in Veränderungen der Wasserdampfkonzentration hoch in der Atmosphäre, im Vorjahr schließlich vermutete Michael Mann (Boston University), es läge an den Aerosolen, die Chinas schmutzige Kohlekraftwerke ausstoßen und die den Himmel so verdunkeln, dass weniger Sonnenenergie zum Erdboden kommt.

Zentralproblem „Klimasensitivität“  

Aber das passte schlecht zu den Daten, die großen Emissionen Chinas begannen 2003, da war der Stillstand schon fünf Jahre alt. Und Latif und Solomon blieben in der Community auch eher isoliert, die setzte unverdrossen auf den Weitergang der Erwärmung. Nun kommt ein neuer Vorstoß, von Yu Kosaka und Shang-Ping Xie (Scripps, San Diego): Sie sehen einen Zusammenhang des stagnierenden Klimawandels mit einer Abkühlung des östlichen Pazifiks durch das periodische Klimaphänomen La Niña (Nature, 28. 8.). Das stützt sich nicht auf Modellrechnungen, sondern auf gemessene Daten, und das wird von Nature selbst so ernst genommen, dass das Schlachtschiff der Wissenschaftspublizistik in einem Editorial Stellung nimmt: „Der Hiatus bei der Erwärmung kam als Überraschung (. . .) Einige argumentieren, dass die gegenwärtigen Temperatur-Trends zeigen, dass das Klimaproblem weniger dringlich ist. Man kann nur hoffen, dass das so ist, und dass Wissenschaftler der Sache weiter auf den Grund gehen.“

Welcher Sache? Der Sache: Das zentrale Problem ist die „Klimasensitivität“, sie gibt an, wie stark die Temperaturen steigen, wenn die CO2-Gehalte in der Atmosphäre sich verdoppeln. Und sie ist ein Schätzwert, der nicht experimentell geprüft werden kann, sondern nur umwegig erschlossen, aus Paläodaten etwa. Aber an diesem Wert hängen sämtliche Prognosen: Nun hat selbst das IPCC auf den Erwärmungsstillstand reagiert und seinen Sensitivitätswert leicht zurückgenommen, von „2–4,5 Grad Celsius“ auf „1,5–4,5“.


Mittwoch, 28. August 2013

Die Milchrevolution.

institution logo 
EU projects reveal the spread of farming and the origin of lactase persistence in the Neolithic Age 

Petra Giegerich 
Kommunikation und Presse
Johannes Gutenberg-Universität Mainz 

08/28/2013 13:56 
NATURE reports on the findings of the LeCHE and BEAN anthropological research projects

"The Milk Revolution" is how the prestigious international scientific journal Nature headlines an article on the EU project LeCHE, which, after several years of highly successful research, has managed to bring to light the spread of dairy farming in Europe and the development of milk tolerance in adult humans. It was after the transition from a hunter-gatherer society to that of a settled farming culture in the Neolithic period that dairy-related animal husbandry first evolved, and this practice spread from the Middle East to all of Europe. The processing of milk to make cheese and yogurt contributed significantly to the development of dairy farming, as this represented a way of reducing the lactose content of fresh milk to tolerable levels, making a valuable foodstuff available to the human population. Until 8,000 years ago, humans were only able to digest lactose, a form of sugar present in fresh milk, during childhood because as adults they lost the ability to produce endogenous lactase, the enzyme required to break down lactose. Shortly before the first farmers settled in Europe, a genetic mutation occurred in humans that resulted in the ability to produce lactase throughout their lives. Increasing numbers of adults in Central and Northern Europe have since been able to drink and digest milk.

"This two-step milk revolution may have been a prime factor in allowing bands of farmers and herders from the south to sweep through Europe and displace the hunter-gatherer cultures that had lived there for millennia," specifies the article in Nature with reference to the LeCHE project. Since 2009, this EU initial training network involving 12 postgraduate students and their mentors from different disciplines, i.e., anthropology, archeology, chemistry, and genetics, has been looking at the role played by milk, cheese, and yogurt in the early colonization of Europe and has published numerous important articles on the subject.

Anthropologist Professor Joachim Burger of Johannes Gutenberg University Mainz (JGU) was substantially involved in the establishment of the EU project and its research activities. "To appreciate the significance of our findings, it is important to realize that a major proportion of present-day central and northern Europeans descend from just a small group of Neolithic farmers who happened to be able to digest fresh milk, even after weaning," explained Burger. His team investigated the phenomenon of lactase persistence, i.e., the ability to break down milk sugar, using skeletons from the Neolithic. "Among the most exciting results obtained by the LeCHE group were the detection of milk fat residues in numerous Neolithic pottery remains and the ability to model the spread of positive selection of lactase persistence," said Burger. Just 5,000 years ago, lactase persistence was almost non-existent among populations in which its modern prevalence is greater than 60 percent. The researchers assume that extensive positive selection and recurrent waves of migration were responsible for this development, which – in evolutionary terms – took place extremely rapidly.

Burger has now initiated an additional EU project entitled BEAN (Bridging the European and Anatolian Neolithic) to investigate the origins of the first Europeans to settle in the Balkans and western Anatolia. Adam Powell, a mathematician and population geneticist based in London, will be contributing his skills as a modeler and statistician to the team of Mainz anthropologists. To better understand the actual world in which the early farmers lived, the BEAN researchers recently visited archaeological sites in western Anatolia on a ten-day excursion. "It became very clear to us there that the west of present-day Turkey as well as the Balkans represent two key regions when it comes to the history of the population of Europe over the past 10,000 years," stated Burger.

Publication
A. Curry, Archaeology: The milk revolution, Nature, 1 August 2013
DOI:10.1038/500020a

Further information:
Professor Dr. Joachim Burger
Institute of Anthropology
Johannes Gutenberg University Mainz
D 55099 Mainz, GERMANY
phone +49 6131 39-20981
e-mail: jburger@uni-mainz.de
http://www.uni-mainz.de/FB/Biologie/Anthropologie/MolA/English/Home/Home.html

more information:
http://www.uni-mainz.de/presse/16666_ENG_HTML.php - press release ;
http://beanproject.eu/ - BEAN – Bridging the European and Anatolian Neolithic ;
http://www.uni-mainz.de/FB/Biologie/Anthropologie/MolA/English/Home/Home.html - Palaeogenetics Group at the Institute of Anthropology

Der universelle Vermittler.


MA Reto Caluori  
Kommunikation & Marketing  
Universität Basel  

27.08.2013 16:01

Was macht Geld so unentbehrlich für das Funktionieren einer modernen Gesellschaft? Ein internationales Forscherteam aus der Schweiz, Italien und den USA hat in einer Studie gezeigt, wie Geld es in modernen Gesellschaften ermöglicht, das Prinzip der Kooperation zwischen Fremden zu sichern. Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift «Proceedings of the National Academy of Sciences» veröffentlicht.

Das menschliche Überleben hing schon immer von Kooperation ab: Unsere Vorfahren lebten in kleinen, eng zusammengehörigen Gruppen, in denen sich die einzelnen Individuen gegenseitig aushalfen. Dieses Prinzip der Reziprozität scheint aber im Widerspruch mit modernen Gesellschaften, in der Millionen von einander völlig fremden Menschen zusammenleben.

Ein Team um Prof. Gabriele Camera (Universität Basel/Chapman University) hat dazu eine Reihe von Experimenten durchgeführt, wie sie in der Fachzeitschrift «Proceedings of the National Academy of Sciences» berichten. Um den Grad an Kooperation zwischen Fremden zu messen, konfrontierten die Wissenschaftler die Versuchsteilnehmenden wiederholt mit der Möglichkeit, einem anonymen Gegenüber zu helfen, auch wenn dadurch eigene Kosten entstehen. Die Wahl zu helfen basierte einzig auf dem Vertrauen, dass die gute Tat in der Zukunft von einem anderen Unbekannten erwidert würde. Um diesen kooperativen Prozess zu erleichtern, konnten die Teilnehmenden das Verhalten der ganzen Gruppe überwachen.

Grössere Gruppen kooperieren weniger

In einem nächsten Schritt veränderten die Wissenschaftler die Gruppengrösse mit dem Ergebnis, dass mit zunehmender Grösse der Gruppe das Vertrauen und die Kooperation abnahmen. Dies änderte sich, als die Wissenschaftler grundsätzlich wertlose Chips in das Experiment einführten. Die Teilnehmenden begannen von sich aus, Hilfe mit Chips zu belohnen und im Gegenzug für geleistete Hilfe Chips zu verlangen. Der Austausch der Chips erleichterte also die Kooperation in grossen Gruppen, weil sie die Zuverlässigkeit des jeweiligen Gegenübers symbolisierten.

Verschiedene Arten von Vertrauen

Das Experiment zeigt, dass Geld einen Mechanismus darstellt, der das Prinzip der Kooperation in grossen Gruppen von Fremden stabilisiert. Der Austausch von symbolischen Objekten hielt die Kooperation aufrecht, weil die Teilnehmenden die Chips als Kompensation für ihre gute Tat sahen. «Das Faszinierende daran ist, dass der Gebrauch von Geld die Zusammenarbeit stärkt, indem er eine Art von Vertrauen mit einer anderen, stärkeren, sich selbsterhaltenden Art von Vertrauen ersetzt», erklärt Camera.

In den kleinen Gruppen ohne Chips hatte die gegenseitige freiwillige Hilfeleistung gut funktioniert. Der Gebrauch von Chips veränderte aber in kleinen Gruppen die Motivation der Teilnehmenden: Entweder wurde Hilfe gegen Chips geleistet, oder gar nicht. Der Gebrauch von Geld hat also die Kooperation in grossen Gruppen stabilisiert, sie aber in kleinen Gruppen verringert. Laut den Wissenschaftlern zeigen die Resultate, wie das Geldsystem unser Verhalten weit über rein wirtschaftliche Aspekte hinaus beeinflusst.

Originalbeitrag
G. Camera, M. Casari, M. Bigoni
Money and trust among strangers
PNAS (2013) | doi: 10.1073/pnas.1301888110

Weitere Auskünfte
• Prof. Dr. Gabriele Camera, Universität Basel, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, E-Mail: gabriele.camera@unibas.ch
• Prof. Dr. Gabriele Camera, Chapman University, Tel. +1 714 625 2806. E-Mail: camera@chapman.edu


aus Die Presse, Wien, 27. 8. 2013 

Geld schuf das Vertrauen und nahm die Güte 

Dass der „allseitige Vermittler“ in die Welt kam, hat einen biologisch-anthropologischen Hintergrund. Als die sozialen Einheiten zu groß wurden, konnte Kooperation nicht mehr durch persönliche Bezüge gewährleistet werden. 

Von Jürgen Langenbach 

"Wenn das Geld das Band ist, das mich mit der Natur und dem Menschen verbindet, ist das Geld nicht das Band aller Bande? Kann es nicht alle Bande lösen und binden? Ist es darum nicht auch das allgemeine Scheidungsmittel? Es ist die wahre Scheidemünze wie das wahre Bindungsmittel, die galvanochemische Kraft der Gesellschaft.“ So umschrieb Karl Marx das Janusgesicht des von ihm so genannten „allseitigen Vermittlers“. Er meinte einerseits die befreiende Macht des Geldes – es macht von persönlichen Beziehungen und Launen unabhängig – und andererseits die dehumanisierende Macht des Geldes: Jeder wirft es nur als „Köder“ aus, um „das Wesen des anderen, sein Geld, an sich zu locken“.

Wie kam so ein Mirakel in die Welt? Die meisten Erklärungen setzten auf Handfestes: Geld sei erfunden worden, um Warenverkehr zwischen Personen zu ermöglichen, die in räumlicher und zeitlicher Distanz leben (und sich nicht mit ihren Produkten auf einem Marktplatz zum Tausch zusammenfinden können). Aber vielleicht steckt mehr dahinter, am Ende gar die Biologie? Das vermutet Gabriela Camela (Chapman University). Sie kommt zu einem ähnlichen Befund wie Marx, aber ohne Bezug auf ihn. Stattdessen geht sie der Frage nach, wie Menschen das sichern, was sie besser können als alle anderen: Kooperation und das Sich-verlassen-Können darauf, dass eine Leistung, die einer für andere erbringt, irgendwann mit einer Gegenleistung vergolten wird.

Seltene Beute wird freigiebig geteilt . . .

Das lief den größten Teil der Menschheitsgeschichte so, dass die Ahnen in kleinen Gruppen von Jägern und Sammlern herumzogen. Frauen (und Kinder) stellten mit Sammeln den Grundbedarf sicher, Männer gingen auf die Jagd. Und wenn einer von ihnen Glück gehabt hatte – das war eher selten –, dann gab er den anderen von der Beute ab, im Vertrauen darauf, bei der nächsten Gelegenheit auch etwas zu bekommen. Man kannte einander, man konnte einander auch ständig im Auge behalten (und gegenüber Kooperationsunwilligen Druck ausüben).

So ging das bis vor 11.000 Jahren. Dann wurden die Menschen sesshaft, die Siedlungen wuchsen, die Gemeinschaften wurden unübersichtlich, man brauchte als Vermittler Institutionen. Eine war das Geld. Es sicherte das Vertrauen und die Kooperation, als persönliche Bezüge das wegen der Gruppengröße nicht mehr konnten und die Menschen einander fremd wurden. Dann wechselte ihr Bezug von dem direkten zwischen Personen zu dem über den „allseitigen Vermittler“: „Einfach zusammengefasst vertrauten Fremde einander nicht, sondern sie legten ihr Vertrauen in ein symbolisches Objekt, das in Zirkulation gebracht werden konnte“, schließt Camera (Pnas, 26. 8.).

Diesen Schluss zieht sie aus Experimenten. Sie hat 448 Studenten ins Labor gebeten und in verschieden großen Gruppen – zwei bis 32 – ein „helping game“ spielen lassen: Ein Mitglied, Camela nennt es „producer“, hat etwas im Überschuss, fiktive „consumption units“ (CUs). Ihm gegenüber ist ein „consumer“, er hat keine CUs, leidet Mangel. Dem kann der „producer“ abhelfen, er kann dem „consumer“ etwas schenken. Dann werden ihm sechs CUs abgezogen. Dem „consumer“ hingegen werden zwölf gutgeschrieben (die Spielleitung vermehrt den Einsatz). Der „consumer“ ist also der Profiteur. Vorderhand nur er. Dann geht das Spiel in die nächste Runde, die Rollen werden getauscht (immer wieder). Nun können beide profitieren, wenn der Beschenkte sich revanchiert. Es ist ja nun mehr im Topf. Revanchiert er sich nicht, kann er sich seines Gewinns freuen, dem „producer“ bleibt der Schaden.

. . . aber nur in überschaubaren Gruppen

Trotzdem gingen 70,7 Prozent das Risiko ein, wenn die Gruppe aus nur zwei Personen bestand. In Vierergruppen taten es noch 49,1 %, bei acht sank die Rate auf 34,4, bei 32 auf 28,2 Prozent. Zu unübersichtlich war die Gruppe geworden. Und die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Personen sich nach dem Rollenwechsel in der nächsten Runde wieder begegneten, war von 100 Prozent in Zweiergruppen auf 3,2 Prozent bei 32 geschrumpft.

Da half es, als in der zweiten Runde des Experiments etwas völlig Wertloses ins Spiel kam: Spielfiguren („tokens“). Mit ihnen konnte sich ein Beschenkter bei einem Geber bedanken. Diese „tokens“ übernahmen bald die Schlüsselrolle, sie entwickelten sich zu – Geld. Und damit zum „Scheidungsmittel“: Wer mit „tokens“ bezahlen konnte, dem wurde gegeben, und zwar unabhängig von der Gruppengröße in 50,4 % der Fälle. Offenbar gelten auch in großen Gruppen „tokens“ als Garant für eine später fällige Gegengabe.

Und wer diese Garantie nicht bieten konnte – keine „tokens“ (mehr) hatte –, erhielt auch kein Vertrauen, keine CUs. „Damit haben wir auch die sozialen Kosten des Geldes entdeckt“, schließt Camera. „Als das Geld etabliert war, wurde die freiwillige Kooperation durch die Norm des Tauschens quid pro quo ersetzt. Die Institutionen von Geschenk und Geld gehen nicht zusammen, das Geld verdrängt das Geschenk.“

Dienstag, 27. August 2013

Die praktische Philosophie beginnt da, wo die theoretische nicht weiterkann.

Wanderer

Gedanklich endet meine Wendeltreppe bei den Ergebnissen der ‘kritischen’ alias Transzendentalphilosophie. Das wurde beanstandet, denn danach hat die Zahl der philosophischen Bücher wohl noch um ein Vielfaches zugenommen… 

Ich wollte aber keinen kurzen Lehrgang durch die Geschichte der Philosophie schreiben, sondern ein Einführung ins Philosophieren selbst. Ich meine im Ernst, dass der theoretischen Philosophie seit den Tagen der Transzendental- philosophen substanziell nicht mehr viel hinzugefügt wurde. Wo es theoretischen Erkenntnisgewinn gab, handelte es sich weitgehend um die – philologische – Klärung von Missverständnissen. Wo die ‚Phänomenologie’ – Husserl und, in seinem Gefolge, Heidegger – zu brauchbaren Resultaten kommt, bestätigt sie doch immer nur, in weniger deutlichen Begriffen, die Ergebnisse der Kritischen alias Transzendentalphilosophie. Ich bin so kühn, mutatis mutandis dasselbe über die sprachanalytisch-pragmatische Schule unserer Tage zu behaupten. 

Der Umkreis der philosophischen Themen ist im großen Ganzen abgesteckt. Innerhalb des Kreises mag das Feld immer und immer wieder neu bearbeitet und mögen den Themen immer wieder neue ‘Seiten’ abgewonnen oder das Gewonnene aus anderer Perspektive neu bestätigt werden. Tatsächlich ist die Philosophie seither so verfahren; soweit sie nämlich theoretisch und wissenschaftlich ist.

Doch hat sich seit dem 19. Jahrhundert, nämlich seit Schopenhauer und Kierkegaard eine Variante der Philosophie ausgebildet, die ausdrücklich nicht theoretisch und auch nicht wissenschaftlich sein will, die Lebensphilosophie. Ihren bislang wort- und gedankenmächtigsten Vertreter hat sie in Nietzsche gefunden. Ihr Ehrgeiz ist es, die Frage nach dem Sinn des Lebens unmittelbar und positiv aufzuwerfen und nicht länger über den Umweg metaphysischer Begriffsakrobatik. Philosophie soll praktische Lebenshilfe geben (und womöglich politisch wirksam werden). Damit ist sie im öffentlichen Leben so erfolgreich gewesen, dass sie im landläufigen Verständnis den Begriff der Philosophie ganz für sich vereinnahmt und die wissenschaftliche Philosophie in die akademische Ecke gedrängt hat.*

Ihr Publikumserfolg ist verständlich. Die Frage nach dem Sinn des Lebens stellt sich jedem Menschen. Und jeder stellt sich ihr – mal mehr, mal weniger bewusst. Was er dabei – auf sein Leben zurückblickend – jeweils an Antworten gefunden zu haben meint, das kann man Lebensweisheit nennen. Nichts steht ihm freier als das. Es fragt sich nur, ob sich daraus eine positive Lehre entwickeln lässt, die der eine dem andern mit einem Anspruch auf öffentliche Verbindlichkeit vortragen darf.

* 

Die Frage nach dem Sinn (des Lebens in) der Welt war der Urheber der Philosophie – und, durch sie, der Wissenschaft (die eine spezifisch abendländische Erscheinung ist). Das war der Ausgangspunkt und war der Schlusspunkt meiner “Wendeltreppe”. Die ständige metaphysische Versuchung unseres Verstandes – das, was Kant den “dialektischen Schein” genannt hat – ist es, in der Erkenntnis des Seienden einen Hinweis auf unser Sollen, auf die rechte Lebensführung zu suchen. Wenn der Einzelne Bestandteil eines sinnhaft geordneten Kosmos ist, dann liegt es nahe, dem Teil dasselbe Ordnungsprinzip zu zu weisen wie dem Ganzen. Was der Mensch soll ließe sich geradlinig aus dem, wie die Welt beschaffen ist, herauslesen. 

Doch die Erkenntnis des Seienden ist zirkulär und führt nirgends hin: Die Natur antwortet uns ja immer nur auf die Fragen, die wir ihr stellen – und auch das nur unter Stöhnen und Seufzen. 'Der Naturwissenschaftler beobachtet keines Wegs 'die Natur' so lange, bis sie ihm von allein ein Lied singt. Vielmehr reißt er aus der Natur vorsätzlich ein winziges Stück heraus, zwingt es in die Folterkammer seines Labors und quält es kunstvoll so lange, bis es auf seine gezielten Fragen mit Ja oder Nein antwortet.' Den Sinn der Sachen – das, „worum es [uns] eigentlich geht“ – haben wir, als Frage, immer schon selber mitgebracht, und wenn wir ihn hernach 'an' den Sachen wieder erkennen, dann ist es nur der Schatten unserer apriorischen Absicht. Die Natur kann uns nicht einmal sagen, wer oder was sie ist. Noch weniger kann sie wissen, was wir in einer Welt sollen, die längst mehr geworden ist als bloß Natur. 

Die Kritik an diesem Irrtum ist dasjenige, was an der Philosophie wissenschaftlich ist. 

Oder anders, wissenschaftlich ist die Philosophie nur als Kritik. Wenn ich sage, man kann leben, ohne zu philosophieren, dann heißt das: Man kann leben, ohne Wissenschaft zu treiben. Um das Wort Philosophie – und wer es alles für sich in Anspruch nehmen darf – muss man sich nicht streiten. Auch die Philosophischen Lebensberatungs-Dienste unserer Tage dürfen sich so nennen, gesetzlich geschützt ist das Warenzeichen nicht. Aber ich bestehe auf einer scharfen Unterscheidung zwischen kritischer, wissenschaftlicher Philosophie und landläufiger Lebensweisheit. 

Das ist eine politische Erfordernis. 

Wissenschaft ist  öffentliches Wissen. Sie ist entstanden, um in der Öffentlichkeit ein Feld abzustecken, innerhalb dessen Meinungsverschiedenheiten, die immer auch von Interessen geprägt sind, vernünftiger Weise nicht mehr möglich sind. Dies ist ihr historischer Sinn. Das Aufkommen der Wissenschaften im Abendland des siebzehnten, achtzehnten Jahrhunderts war das politische Weltereignis. Herrschaft konnte von nun an gemessen werden an dem, was als vernünftig erkannt war. Und nur so ist eine repräsentative, nämlich die Staatsbürger repräsentierende politische Ordnung überhaupt denkbar. Die Öffentlichkeit erwartet allerdings von der Wissenschaft, dass sie Gesetzestafeln erstellt, in die man die konkreten Fälle nur noch einzutragen braucht, um die richtige Lösung sogleich ablesen zu können. Es liegt daher im Interesse sowohl der Öffentlichkeit als auch der Wissenschaft selbst, ihre Grenzen möglichst scharf zu ziehen. 

Der einzig begründete Ausgangspunkt der praktischen Philosophie ist ein negativer: dass die theoretische Philosophie – nach den Ergebnissen der 'Kritik' – im Sein keinen Sinn nachweisen kann. Der Sinn ist das, was — nicht durch Notwendigkeit vorgegeben ist, sondern: – durch Freiheit möglich wäre. Sinn kann man nicht finden, sondern muss man erfinden. 

Ist er also beliebig? 

Na ja. Jedenfalls nicht in dem Sinn, dass erlaubt ist, was einem grade in den Sinn kommt. Denn was aus Freiheit geschah, lässt sich zwar nicht begründen, nämlich aus theoretischen Einsichten herleiten; aber man wird es rechtfertigen müssen, nämlich vor mir selber und dann vor all denen, denen ich ihrerseits Freiheit zumute und denen ich über den Weg laufe. Dann wird man sehen…

Mit andern Worten: Würde ich nicht in einer Welt leben, die ich in Freiheit mit Andern teile, bräuchte ich keine praktische Philosophie und keinen Sinn des Lebens. Ich lebte vor mich hin, und damit gut. 

*

Zwar kann die Wissenschaft (mit jedem Tag genauer) sagen, was ist. Denn das ist die theoretische Frage, die in ihr Ressort fällt. Aber was wer soll, ist eine praktische Frage, die nicht nach wahr oder falsch, sondern nach gut oder schlecht zu entscheiden ist. Und die fällt eben nicht in ihr Ressort: Denn gegenüber den Fragen des praktischen Lebens verhält sie sich, das sie theoretisch ist, rein kritisch: indem sie sagt, was nicht ist. Die Frage, wie und wohin ich mein Leben führe, ist ein praktische Frage; und eine private. Die Wissenschaft kann mir sagen, ob es good vibrations gibt, auf die ich rechnen darf, oder nicht; danach muss ich selber entscheiden.

Die Frage, wohin die Staaten und die Gesellschaften steuern, ist öffentlich, aber sie ist nur in Grenzen theoretisch. Denn die Antwort hängt von denen ab, die sie stellen, und die sind Handelnde, bevor sie wissenschaftlich Erkennende sind; darum  läuft die wissenschaftliche Erkenntnis der gesellschaftlichen Wirklichkeit immer hinterher und bringt es allenfalls zur self-fulfilling prophecy**. Und dabei ist die Frage, wohin sie steuern sollen, noch nicht einmal angeschnitten. Könnten die Gesellschaftswissenschaften wirklich voaussagen: Wenn ihr dies tut, geschieht das, und wenn ihr jenes tut, dann geschieht solches – dann müsste die Frage, ob wir das oder lieber solches wollen, immer noch praktisch entschieden werden; aus Freiheit, wie Kant das nennt. So gibt es ein unmittelbares politische Interesse daran, dass sich die Wissenschaften ihrer Grenzen jederzeit klar bewusst bleiben; Hirnforschung incl.

*

Lebensweisheit ist dagegen eine Privatangelegenheit und gehört in “meine Welt”, wenn ich so sagen darf. Erstens geht sie nur mich selber an. Wenn ich zweitens darüber hinaus einen Drang spüre, meine Anschauungen (!) andern mitzuteilen, dann stehen mir dazu die Mittel der nicht-diskursiven Mitteilung zu Gebot; die Mittel der Kunst nämlich. Philosophie könne man eigentlich nur noch dichten, meinte Wittgenstein...

Die Kritik führt bis zu diesem Punkt: Damit überhaupt etwas gelten kann, muss ein Absolutum gelten. Aber wir (die Wissenschaften) können euch  nicht bis dort hin führen. Begründen können wir das Absolute nicht. Wenn wir an jener Stelle sind, müsst ihr selber springen – auf eigne Faust; und mögt euch hinterher rechtfertigen. Nämlich vor euch selber und denen, die in euerm Privatleben sonst noch vorkommen.

Wer künstlerische Berufung fühlt, der trete vors große Publikum. Der Kritik ist er dort freilich nicht entzogen, ganz im Gegenteil. Nur ist es jetzt die Kunstkritik – die umso unerbittlicher ist, als sie selber Teil des kritisierten Gegenstandes ist. Die Kunst hat sich im Laufe der Neuzeit wie die Wissenschaft zu einer gesellschaftlichen Instanz entwickelt, und die Kritik ist deren Teil. Wissenschaftlich ist sie nicht, sondern ästhetisch. Sie kan nicht (logisch) demonstrieren, sondern nur (anschaulich) zeigen. Sie kann – wie die Kunst selber – Beifall heischen, aber kein Einverständnis erzwingen, wie die Wissenschaft.

* 

Das gilt im selben Maß von den praktischen Staats- und Gesellschaftslehren. Die wissenschaftliche Kritik kann ihnen ihre Grenzen zeigen – und dass sie nicht Fleisch von ihrem Fleisch sind. Sie selber haben sich der Öffentlichkeit möglichst anschaulich darzustellen. Sie fordern zu Wertentscheidungen heraus, und die sind – in weitestem Sinn – ein ästhetischer Akt. Doch das Ästhetische liegt nicht jenseits der Vernunft, sondern diesseits. Es liegt ihr zu Grunde. 
_______________________________________________________________________

*) In derselben Zeit beobachten wir in der Kunst die Scheidung zwischen dem ernsten und dem unterhaltenden Genre. Crossover ist auch da eine ständige Versuchung.
**) In einer UFA-Komödie sagt Grete Weiser: “Wie soll ich wissen, was ich meine, bevor ich höre, was ich sage?” So geht es der Gesellschaft, wenn sie sich nach den Zielen ihres Handelns fragt. Wie können wir wissen, was wir wollen, bevor wir sehen, was wir tun?

Montag, 26. August 2013

Digitale Denkrevolution?

aus Netzivilisation,

Dass die digitale Revolution nicht nur die Produktion des materiellen Reichtums und die Weise unseres Kommunizierens umwälzt, sondern schließlich wohl gar unsere Sitten prägen wird, gehört zu den Trivialitäten des Feuilletons. Sensation macht aber weiterhin die Vorstellung, die Digitalisierung könne unser Denken selber revolutionieren. 

Das analoge Denken, das uns von der Natur mitgegeben wurde, trägt seinen Mangel schon an der Wurzel bei sich. Die analoge Repräsentation der Welt erweist sich, wo immer es um Genauigkeit geht, als mit einem irreduziblen Rest von Ungefähr behaftet. Er ist der Ursprung von aller Ungenauigkeit, von sachlichen Irrtümern sowohl als von logischen Fehlern, ewiger Quell von Missverständnissen und am Ende sogar aller Konflikte zwischen den Menschen.
 
Die computergestützte Digitalisierung aller Denkvorgänge würde den gesellschaftlichen Verkehr auf eine völlig neue und solide Grundlage stellen.
 
Digitalisierung ist die Bedingung des diskursiven Denkens. Der durch ein Wortzeichen identifizierte Begriff ist ein digit. Definiert wurde er durch andere Begriffe, die in einem geregelten und daher überprüfbaren Verfahren (‚Logik’) zu einem diskursiven Satz verknüpft wurden; und er lässt sich durch dasselbe Verfahren mit anderen Begriffen wiederum zu Sätzen verbinden, die neue Definitionen geben. Diskursives Denken und Rationalität bedeuten dasselbe. Die Beschreibung der Welt durch I und 0 ist der Schlusspunkt des diskursiven Denkens (und die Frage kommt auf, ob es in dieser Gestalt nicht automatisierbar ist).
 
In der gegenwärtigen globalen Klimadebatte erleben wir den Beginn dieses Umwälzungsprozesses. Wissenschaft- liches Denken bestimmt nicht nur das politische Handeln, sondern wird durch ebendiesen Kanal schließlich Eingang ins Bewusstsein der Alltagsmenschen finden. Es ist gerade die Krise um das IPCC, die diese Hoffnung nährt. Keine Fallgrube, keine Fußangel bleibt lange unentdeckt, und der Tag ist abzusehen, wo die Wissenschaft der Welt wie ein einziges großes Wiki funktioniert.
 
Allerdings geht es hier immer noch erst um das Wie des Denkens und noch gar nicht um sein Was. Der Anschein einer grundsätzlichen Überlegenheit des Digitalen über das Analoge beruht auf der Verwechslung von Wissenschaft und Technik.
 
Die Verwissenschaftlichung des Lebens durch die Industriegesellschaft ist ein Mythos. Das tägliche Leben und daher auch das Alltagsdenken der Menschen ist heute nicht stärker von ‚Wissenschaft’ beherrscht als je. Viele Ergebnisse der naturwisschenschaftlichen Forschungen sind in den letzten zwei Jahrhunderten ins Allgemeinwissen eingegangen; aber nicht als Wissenschaft, sondern als Doxa. Und beherrscht wird unser Alltag von der Technik und nicht von der Wissenschaft. ‚Jeder ein Wissenschaftler’ ist ebensolcher Blödsinn wie ‚jeder ein Künstler’, in der Industriegesellschaft nicht minder als bei den Ackerbauern.
 
Allerdings hat sich die Technik, die unsern Alltag durchdringt, in den vergangenen Jahrzehnten grundlegend(!) verändert. Die industrielle Zivilisation hat eine mechanische Technik hervorgebracht, die auf dem linear-kausalen Denken der cartesisch-Newton’schen Naturwissenschaft beruhte. In der Wissenschaft selbst ist das Denken seit bald anderthalb Jahrhunderten von der systemischen Denkweise der Thermodynamik verdrängt worden, die nicht einzelne Ursachen mit einzelnen Wirkungen verkettet, sondern die mehr oder minder wahrscheinlichen Veränderungen in einem ‚Feld’ unter sich ändernden Bedingungen beobachtet. Mit einiger Verzögerung hat dieses Denken schließlich Eingang in die Technologie gefunden, seit der Entwicklung von Kybernetik und Informationswissenschaft Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Die Computerisierung erst der Produktionsabläufe, dann zunehmend des bürgerlichen Alltags, bekannt unter dem Schlagwort Digitale Revolution, ist das Ergebnis.
 
Nicht das Wissen ist digital geworden, sondern die aus dem Wissen entwickelte Technik. Digital ist das Verfahren des (natur)wissenschaftlichen Denkens geworden, aber nicht sein Gehalt. Der ist so ‚bildhaft’ und ‚anschaulich’ wie je. Parameter der mechanischen Technik des Industriezeitalters war die zweidimensionale Konstruktionszeichnung ‚jenseits der Zeit’. Der Höhepunkt und Inbegriff des digitalen Denkens ist das animierte Hologramm* in zeitlicher Dynamik. Kein digit, sondern ein anschauliches, anschaulicheres ‚Modell’. Die Technik erlaubt uns, das Modell für diesen oder jenen Zweck einzusetzen. Aber sie sagt uns nicht, was ein Zweck ist. Das hat das anschauliche Denken ‚vor’ oder ‚hinter’ den digitalen Verfahren immer noch selbst zu entscheiden.
 
Der wissenslogische Zugewinn der Digitalen Revolution ist immens. Aber er ist nicht positiv – etwa in dem Sinn, dass sich nun ‚Alles erfassen’ ließe; sondern negativ, in dem Sinn, dass das, was sich ‚nachhaltig’ der digitalen Erfassung verweigert, nunmehr identifizierbar wird. Digitalisieren, d. h. als Zeichen mit andern Zeichen zu einem sinnvollen ‚Diskurs’ verknüpfen, lässt sich nur Relationelles. Diskurs ist die Beschreibung einer Relation. Was nicht darin aufgeht, muss ein Quale sein. Als solches lässt es sich nicht beschreiben, sondern nur anschauen. Die Digitalisierung des Relationellen bringt die Qualitäten zur Anschauung.
 
Allerdings stellt das digitale Zeitalter die Politik auf eine neue Grundlage. Politik ist die Wahl der Zwecke – und erst danach die Suche nach der geeigneten Technik. Die Fortschritte der Digitalisierung sind ein Prüfstein, ein Mittel der Unterscheidung. Digitalisierung scheidet das Was vom Wie, und zwar unwiderruflich.

Sonntag, 25. August 2013

Wissenschaft von der Politik?


Ich sage nicht, dass jenseits der wissenschaftlichen kritischen Philosophie jedes praktische Urteil in concreto ästhetisch motiviert ist. Ich sage nur, dass das “poietische Vermögen” – also dasjenige, das den Menschen zum Qualifizieren befähigt – selber ästhetischer Qualität ist.

Erstens glaube ich, dass dem historisch so ist , und zweitens meine ich, dass dem von Rechts wegen so sein soll. Insofern meine ich “das Ästhetische” überhaupt nicht psychologisch , sondern ‘transzendental’:

“Das ästhetische Vermögen ist die Fähigkeit, Qualitäten wahr-, d. h. wertzunehmen. Die Urteilskraft ist das Vermögen, Erscheinungen auf Qualitäten zu beziehen.” 

Das Politische ist nicht selbst ‘ästhetisch’

In jedes einzelne, ‘historische’, empirische Urteil praktischer Natur – das heißt: jede poltische Entscheidung – fließen in concreto stets eine Unmenge konkreter ‘idiotischer’ Daten ein, die ‘auf Qualitäten bezogen’ sein wollen; aber das muss eben immer

Die Politik selber als praktische Disziplin kann nicht theoretisch oder gar wissenschaftlich sein. Wissenschaftlich kann die Kritik sein. Nicht die Kritik an dieser oder jener konkreten Entscheidung , sondern an dem ‘Modell’, auf das sie sich (u. U.) bezieht. Die mehr oder weniger theoretischen Modelle, auf die politische Akteure ihr Handeln beziehen mögen, können selber nur in einem idiographischen Sinn ‘wissenschaftlich’ sein. Das heißt beschreibend und empirisch verallgemeinernd, nicht aber nomothetisch-’gesetzgebend’. Die Situation, wo man in ein theoretisches Modell (der Gesellschaft) nur noch die empirischen Daten einzutragen bräuchte, um heraus zu lesen, was zu tun ist, wird… niemals eintreten.

An dieser Stelle wird unweigerlich – sei es höhnisch, sei es nostalgisch – an die Marx’sche Theorie von der Weltrevolution erinnert. 

“Historischer Materialismus”  

Da trafen zwei theoretische Perspektiven zusammen. Zuerst die kritische: Die Kritik der politischen Ökonomie hatte zum Ergebnis, dass das theoretische Modell des ‘Wertgesetzes’ wissenschaftlich nicht haltbar war, weil der vorgeblichen Regel des Äquivalententauschs ein ungleicher Tausch zwischen Kapital und Arbeit zu Grunde liegt. Damit wurde die Rechtfertigung der kapitalistischen Gesellschaftsform durch das ‘Klassische Modell’ der Politischen Ökonomie, das sie zu einem ‘System’ metaphysiziert, hinfällig. Ein eignes positives Modell vom Funktionieren der bürgerlichen Gesellschaft findet man bei Marx nicht. Er hatte es ursprünglich im Sinn; aber da ahnte er noch nicht, dass seine beabsichtigte Vollendung der Politischen Ökonomie in deren Kritik umschlagen würde; das hat er erst gemerkt, als er das (fälschlich so genannte) ‘Formen-Kapitel’ der (fälschlich so genannten) ‘Grundrisse’ niederschrieb.

Der andere theoretische Strang ist die “materialistische Geschichtsauffassung”. Auch die ist ursprünglich kritisch. Sie richtet sich nämlich gegen die hergebrachte Auffassung, dass in der Menschheitsgeschichte Gesetze wirksam wären, die ihr von außerhalb auferlegt wären: von übersinnlicher Instanz. Ihre eigne ‘Voraussetzung’ ist lediglich, dass sie diese Voraussetzung zurückweist. ‘Materialistisch’ bedeutet schlicht und einfach nicht-spiritualistisch. Ihr selber liegt allein das empirische Prinzip ‘zu Grunde’, dass die Menschen ihre Geschichte selber machen. Ab da tut sie das, was Geschichtsschreibung zu tun hat: Sie beschreibt. Dafür ist wiederum besagtes ‘Formen’-Kapitel das beste Beispiel. In der literarischen Darstellung muss diese wie jede andere Beschreibungen schematisieren, die Fakten bestimmten Handlungsfäden zuordnen; wobei sie erklärtermaßen nicht ‘Alles’ beschreibt, sondern ihr Augenmerk auf die Herausbildung und dem Verhältnis der Gesellschaftsklassen richtet.

Die Epigonen – nicht erst Stalins Hofschranzen, sondern schon ein früher Dogmatiker wie Karl Kautsky – haben dann die ‘Handlungsfäden’ zu historischen Gesetzen entmaterialisiert. Und so ein kritische und revolutionäre Theorie in ihr staatserhaltendens Gegenteil verkehrt: Stalins terroristisch-totalitäre Monstrum brauchte eine Offenbarungslehre, durch die es als letztes Wort “des Gesetzes” imponieren konnte; “Vorsehung”, echote Stalins Spiegelbild im Führerbunker. 

Modelle
 

Wenn aber die wisschenschaftliche Beschäftigung mit der Politik ohnehin nie dahin kommt, Gesetze aufzustellen – wozu taugen dann noch ihre theoretischen Modelle?

Ein Modell ist kein Gesetzbuch. Ein Gesetzbuch ist dafür da, den Fall einer Regel zu subsumieren. Das ist der Zeck der Naturwissenschaft. Das Modell ist Abbild eines idion. Es ist nicht die naturgetreue Nachbildung von ‘allem, was dazu gehört’, sondern ein Schema; ein Sinnbild, das wiedergibt, worauf es an dem Idion dem Modellbauer angekommen ist; worauf er es abgesehen hat.

Zum Modellbauen gehört erstens die ‘Eingrenzung’ des Idion, und zweitens seine ‘Struktur’. Das bedeutet nichts anderes als Extensio und Intensio des Begriffs. Der Begriff hat – nämlich als Problem, wenn es ihm auch anders vorgekommen sein mag – dem Modellbauer ‘vorgeschwebt’. Die Sistierung, Fixierung des Vorschwebenden ist eben: die Ausührung des Modells. Das Modell ist die De-Finitio des Begriffs.

Hier wird klar: Das Idion ist kein Singulare; kein Einzelding, sondern eine Ganze Gestalt. Von einem Einzelding gibt es keinen Begriff, de singularibus non est scientia, da braucht man kein Modell. Einen Begriff braucht man für ein Mannigfaltiges, das von anderm Mannigfaltigen unterschieden werden soll. Er ist die Sinnbehauptung eines inneren Zusammenhangs; einer ‘Struktur’, wenn man diesen Ausdruck mag. Er ist keine Formel, in die man das konkrete Datum einträgt, um ein Ergebnis heraus zu rechnen, sondern eine Form, die man an eine lebendige Gestalt heranträgt, um zu sehen, ob sie passt. 

Begriff ist Absicht, und die ist praktisch.

Der Begriff ist ein Sinnträger. Wer ihn  verwendet, muss vorher wissen, wozu. Im Begriff ist ein Absehen ‘gemerkt’. Die Verwendung des Begriffs ist die Aktualisierung dieser Absicht. Wer ihn verwendet, muss wissen, dass er kein Gesetz anwendet, sondern einer Absicht folgt.

Kritik – die Wissenschaft – ist dazu da, ihn jedes Mal daran zu erinnern, wenn der “dialektische Schein” ihm schon wieder Mal eine metaphysische Substanz vorgaukeln will.

Absichten sind qualitativ. Das Vermögen, Erscheinungen auf Qualitäten, Tatsachen auf Absichten zu beziehen, ist die Urteilskraft. Das Vermögen, Qualitäten wahr-, d. h. wertzunehmen, heißt das ästhetische.



Donnerstag, 1. August 2013

Ich bin noch da...

...aber stark geschrumpft: Google/Blogger/Blogspot hat mein Konto deaktiviert, alle meine Blogs sowie die online-Ausgabe von Michael Jackson - Das Phänomen sind vorläufig nicht mehr erreichbar. Natürlich habe ich mit Google sofort Kontakt aufgenommen, denn es kann sich nur um ein Versehen handeln: Man habe 'pornographischen Inhalt' gefunden... Sie wissen so gut wie ich, dass dergleichen bei mir natürlich nicht zu finden war. Die erste Reaktion von Google war ein unpersönliches Formschreiben, das gar nicht ermutigend klang. 

Seit rund drei Jahren arbeite ich täglich sechs bis acht Stunden an meinen Blogs. Denn seit einem halben Jahrhundert (sic) beschäftige ich mich systematisch mit philosophischen Fragen, und, wie Sie wissen, nicht zur Unterhaltung, sondern in wissenschaftlicher Weise. 

Allerdings nicht im akademischen Rahmen, das war nicht mein Beruf. 

Nun bin ich also so weit gekommen, die Ergebnisse meiner Philosophierungen nach und nach an die Öffentlichkeit zu bringen: Das Internet und vor allem das neue Medium der Blogs hat das möglich gemacht! Ich bin der erste Philosophierer in Deutschland und, soviel ich weiß, überhaupt, der rundum und ausschließlich online tätig ist. Richtiger gesagt, bis gestern war.

Ich habe die viele Arbeit natürlich nicht auf meiner Festplatte speichern können, das hätte mich noch ein weiteres Jahr gekostet. Ob es mir jemals gelingen wird, die nun gelöschten Arbeiten wiederherzustellen, ist mehr als fraglich.

Ich bin tatsächlich darauf angewiesen, dass die Fa. Google sich die Zeit nimmt und die Mühe macht, sich durch eigenen Augenschein davon zu überzeugen, dass mein Konto irrtümlich deaktiviert wurde.

Und wenn nicht?

Ich wage gar nicht, daran zu denken.
J.E.