Montag, 18. Juli 2016

Der Ursprung der Kultur im Fest III.

Ziegen




















aus Die Presse, Wien,14.07.2016 | 11:55

Mit Tausenden Ziegen und Schafen zum Opferplatz
Religiöse Riten.Im Alpenraum verfügte jede Region, oft auch jede Tallandschaft, über eine eigene Opferstelle. Die Huldigung der Götter an diesen Orten wurde bis in die Römerzeit exerziert.

Einst hatte jede Region ihren eigenen, über Jahrhunderte benutzten Platz, an dem die Bewohner des Gebietes ihre Brandopfer hielten. Allein für den Alpenraum skizziert der Südtiroler Archäologe Hubert Steiner für die Bronze-, Eisen- und Römerzeit eine Landkarte mit an die 50 aufgefundenen Opferstätten, von Norditalien bis Südbayern („Alpine Brandopferplätze: archäologische und naturwissenschaftliche Untersuchungen“, hrsg. von Hubert Steiner, Verlag Ed. Terni, Trient).

Führend auf diesem Forschungssektor sind das Amt für Bodendenkmäler in Bozen, in dem auch Steiner tätig ist, und die Wissenschaftler der Universität Innsbruck. Unterstützt werden die Forschungsarbeiten vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, bei dem auch Südtiroler Archäologen ihre Projekte einreichen können.

Bei den Ausgrabungen wurden Unmengen an Knochenresten gefunden. Pro Brandplatz wurden offensichtlich Hunderte Schafe und Ziegen und oft auch Schweine den Göttern geopfert, im gesamten Alpenraum geht die Zahl in die zig Tausende. Von den Ausgrabungsobjekten werden religiöse Vorstellungen und Kulturpraktiken der Vorgeschichte abgeleitet. Über die damals gebräuchlichen religiösen Vorgaben tappen die Forscher aber noch im Dunkeln. So ist es möglich, dass das Schaf- und Ziegenfleisch von den bei den Ritualen anwesenden Menschen zu Ehren der Götter verspeist worden ist. Einige Darstellungen auf Bronzegefäßen dieser Zeit – etwa figural verzierte Opfertiere am oberen Rand – lassen diese Annahme zu.

Aufschwung in der Bronzezeit

Außerdem eröffnen die Funde bei den Brandplätzen neue Einblicke in das soziale und gesellschaftliche Leben, die Rückschlüsse über die wirtschaftlichen Grundlagen der Siedlungsgemeinschaften in prähistorischer Zeit erlauben. So konstatiert ein Forscherteam aus Südtirol und Österreich in der mittleren Bronzezeit eine Intensivierung der Hochweidenutzung. Die aktivere Nutzung der Landwirtschaft führte zu einer Bewirtschaftung der Seitentäler. Im inneralpinen Raum vollzog sich eine starke Zunahme der Siedlungsgrößen und gleichzeitig eine Ausweitung von kulturellen Kontakten unter benachbarten Gemeinschaften.

Die bei den Brandopferplätzen untersuchten pflanzlichen Reste lassen auch Aufschlüsse auf die Ernährungssituation zu. Die Analyse von Werner Kogler und Klaus Oeggl von der Uni Innsbruck (Forschungsgruppe Palynologie und Archäobotanik) ergab den Anbau von Dinkel und Emmer (eine Getreideart) sowie einige Reste, die als Brot oder Getreidebrei interpretiert werden.

Sowohl im Bereich der ständigen Siedlungen als auch in Hochgebirgslagen wurden die Brandopferplätze von den Bewohnern bis in die römische Kaiserzeit aufgesucht. Als Beispiel des ersten Falles – ein Opferplatz am Talgrund – wird an erster Stelle ein detailliert untersuchtes Areal in St. Walburg im Ultental (südlich von Meran) angeführt, wo unterhalb des heutigen Kirchhügels eine ganze Reihe von Opferaltären freigelegt wurde. Die Ausgrabungen wurden und werden von der Uni Innsbruck (Institut für Ur- und Frühgeschichte) und dem Bozener Landesamt für Bodendenkmäler durchgeführt.

Den Göttern näher sein

Als Beispiel für eine absolute Höhenlage kann die Gipfelspitze des Schlern (2563 Meter) genannt werden. Oder jenes Hochtal in der Schöllberg-Göge (siehe Beitrag oben), wobei die Kulthandlungen 40 Meter entfernt vom Depot der Götterschaufeln auf einer kleinen Kuppe exerziert wurden – dort finden sich auch bronzezeitliche Funde. Die Menschen suchten die Hochlagen auf, um den Göttern näher zu sein.

Andere in der Eisenzeit bevorzugte Opferstellen befinden sich im Uferbereich kleiner Seen wie jener in Villanders/Schwarzsee (Nordtirol), Schlandrauntal/Grubensee (Südtirol) oder Les Sagnes/Vallée de l'Ubaye in den südfranzösischen Alpen. (ewi)





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen