aus Süddeutsche.de
Trumps Politik der falschen Behauptungen
Der US-Präsident beharrt darauf, sein Vorgänger habe
ihn abgehört. Ohne Beweis. Jetzt zeigt eine Studie, wie viele
Amerikaner trotzdem daran glauben - und wie gefährlich Trumps Taktik
ist.
Es war ein Samstagmorgen Anfang März als Donald Trump in seinemn Ferienressort Mar-a-Lago in Florida zum Handy griff und einer seiner Lieblingsbeschäftigungen nachging. In 140 Zeichen ein ganzes Land in Aufregung versetzen.
Diesmal erhob Donald Trump den Vorwurf, sein Vorgänger Barack Obama habe ihn während des Wahlkampfes abhören lassen. Ein Vorwurf, der Trump noch große Probleme bereiten könnte.
Und für den bisher es keine Beweise gibt. Er ist aus der Luft gegriffen. Die Chefs von NSA und FBI haben Trumps Klage bei einer Anhörung kategorisch zurückgewiesen.
Allein das: ein mehr als außergewöhnlicher, ein dramatischer Vorgang.
Der Präsident der USA wurde von den Geheimdienstchefs, mit denen er
eigentlich eng zusammenarbeiten sollte, öffentlich bloßgestellt.
Barack Obama hat die US-Geheimdienste nicht damit beauftragt, Donald Trump im Trump Tower abzuhören. Und trotzdem glauben 47
Prozent aller Amerikaner, es sei "sehr wahrscheinlich" oder
"wahrscheinlich", dass Trumps Büros während der Präsidentschaftskampagne
2016 von Regierungsstellen überwacht wurden. Bei den Republikanern glauben dies sogar 74 Prozent. Das zeigt eine aktuelle CBS-Studie.
Was viele Amerikaner glauben, hat mit Fakten in diesem Fall wenig zu
tun. Durchaus aber etwas mit der parteipolitischen Präferenz.
Das zeigt auch eine andere aktuelle Umfrage, die gerade veröffentlicht wurde:
Was ein neuer Präsident verändern kann: Wie reich man sich fühlt.
Ohne dass sich etwas an ihrer finanziellen Situation geändert hat,
erklären Republikaner nach der Wahl doppelt so oft als vier Monate
zuvor, dass sie sich, was ihre finanzielle Situation angeht, jetzt
besser fühlen. Doch nicht nur die Konservativen haben ihre Wahrnehmung
geändert. Demokraten empfinden ihre finanzielle Situation jetzt als
durchschnittlich sehr viel schlechter als zuvor unter Barack Obama.
Was sagt das aus über die Vereinigten Staaten von Amerika und den Zustand des Landes unter dem neuen Präsidenten?
Es geht nur noch um Sympathie
Vor allem machen die Zahlen deutlich, welchen Erfolg Trump mit seiner Strategie hat.
Trump versucht mit Aussagen ein Amerika zu schaffen, in dem Fakten
eine immer geringere Rolle spielen. Das ist im Wahlkampf bereits
deutlich geworden, dass er das Vorhaben auch als Präsident weiter und
mit jetzt durchschlagender Wirkung betreibt, hat dann kaum mehr
überrascht. Die Folgen sind im Detail noch nicht abzuschätzen. Aber sie
dürften die politische Landschaft für eine lange Zeit
grundlegend verändern.
Jeder misstraut jedem. Das ist die Voraussetzung für eine Politik
jenseits der Fakten, wie Trump sie macht. Denn wenn die Wahrheit keine
Rolle mehr spielt, dann geht es, so Trumps Kalkül, nur noch um
Sympathie, darum ob er seine Wähler bedient.
Das ist Trumps Taktik. Der Präsident spricht so über die Welt, wie
er glaubt, dass seine Anhänger sie sehen oder gerne sehen würden. Damit
treibt er die Spaltung einer ohnehin polarisierten Gesellschaft weiter
voran. Und bereitet den Boden für eine Entwicklung hin zum Autoritären.
Das Autoritäre ist verführerisch, weil es einem erspart, Unfähigkeit,
Differenz und Ambivalenz ertragen zu müssen.
Für die demokratische Debatte sind dagegen belegbare Fakten
essentiell. Gestritten wird in der funktionierenden Demokratie darüber,
was aus den Fakten folgt. Wenn es aber gar keine Einigkeit mehr gibt,
wenn alles gleichzeitig wahr ist und unwahr ist, dann kann es keine
ergebnisoffenen Diskussionen geben. Dann herrscht das Recht
des Stärkeren.
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