Spitze gegen Thunberg
Deutsche Forschungsgemeinschaft löscht Nuhr-Beitrag
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft entfernt einen Beitrag von Dieter
Nuhr nach einem Shitstorm von ihrer Website. Der Kabarettist wehrt sich.
Er solle mundtot gemacht werden, fürchtet er: „Mir gruselt es ein
wenig.“
Die Kampagne der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) hat einen einfachen Namen: „Gemeinsam #für dasWissen“. Unter diesem Schlagwort will sie nach eigenen Angaben „ihre Überzeugung für eine freie und er-kenntnisgeleitete Forschung in die Gesellschaft tragen“. Eine ganze Reihe prominenter Botschafter unterstützt die Kampagne mit Wortbeiträgen. Neben Wissenschaftsjournalist und Fernsehmoderator Ranga Yogeshwar oder der SPD-Bundestagsabgeordneten Yasmin Fahimi war darunter eigentlich auch Kabarettist Dieter Nuhr. Doch dann kam es anders.
Denn die DFG hat den Kommentar des 59-Jährigen, der mit seinen Witzen über das Coronavirus und die Klima-jugend nicht überall gut ankommt, am Freitagvormittag wieder von ihrer Kampagnenseite gelöscht. Zuvor war der Clip auf Twitter kritisiert worden – in dem sozialen Netzwerk ist er nach wie vor abrufbar.
Auf Anfrage von WELT erklärt Nuhr, dass er den Kommentar „gerne speziell für die Kampagne aufgenommen“ habe. Die Entfernung des Beitrags kritisiert er scharf und spricht von „Denunziation“.
Der Kommentar begann mit den Worten: „Wissen bedeutet nicht, dass man sich zu 100 Prozent sicher ist.“ Vielmehr bedeute es, über genügend Fakten zu verfügen, um eine „begründete Meinung zu haben“.
Es sei daher richtig, dass Wissenschaftler ihre Meinung änderten: „Das ist normal. Wissenschaft ist gerade, dass sich die Meinung ändert, wenn sich die Faktenlage ändert.“ Wissenschaft sei schließlich keine Religion, die absolute Wahrheiten verkünde.
Dann folgte in dem Clip ein Seitenhieb auf Klimaaktivisten wie Greta Thunberg und Luisa Neubauer: „Wer ständig ruft: ‚Folgt der Wissenschaft‘, der hat das offensichtlich nicht begriffen“, so der Kabarettist. Wissen-schaft wisse nicht alles, sei aber „die einzige vernünftige Wissensbasis, die wir haben. Deshalb ist sie so wich-tig“.
Nuhr tat in seinem kurzen Beitrag also genau, was der DFG zupass kommen dürfte. Schließlich hat sie sich als Verein zur Aufgabe gemacht, Forschung und Wissenschaft in Deutschland zu fördern. Und Nuhr begründete die Relevanz von Wissenschaft – wenn auch nicht unkritisch und eben mit der Spitze gegen die Klimajugend.
Nuhr provoziert immer wieder
Immer wieder provoziert der Kabarattist mit seinen Wortbeiträgen vor allem politisch links orientierte Men-schen. An der aus seiner Sicht zu extremen Einstellung von Thunberg und anderen Klimaaktivisten arbeitet er sich besonders gerne ab.
Am Freitagvormittag dann der Kurswechsel: „Liebe Community, wir nehmen die Kritik, die vielen Kommentare und Hinweise ernst“, hieß es. Nuhrs Beitrag sei daher von der Kampagnenwebsite entfernt worden.
Die Kritiker lobten diese Entscheidung. Dafür meldeten sich nun andere Nutzer zu Wort, die „Zensur“ witterten oder es als „bedenklich“ empfanden, dass die Forschungsgemeinschaft dem Druck der Kritiker nachgegeben habe.
Tatsächlich war das Video bereits seit dem 21. Juli auf der Kampagnenseite abrufbar gewesen, wie die DFG auf Anfrage mitteilte. Erst als der Post auf Twitter in der wissenschaftlichen Community und darüber hinaus „zu einer starken und sehr kritischen Resonanz geführt“ habe, „in der es weniger um Nuhrs Statement, sondern um die wissenschaftliche Haltung geht, für die er an anderer Stelle steht“, habe man sich für die Entfernung ent-schieden, so die DFG in einer schriftlichen Stellungnahme an WELT.
Nuhr findet Löschung „geradezu alarmierend“
Dieter Nuhr selbst kritisiert die Entscheidung der DFG scharf. Die Löschung sei „nicht nur merkwürdig, son-dern geradezu alarmierend“, teilt er schriftlich gegenüber WELT mit. „Es wurde bereits des Öfteren versucht, mich als Wissenschaftsfeind darzustellen, weil ich oft darauf hinweise, dass der Begriff der Wissenschaft nicht missbraucht werden darf, um eine absolute Wahrheit zu proklamieren, die nicht mehr hinterfragt werden darf“, so Nuhr.
Der Kabarettist betont, er habe immer wieder darauf hingewiesen, dass er Fridays for Future grundsätzlich für sympathisch halte. Ein Satz wie „Folgt der Wissenschaft“ aber sei „unbrauchbar, weil er suggeriert, es gebe die eine, eben wissenschaftliche Lösung für das Problem des Klimawandels“. Die Schwedin Thunberg, die zum Symbol der Bewegung wurde, ist bekannt für ihren Appell an Politik und Gesellschaft: „Hört endlich auf die Wissenschaft – und handelt!“
Dabei gebe es, so Nuhr, auch unter Klimawissenschaftlern zahllose gut begründete Szenarien und Lösungs-vorschläge. „Diese Tatsache zu erwähnen hat mir viel Ärger eingebracht. Es gibt weltweit – Stichwort cancel culture – zunehmend mächtiger werdende Versuche, kritische Stimmen mundtot zu machen. Die DFG hat sich dem nun angeschlossen. Das ist sehr bedenklich.“
Den Vergleich mit Verschwörungstheoretikern oder die Bezeichnung „Wissenschaftsleugner“ nennt Nuhr „ab-surd und beleidigend“. Wissenschaft sei die „einzige seriöse Möglichkeit, Erkenntnis zu generieren“. Er habe nie gegen „die Wissenschaft“ argumentiert, betont Nuhr. „Man etikettiert mich – völlig abwegig – als wissen-schaftsfeindlich, damit meine Stimme diskreditiert wird.“
Er habe das Gefühl, in der aktuellen Atmosphäre sei es nicht mehr möglich, unterschiedliche wissenschaftliche Thesen zu diskutieren, ohne dafür womöglich beschimpft, bedroht oder ausgegrenzt zu werden. „Es wird immer häufiger denunziert statt argumentiert.“
Seinen Standpunkt machte Nuhr auch in einem Schreiben an die DFG deutlich, das WELT vorliegt. „Sie ‚re-agieren auf Kritik‘. Mit anderen Worten: Die DFG unterwirft sich den Krawallmachern, die im Internet syste-matisch an der Unterdrückung kritischer Stimmen arbeiten, die in der Mitte des politischen Spektrums stehen“, heißt es in dem Brief. „Wohin steuert die DFG? Will sie ein Teil der Meinungswelle sein oder unabhängig? Mir gruselt es ein wenig.“
Die DFG bereut im Nachhinein offenbar ihre Entscheidung, Dieter Nuhr für ein Statement eingeladen zu haben. Die Gemeinschaft teilte WELT mit, man sei „offensichtlich zu einer falschen Gesamteinschätzung seiner Hal-tung gegenüber Wissenschaft und der Bedeutung wissenschaftlicher Erkenntnisse gekommen“.
Nota. - Das ist nicht neu, dass die rechte Reaktion an der Wissenschaft das bekämpft, was sie wissenschaftlich macht: nämlich das kritische Grundprinzip, das nicht bedeutet, dass jede*r, der* irgendwo ein Haar in der Suppe findet, laut krakeelen darf; sondern dass gelten soll nur, was auf seine Gründe hin überprüft wurde.
Letzteres bedeutet, dass nicht bloßes Lamento den Ausschlag gibt, sondern der unvermeidliche Kampf der Ar-gumente.
Doch Argumente hat die reaktionäre Rechte nie gemocht, und Kämpfen gehen sie solange aus dem Weg, wie sie nicht die geballte Macht der behördlichen Institutionen hinter sich wissen; aber dann - drücken sie ab!
Der Skandal ist nicht, dass es so ist, wie es ist; denn so war es immer. Der Skandal ist, dass sich das gesunde Volksempfinden wie zum Hohn heute auch noch als links bezeichnet.
Links, das bezeichnete, als das Wort aufkam, nämlich in der Deputiertenkammer der restaurierten französischen Monarchie, die paar, die gegen Wind und Wetter zu den freiheitlichen Prinzipien der Revolution hielten und zu allererst für das freie Wort eintraten.
Denn Zensur war und ist immer ein Werkzeug in der Hand der Machthabenden.
Die offene Auseinandersetzung scheuen sie wie der Teufel das Weihwasser, und erachten die andere Meinung als sündhaften Frevel. Wo aber Beschwörungen nicht reichen, da wollen ßie wie das Wasser ßein, das weiche Wasser höhlt den Stein...
JE
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