Sonntag, 12. Juli 2020

Neolithische Kolonisierung.

aus derStandard.at, 12. Juli 2020

Kühles Klima bremste in Europa Einwanderung von Bauern aus der Levante
Neuankömmlinge vermischten sich in kälteren Gebieten mit den lokalen Jägern und Sammlern

Wien – Vor etwa 9.000 Jahren brachten jungsteinzeitliche Bewohner der Levante die Landwirtschaft nach Europa. Ihr Wanderungen durch Europa vollzogen sich allerdings nicht auf allen Routen gleich schnell: Häufig bremste kühles Klima ihr Fortkommen. Die Ankömmlinge mischten sich dann mit lokal ansässigen Jägern und Sammlern, wie ein Forscherteam mit österreichischer Beteiligung im Fachjournal "Nature Human Behaviour" berichtet. Einzig die warme Mittelmeerroute ermöglichte unverzögerte Einwanderung.

Ein Team um Andrea Manica von der Universität Cambridge (Großbriannien) untersuchte anhand archäologischer Funde die Einwanderungsgeschwindigkeit der Jungsteinzeitbauern auf den vier bekannten Hauptrouten: Entlang des Mittelmeeres, durch Zentraleuropa bis England, von Mitteleuropa nach Skandinavien und vom Balkan direkt in den Nordosten Europas. An der Studie war auch Ron Pinhasi vom Department für Evolutionäre Anthropologie der Universität Wien beteiligt.

Keine Verzögerung auf der Mittelmeerroute

Alle vier Einwanderungsachsen hatten zunächst eine sich rasch voranbewegende "Expansionsfront", so die Forscher. Dahinter füllten die Neuankömmlinge die benachbarten Gebiete. Bei drei Routen wurde die Einwanderung aber gebremst, und zwar vor 8.200 Jahren in Zentraleuropa, vor 7.400 Jahren nach Skandinavien und vor 7.700 Jahren Richtung Nordeuropa. Auf der Mittelmeerroute kamen die Einwanderer hingegen ohne Verzögerung bis zur Atlantikküste auf der Iberischen Halbinsel.

Die vier Hauptrouten der Jungsteinzeitbauern durch Europa: Entlang des Mittelmeeres (blau), durch Zentraleuropa bis England (lila), von Mitteleuropa nach Skandinavien (orange) und vom Balkan direkt in den Nordosten Europas (grün).
 
Die Forscher fanden heraus, dass die Bauern offensichtlich durch niedrige Temperaturen gebremst wurden. In Regionen, wo es zu wenige Pflanzenwachstumstage über fünf Grad Celsius oder zu niedrige Sommertemperaturen gab, standen sie quasi an. Offensichtlich wuchsen ihre wärmeliebenden Nutzpflanzen, die sie aus dem Südosten mitgebracht haben, dort nicht gut genug, um sie üppig zu versorgen. Von diesem Problem wurden die Einwanderer entlang der warmen Mittelmeerküste nicht behelligt.

Vermischungen

Die DNA in den alten Menschenknochen von den Fundstellen quer durch Europa verriet den Forschern, dass sich die Jungsteinzeitbauern überall dort viel mehr mit den hiesigen Jäger- und Sammlervölkern mischten, wo ihre Einwanderung gebremst wurde. Wenn ihre Nahrungsmittelproduktion nicht mehr verlässlich funktionierte, kamen die Bauernvölker wohl selbst wieder mehr auf das Jagen und Sammeln zurück, meinen die Forscher. Sie tauschten Waren mit den ansässigen Jäger-Sammlern aus, und lernten ihr Wissen über die lokalen Begebenheiten zu schätzen. Und sie zeugten miteinander Nachkommen. (red, APA.)

 

Abstract





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