Donnerstag, 31. Mai 2018

Die Schlacht von Legnano: Der Anfang des deutschen Sonderwegs.

ITALY - CIRCA 2002: Battle of Legnano, May 29, 1176, by Amos Cassioli (1832-1891), ca 1860. Age of communes and lordships, Italy, 12th century. (Photo by DeAgostini/Getty Images) Getty ImagesGetty Images 
aus welt.de, 28. 5. 2018                       Amos Cassioli inszenierte die Schlacht von Legnano 1860 als Triumph des italienischen Freiheitskampfes

Bürger gegen Ritter
In dieser Schlacht wurde Kaiser Barbarossa vernichtet

Um die Macht des „Heiligen Reiches“ durchzusetzen, führte Kaiser Friedrich I. Barbarossa Krieg gegen Mailand. Bei Legnano 1176 erlitten die deutschen Ritter eine Katastrophe – mit historischen Folgen.



Zweimal schon, 1158 und 1162, hatte Kaiser Friedrich I. Barbarossa (um 1122–1190) das selbstbewusste Mailand in die Schranken gewiesen. Beim zweiten Mal hatte sich sogar der Stadtheilige Ambrosius auf der Spitze des Mailänder Fahnenwagens (Carroccio), dem Symbol der städtischen Macht, vor dem Staufer verbeugt. Dennoch hielt der Kaiser die unterwürfige Geste nicht für ausreichend, um seine und des Reiches Ehre wiederherzustellen, und er befahl die Zerstörung der eroberten Stadt.

14 Jahre später zog der inzwischen 54 Jahre alte Monarch erneut gegen die wiederaufgebaute Stadt. Wieder wollte er ihre Bürger dafür strafen, „dass sie den Ruhm unseres Namens und die Erhabenheit des Römischen Reiches durch schlechte und unbillige Machenschaften vollständig zu zerstören“ trachteten. Bei Legnano, etwa 30 Kilometer nordwestlich von Mailand, traf das kaiserliche Ritterheer eher zufällig auf das Aufgebot des Lombardischen Bundes. Am Ende konnte Barbarossa froh sein, mit dem Leben davongekommen zu sein. Damit wurde Legnano zu einem historischen Wendepunkt im Verhältnis Norditaliens zum Heiligen Römischen Reich. Ja, mehr noch: Die Kommune der Bürger hatte sich dem Machtanspruch der Fürsten gewachsen gezeigt.

Frederick I Barbarossa (1122 – 10 June 1190) was a German Holy Roman Emperor. He was elected King of Germany at Frankfurt on 4 March 1152 and crowned in Aachen on 9 March 1152. He became King of Italy in 1155 and was finally crowned Roman Emperor by Pope Adrian IV on 18 June 1155. Two years later, the term 'sacrum' (i.e. 'holy') first appeared in a document in connection with his Empire. He was then also formally crowned King of Burgundy at Arles on 30 June 1178. He got the name Barbarossa from the northern Italian cities he attempted to rule. Barbarossa is 'red beard' in Italian—a mark of both their fear and respect. In German, he was known as Kaiser Rotbart which has the same meaning. | Verwendung weltweit, Keine Weitergabe an Wiederverkäufer.
Der Staufer Friedrich I. Barbarossa (um 1122–1190)

Bereits bei seiner Krönung zum Römisch-Deutschen König 1152 hatte der Staufer gezeigt, dass er gewillt war, die „Strenge der Gerechtigkeit“ zur Leitlinie seiner Politik zu machen, und sich nicht mehr vom Ideal der „Milde“ leiten lassen wollte. Als ihn ein Dienstmann während der Zeremonie um Verzeihung bat, wies Friedrich dies mit der Begründung ab, dies sei ungerecht.

Mit diesem Maßstab beurteilte der König – 1155 wurde er von Papst Hadrian IV. zum Kaiser gekrönt – auch sein Verhältnis zu den Städten der Lombardei, vor allem zum mächtigen Mailand. Seit der Unterwerfung des Langobardenreiches durch Karl dem Großen (773/774) gehörte die Region zum Frankenreich. Unter den Ottonen wurde das Land zum Herzstück Reichsitaliens. Doch im Zuge des Investiturstreits mit dem Papsttum und dem Niedergang der königlichen Macht im Reich unter den späten Saliern hatten die Städte Norditaliens ein großes Maß an Autonomie gewinnen können. 

Verbunden mit dem wachsenden Wohlstand aus Handel und Geldgeschäften entstanden unter der Führung aufstrebender städtischer Familien belastbare Institutionen kommunaler Selbstverwaltung.

The Milanese patricians, Lodi, offering Frederick Barbarossa the surrender of Milan, 1161, engraving from the Middle Ages, 1892, by Francesco Bertolini (1836-1909), with illustrations by Lodovico Pogliaghi (1857-1950). Getty ImagesGetty Images
1161 baten die Bürger Mailands Kaiser Friedrich I. noch um Vergebung
Das kollidierte mit dem Ziel Barbarossas, die königlichen Prärogativen südlich der Alpen wiederherzustellen. In freier Wahl bestellte Konsuln als Vertreter der Kommunen verstand Friedrich als Herausforderung. Kompromissangebote wies er brüsk zurück. 1158 und 1162 konnte er mit Hilfe verbündeter Städte, denen die Macht Mailands nicht geheuer war, seinen Machtanspruch durchsetzen und eigene Amtsträger in den Kommunen installieren. Aber sein gescheiterter Romzug 1167, den eine Seuche in eine Katastrophe verwandelt hatte, erschütterte die kaiserliche Stellung.

Hinzu kam, dass Friedrich in Papst Alexander III. (reg. 1159–1181) ein Gegner entstand, der gewillt war, mit aller Macht das Supremat der „Heiligen Römischen Kirche“ über Kaiser und Reich durchzusetzen. Zwar versuchte der Staufer, durch die Wahl von Gegenpäpsten Alexander auszumanövrieren. Doch der wusste seine Position im sogenannten Alexandrinischen Schisma zu halten, indem er sich unter anderem mit dem Lombarden verbündete und über den Kaiser den Kirchenbann verhängte. Damit verlor Friedrich seine Legitimation als Schutzherr der Kirche.

The destruction of Milan by Frederick Barbarossa and and other rival cities, 1162, engraving from the Middle Ages, 1892, by Francesco Bertolini (1836-1909), with illustrations by Lodovico Pogliaghi (1857-1950). Getty ImagesGetty Images  
Die Zerstörung Mailands 1162 

1174 brach er zu seinem fünften Italienzug auf. Die meisten Großen des Reiches hatten geschworen, Alexander niemals als Papst anzuerkennen. Mehrere Monate wurde Alessandria belagert, eine neu gegründete Siedlung bei Mailand, die deren Konsuln nach „ihrem“ Papst benannt hatten. Noch einmal unterwarfen sich die zum Entsatz herangerückten Lombarden symbolisch. Aber eine militärische Lösung des Konflikts war nur noch eine Frage der Zeit.

In dieser Lage erbat Friedrich erneut von seinem Vetter Heinrich dem Löwen Unterstützung, als Herzog in Sachsen und Bayern zweifellos der mächtigste Reichsfürst. Doch der Welfe verweigerte sich. Mit gerade einmal 3000 Rittern und Fußvolk musste der Kaiser die Entscheidung suchen.
Am 29. Mai 1176 stieß Friedrichs Vorhut bei Legnano auf die lombardischen Truppen aus Mailand, Piacenza, Verona, Brescia, Novara, Vercelli und Lodi, insgesamt wohl an die 12.000 Mann. Das Scharmützel wurde zur Schlacht. „Die deutschen Ritter waren schon bis an die Fahnenwagen (Carroccio) herangekommen, das stolze Symbol kommunalen Selbstbewusstseins. Er wurde nur von wenigen tapferen Fußsoldaten verteidigt“, schreibt der Heidelberger Mediävist Bernd Schneidmüller in dem neuen Band „Krieg im Mittelalter“.


ITALY - JUNE 19: Carroccio, Battle of Legnano, May 29, 1176, by Massimo Taparelli Azeglio (1798-1866), 1831, oil on canvas. Detail. Age of communes and lordships, Italy, 12th century. (Photo by DeAgostini/Getty Images) Getty ImagesGetty Images 
Der Kampf um den Carroccio entschied die Schlacht 

Ein Überraschungsangriff der sich neu formierenden Lombarden überraschte die deutschen Ritter. „Der kaiserliche Bannerträger fiel von einer Lanze durchbohrt zu Boden, ließ das Feldzeichen sinken und wurde von Pferden zerstrampelt. Bald stürzte auch der Kaiser aus dem Sattel und verschwand sogleich vor den Augen aller. Da löste sich das deutsche Heer auf.“ Viele wurden getötet oder ertranken im Fluss Ticino.

„Wir haben den Schild des Kaisers, Fahne, Kreuz und Lanze. Viel Gold und Silber haben wir in seinen Packsätteln gefunden“, lautete die triumphale Botschaft der Sieger. Der glanzlose Auftritt des für tot gehaltenen Kaisers in Pavia unterstrich einmal mehr das Ausmaß der Niederlage. Friedrichs Italienpolitik war auf der ganzen Linie gescheitert. Militärisch wäre die Niederlage „vielleicht zu bewältigen gewesen“, urteilt Schneidmüller. „Schwerer wog indes die symbolische Katastrophe. Eine Herrschaft, die so programmatisch auf der ,Ehre des Reichs‘, dem Namen des Kaisers und dem Rang der Fürsten fußte, konnte diesen Triumph vermeintlich aufständischer Rebellen nur schwer verwinden.“ Die Bürger hatten über den Kaiser gesiegt.

Frederick Barbarossa kneeling before Pope Alexander III in Venice, 1177, engraving from the Middle Ages, 1892, by Francesco Bertolini (1836-1909), with illustrations by Lodovico Pogliaghi (1857-1950). Getty ImagesGetty Images 
1177 warf sich Friedrich I. Barbarossa Papst Alexander III. vor die Füße

Nicht zuletzt auf Druck der deutschen Fürsten musste Friedrich den Lombarden ihre Freiheit zugestehen. Auch von Papst Alexander wurde der Kaiser wieder als „Sohn der Kirche“ aufgenommen, nachdem dieser jenem den Ehrendienst geleistet hatte.

Die Rechnung hatte am Ende Heinrich der Löwe zu zahlen. Im Bunde mit anderen Fürsten machte Friedrich ihm den Prozess, nahm ihm seine Herzogtümer und zwang ihn ins Exil. Mit dem Dritten Kreuzzug, zu dem der greise Kaiser 1189 aufbrach, wollte er seinem Kaisertum noch einmal imperialen Glanz verleihen. Doch schaffte der Staufer es nicht mehr bis ins Heilige Land. Er ertrank beim Baden im Fluss Saleph im Osten Kleinasiens.


Nota. - Die Ausbildung eines deutschen Nationalstaats wurde verhindert, indem der deutsche König als römischer Kaiser zugleich seine Herrschaft über Norditalien verteidigen musste. Nach der Schlacht von Legnano wurde das aussichtslos, denn der Papst wurde zum allegenwärtigen heimlichen Gegenkönig und die Reichsfürsten fühlten sich jederzeit zur Sedition berechtigt. Der 30jährige Krieg wurde zum faktischen, der Kongress von Rastatt zum juridischen Ende des Reichs.

Dass das lombardische Bürgertum sich zum Vasallen des Papstes gemacht und die Vereinigung Italiens ebesnsolange verhindert hat wie die Deutschlands, fällt kaum weniger ins Gewicht.

Aber die Zukunft Europas machte in Legnano auch einen Sprung. Zum ersten Mal schlug eine städtische Bürgerarmee ein feudales Ritterheer.
JE





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