Ein Brexit-Desaster kürt zwei große Sieger
Vor den Verhandlungen um die Modalitäten des EU-Ausstiegs der Briten
zeigt eine Analyse der UN auf, wem ein ungeordneter Brexit nützen und
wem er schaden würde. Ausgerechnet die großen ökonomischen Konkurrenten
der EU würden sich die Hände reiben.
Größter Verlierer ist, wenig überraschend, mit einem Minus von 34,5 Milliarden Dollar die EU selbst. Aber auch Handelspartner wie die Türkei dürften mit einem Minus von 2,4 Milliarden Dollar einen deutlichen Schlag abbekommen.
Ein chaotischer Ausstieg der Briten ist nach wie vor nicht abgewendet. Heute Abend verhandeln die Staatschefs der EU27 und die britische Premierministerin Theresa May in Brüssel, ob und wie lange das Land noch Zeit bekommt, um den Ausstieg zu verhandeln. Während May eine Verlängerung von einigen Wochen wünscht, um die Wahlen zum EU-Parlament Ende Mai zu vermeiden, dringen die europäischen Verhandlungspartner auf eine lange Frist, um die verfahrene Situation endlich lösen zu können. Kommt es nicht zu einer Einigung, scheidet Großbritannien am Freitag aus der EU aus.
Profitieren dürften jene Staaten, deren Einfuhren heute mit deutlichen Zöllen belegt werden. Die britische Regierung hat bereits angekündigt, dass sie im Falle eines No Deal die meisten Einfuhrzölle auf null setzen will. Gemäß der Meistbegünstigungsklausel der Welthandelsorganisation (WTO) wird diese Schwelle dann für alle Handelspartner gelten. Das Prinzip besagt, dass man die Zollkonditionen, die einem Land geboten werden, auch allen übrigen zugänglich machen muss. Ausgenommen sind Vereinbarungen innerhalb von Handelsabkommen.
„Die beabsichtigte Absenkung der Zölle unter der Meistbegünstigungsklausel würde die relative Wettbewerbsfähigkeit von großen Exportnationen wie China und den USA verbessern und Marktanteile von weniger wettbewerbsfähigen Staaten untergraben“, prognostizierte Coke-Hamilton. Japan dürfte der nächstgrößte Gewinner sein. Aber auch Thailand, Südafrika, Indien, Brasilien, Russland, Vietnam und Neuseeland dürften ihre Ausfuhren steigern können.
Viele kleinere Schwellenländer werden dagegen zu den Verlierern zählen, warnte Coke-Hamilton. Sie profitieren heute im Handel mit Großbritannien von Handelsabkommen mit der Europäischen Union, die voraussichtlich bald wegfallen. Von den gut 70 Handelsabkommen der EU sind bisher erst zwei Dutzend von Großbritannien übertragen worden, dabei auch nicht immer komplett.
Großbritannien selbst würde von einem No Deal am härtesten getroffen, bestätigte der Internationale Währungsfonds (IWF) am Dienstag in einem aktuellen Länderbericht. Selbst wenn es nicht zu Verzögerungen an den Grenzen kommen sollte, würde das Land in eine zwei Jahre dauernde Rezession stürzen. 2021 würde die Wirtschaftsleistung in diesem Fall um 3,5 Prozent hinter dem Szenario zurückbleiben, das der Fonds für einen geordneten Brexit entworfen hat.
Käme es zu deutlichen Problemen bei der Grenzabwicklung, wäre der Einschnitt entsprechend noch schlimmer. Auch die EU-Staaten kommen in dieser Situation nicht ungeschoren davon, doch die Auswirkungen wären erheblich geringer. Sie würden 2021 um 0,5 Prozent unter der Soft-Brexit-Prognose bleiben.
„Wie wir alle wissen, ist die Situation im Fluss“, sagte IWF-Volkswirtin Gita Gopinath. „Wir sehen die negativen Auswirkungen der Unsicherheiten rund um den Brexit schon jetzt auf Investitionen in Großbritannien lasten.“ Sie waren auch der Grund für die Reduzierung der Wachstumsprognose für das Land. Im Falle eines geordneten Ausstiegs rechnet der IWF mit 1,2 Prozent Wachstum im laufenden Jahr und mit 1,4 Prozent 2020. „Wir hoffen, dass es bald zu einem Abkommen kommt“, sagte Gopinath.
UNCTAD-Expertin Coke-Hamilton empfahl Staaten in aller Welt, nicht nur die Zölle, sondern auch andere Handelshemmnisse wie Ursprungszeugnisse, Branchenregulierung und Quoten im Blick zu behalten.
Vor allem sei die Lage aber eine deutliche Warnung, dass „es nicht nur komplex ist, wirtschaftliche Integration rückgängig zu machen, sondern alles in allem eine schlechte Idee“.
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