Donnerstag, 3. Dezember 2020

Die Hellebarde und die Panzerreiter.

Halberd, 1600s. The halberd was a staff weapon favored by European infantries (foot soldiers) of the 1400s and 1500s for its versatility and deadly effect. The word halberd comes from the German words Halm (staff) and Barte (axe). The halberd is, in fact, an axe that served multiple functions: the axe blade was used for hacking, the spike for thrusting, and the beak for piercing plate armor or for pulling a knight from his saddle. The halberd was used by shock troops (those who lead an attack) and by Swiss and German mercenaries. After about 1550, the halberd gradually became less functional. Its large blade provided space for coats of arms and insignia. By the late 1500s, the parade halberd had become a ceremonial weapon for palace guards. Creator Unknown. (Photo by Heritage Arts/Heritage Images via Getty Images) 

aus welt.de, 26. 11. 2020

Mit diesen Waffen brachen Bürger die Herrschaft der Ritter
Am Ende des Mittelalters zog der lange verachtete Fußsoldat am Panzerreiter vorbei. Waffen entstanden, mit denen Ritter vom Pferd geholt werden konnten. Vor allem eine Innovation sorgte für eine Revolution auf dem Schlachtfeld.

Mit seinem Drama „Heinrich V.“ hat Shakespeare dem Triumph des englischen Königs über die „schreckliche Übermacht“ der französischen Ritter bei Azincourt 1415 ein Denkmal gesetzt. Wie auch in anderen Schlachten des Hundertjährigen Krieges verdankten die Engländer den Sieg ihren Langbogenschützen, deren Schussleistungen auch von der Popkultur gern in Szene gesetzt werden.

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Die englischen Schützen wurden zum bekanntesten Beispiel von leicht bewaffneten Fußsoldaten, die am Ende des Mittelalters die jahrhundertelange Dominanz des schwer bewaffneten Panzerreiters auf dem Schlachtfeld beendeten. Dabei wird allerdings übersehen, dass die Durchschlagskraft der Langbogen eine Ausnahme darstellte, die auf die Britischen Inseln beschränkt blieb. Nur dort ermöglichte es die Krone freien Untertanen, sich über mehrere Generationen hinweg durch regelmäßiges Training die Fähigkeit anzueignen, mit einer Fernwaffe in großer Schussfolge erfolgreich gegen Ritter vorzugehen.

Auf dem Kontinent gelang der lange verachteten Infanterie der militärische Aufstieg mit weniger subtilen Waffen, wie der Chemnitzer Mediävist Martin Clauss in seiner neuen „Militärgeschichte des Mittelalters“ (C. H. Beck, 128 S., 9,95 Euro) ausführt. Hier war es die Hellebarde oder Halmbarte, mit der Fußsoldaten adlige Ritter von ihren Pferden holten.

Lances, spears, halberds and partisanes, 1842. Plate from A History of the Development and Customs of Chivalry, by Dr Franz Kottenkamp. Artist Friedrich Martin von Reibisch. (Photo by Historica Graphica Collection/Heritage Images/Getty Images)Die Hellebarde und andere Stangenwaffen konnten ihre Herkunft aus der bäuerlichen Welt nicht verleugnen
Es handelte sich um eine leichte, etwa mannshohe Stangenwaffe, die einen Spieß mit einer Axt und oftmals einem Haken verband, mit dem ein Reiter vom Pferd gezogen werden konnte. „Da die Länge des Schaftes dem Hieb zusätzliche Energie verlieh, konnten mit dem Haken auch schwere Panzerungen durchschlagen werden“, schreibt Clauss. Damit war „die Hellebarde eine offensive Waffe, die den Höhenvorteil der Reiter ausgleichen sollte“. Ähnlich wirksam war auch die Gleve, bei der eine gebogene, geschliffene Klinge das Beil ersetzte.

Als Defensivwaffe entstand der Spieß, der bis zu fünf Meter lang sein konnte. Dieser wurde an der Hüfte oder auf Schulterhöhe gehalten oder auch mit dem Ende im Boden abgestützt, um anstürmende Reiter abzuwehren. Wie auch der Kriegsflegel oder die Kriegssichel entstammten diese Waffen dem Milieu der Bauern und Hirten, wurden aber schnell von den Milizen der Städte übernommen und von den Söldnertruppen, die diese in Dienst nahmen.

Five Foot Soldiers and a Mounted Turk, circa 1495. Artist Albrecht Durer. (Photo by Heritage Art/Heritage Images via Getty Images)Fünf Fußsoldaten der frühen Neuzeit und ein türkischer Reiter, von Albrecht Dürer (um 1495)

Zum Schutz gegen Schläge von oben, also vom Pferderücken aus, dienten Eisenhüte mit Krempe oder der Schaller (von Schale), der sich durch einen Nackenschutz auszeichnete. Statt kostspieliger Panzer führten Fußsoldaten Schilde oder sogenannte Pavesen, mannshohe Setzschilde, die zu mobilen Schildwänden zusammengeführt werden konnten.

Entscheidend aber war eine andere Innovation. Da einzelne Infanteristen keine Chance gegen Schockangriffe gepanzerter Reiter hatten, wurden sie zu geschlossenen Formationen zusammengefasst. Das aber bedeutete, dass die Träger von Hellebarden, Spießen und Fernwaffen ihre Aktionen koordinierten. Sie mussten sich also einer Disziplin unterwerfen, die der ritterlichen Mentalität widersprach.

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Das erfuhren die Ritter Leopolds I. von Österreich leidvoll, als sie 1315 bei Morgarten die eidgenössischen Bauern zur Räson bringen wollten, in einen klug gewählten Hinterhalt gerieten und zu Hunderten niedergemetzelt wurden. Bald sollten die Schweizer Gewalthaufen zu den gefürchtetsten Fußsoldaten Europas aufsteigen, die mit den Burgundern der modernsten Armee des 15. Jahrhunderts den Garaus machten. Disziplin und Taktik wurden seitdem zu den Schlüsselqualifikationen der europäischen Militärgeschichte.

Der Karriere der Infanterie steht auch für einen Wandel politisch-sozialer Strukturen. In der adligen Kriegerkultur der Ritter hatten Fußkämpfer nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Das änderte sich mit dem Aufstieg der Städte, deren Mentalität durch Effizienz und Disziplin geprägt wurde. Bürger übten sich darin, ihre Kommune mit der Waffe zu verteidigen. Und die Städte hatten die wirtschaftliche Potenz, neue Waffen zu entwickeln oder in großen Stückzahlen anzuschaffen und gegebenenfalls Söldnertruppen in Dienst zu nehmen.

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Der Gewinner am Ende war jedoch der fürstliche Landesherr. Nur er verfügte über die Ressourcen, Massenheere und moderne Feuerwaffen für groß angelegte Feldzüge zu mobilisieren. Das mussten 1515 die Schweizer erfahren, als sie gegen Franz I. von Frankreich bei Marignano unweit von Mailand den Nimbus ihrer Unbesiegbarkeit für immer verloren.

 

 

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