aus welt.de, 16. 11. 2021
Auch die größten Theoretiker haben einmal als Praktiker begonnen. Zumindest gilt das für Niklas Luhmann (1927–1998), der – lange bevor er zum Übersoziologen wurde – in nieder-sächsischen Behörden gearbeitet hat. Nach acht Jahren als Ministerialbeamter begann Luh-mann 1962 seine akademische Karriere als Verwaltungswissenschaftler in Speyer. In dieser Zeit entstand eine unvollendet gebliebene Abhandlung, die nun umsichtig ediert worden ist. Es ist eine denkbar grundlegende Verwaltungstheorie, die wirtschaftswissenschaftliche, juri-stische, psychologische und soziologische Fragestellungen miteinander vereint.
Das geht nicht ohne Abstraktionen ab, die durch konkretes Insiderwissen zum Beamtenalltag unterfüttert werden. Luhmann entwickelt auf dem empirischen Feld des Behörden- und Mana-gementwesens jenes begriffliche Instrumentarium, mit dem er später so unterschiedliche Din-ge wie Liebe, Kunst, Pädagogik und Massenmedien analysiert hat. Die Geburt der System-theorie aus dem Geist der Bürokratie. Der Meister selbst zeigt sich von der Tragweite seiner Methode schon damals überzeugt und verkündet selbstbewusst im Vorwort: „Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie.“ Marianna Lieder
Niklas Luhmann: Die Grenzen der Verwaltung. Suhrkamp, 254 Seiten, 28 Euro
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„Ich denke, dass der wirkliche Grund manchen Verhaltens der Wunsch ist, die Umwelt zu schockieren.“ Seit 1968 gebe es optisch, musikalisch, sexuell nichts mehr, „was wirklich gegen den Strom schwimmen kann – ausgenommen rassistisches Verhalten, das für das politische Establishment und das Allgemeinbefinden der Menschen ziemlich unangenehm ist“.
Niklas Luhmann, welt.de 4. 12. 17
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