Sonntag, 24. April 2022

Arbeiterpolitik ohne Klassenkampf und Weltrevolution.

Marine Le Pen

Zu einer politischen Macht war die Arbeiterbewegung im Zeichen von Klassenkampf und Weltrevolution geworden. Erstmals weltweit wahrgemonnen wurde sie im Juli 1848 in Paris. Da war das Kommunistische Manifest erst ein paar Monate alt. Zum Schrecken der herr-schenden Klassen wurde sie 1871 durch die Commune von Paris: Darauf läuft's hinaus!

Ohne die Commune hätte Bismarck nicht, als er die sozialdemokratische Parteiorganisation verbot, zugleich die ersten Sozialgesetze zum Schutz der Arbeiterschaft erlassen. Was war die wahrere Arbeiterbewegung: die kompromisslosen Aktivisten der Weltrevolution oder dieje-nigen, die in ihrem Schatten und wohl gar hinter ihrem Rücken den Spatzen in der Hand nicht verschmähten und nicht den Tauben auf den Dächern nachjagten.

Die Oktoberrevolution war die Stunde der Wahrheit. Die Weltrevolution war möglich, denn in Russland hatte sie begonnen. Sie ist in einer der beiden größten Katastrophen untergegangen, die die Geschichte kennt, dem Stalinschen Totalitarismus. Nicht der Übermacht ihrer Feinde ist sie erlegen, sondern der Bedrohung von innen, die beizeiten zu erkennen sie sich stets ge-weigert hat: der Ausbildung einer Arbeiterbürokratie. Nicht dass es an Warnungen gefehlt hätte. Rosa Luxemburg hatte sie als den bleiernen Schuh der Arbeiterbewegung erkannt, als Lenin noch über eine "Arbeiteraristokratie" theorisierte, die von den Herrschenden mit den Brosamen ihrer Kolonialkredite herangefüttert würde. 

Der Erste Weltkrieg und die Kapitulation der deutschen Sozialdemokratie hatten die tödliche Gefahr bloßgelegt, die von der Bürokratisierung der Arbeiterorganisationen ausging, die ja die organische Folge alle jener kleinen Fortschritte war, die sie der Bourgeoisie abzutrotzen ver-mochten. Und im revolutionären Russland war es Lenin selbst, der ein Jahr vor seinem Tod die junge Sowjetrepublik prophetisch als einen "bürokratisch deformierten" Arbeiterstaat kritisier-te.

Die Formen der Machtausübung sind nicht gleichgültig gegen ihr Wozu. Der Kampf Leo Trotzkis und der Linken Opposition gegen den Stalinschen Thermidor fand daher an zwei Fronten statt: Der Kampf um die demokratischen Freiheiten im Innern war die symmetrische Entsprechung einer revolutionären Politik nach außen. Ein friedfertiger auf des "Sozialismus in einem Land" war der Traum derer, die unter großen Opfern den Bürgerkrieg durchgestan-den hatten und nun die Ernte - sie war ärmlich genug - nicht durch Experimente gefährden wollten. Die permanente Revolution war das Programm derer, die verstanden, dass ein Aus-scheiden Russlands auf der globalen Arbeitsteilung nur auf eine Verallgemeinerung der Not und die Restauration der, wie Marx sagte, "ganzen alten Scheiße" hinauslaufen konnte. Nur die Ausweitung der Revolution auf die Länder des Westens hätten die totalitäre bürokratische Konterrevolution in Russland unterlaufen und die innere Freiheit wiederherstellen können.

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Das stehen wir nun. Man möchte sagen: Der reformistisch-bürokratische Weg der Sozialde-mokratien hat sich als die Wahrheit der Arbeiterbewegung gehauptet. Der revolutionäre Weg ist unter Millionen blutige Opfer auf ganze Linie gescheitert. Indessen waren die Millionen Opfer der langen Serie kampfloser Kapitulationen der reformistischen Bürokratien vor jedem Angriff der Bourgoisien auf ihre stattlichen Organisationen und erchlichenen öffentlichen Pöstchen.

Mit dem Ende des Sowjetstaats 1990 ist das Kapitel der Weltrevolution amtlich abgeschlossen. Ipso facto ist die historische Unterscheidung des politischen Feldes in eine Linke und eine Rechte hinfällig geworden.

Sie merken, warum ich Ihnen dies grad heute schreibe: Marine Le Pen könnte im Lauf dieses Tages zur ersten Präsidentin der Französischen Republik gewählt werden, indem sie die ehe-maligen Wähler der Kommunistischen Partei, die nicht nur die Kohle- und Stahldepartements im Norden, sondern ebenso die ganze Pariser Region mit Ausnahme der Haupstadt selbst  be-herrscht hatte, von dem postlinken Demagogen Mélenchon übernimmt. 

Die Sozialdemokratie hat längst ihre Schuldigkeit getan und kann gehen. Das ist kein Skandal, das ist die neue Normalität. Standespolitik für die Arbeiterschaft ist heute nach innen korpora-tistisch und sozial konservativ, nach außen national und isolationistisch, und geistig spießig und provinziell. Eine wie immer definierte Linke könnte sie heute nicht einmal mehr als Zierat gebrauchen, Frau Wagenknecht wird das auch noch merken.

 



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