Freitag, 29. April 2022

Der Ackerbau brachte zunächst Nachteile.

t-online
aus nationalgeographic.de, 22. 4. 2022

Kleine Bauern
Vor 12.000 Jahren schrumpften die Menschen
Zu Beginn der Jungsteinzeit veränderte sich die Lebens- und Ernährungsweise der Menschen: Vom Jagen und Sammeln hin zum Ackerbau. Laut einer neuen Studie hatte das negative Folgen für ihre Größe – und für ihre Gesundheit.
 

Die landwirtschaftliche Revolution zu Beginn der Jungsteinzeit läutete für die Menschen viele Veränderungen ein: eine sesshafte Lebensweise, feste Viehbestände und eine größere Bevölkerungsdichte. Doch welche Auswirkungen hatten diese Entwicklungen auf die Gesundheit der Menschen? Eine neue Studie unter der Leitung der Anthropologin Stephanie Marciniak von der Pennsylvania State University hat diese Frage nun mithilfe von Überresten von 167 prähistorischen europäischen Individuen untersucht. 

Dabei fanden die Forschenden heraus, dass mit dem Ackerbau ein Rückgang der Größe einherging – und somit wohl auch ein Rückgang des physiologischen Wohlbefindens der Menschen. „Wir wollten die gesundheitlichen Auswirkungen der veränderten Lebensumstände anhand der Körpergröße untersuchen", so Marciniak. Das Ergebnis der Studie, die die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in dem Fachmagazin PNAS veröffentlichten, war eindeutig: Die Menschen, die während der Jungsteinzeit lebten, waren im Schnitt 3,81 cm kleiner als ihre Vorfahren.

4 Zentimeter Größenunterschied

Die Revolution des Ackerbaus startete vor etwa 12.000 Jahren im Fruchtbaren Halbmond – der Region um das heutige Syrien, Irak, Libanon, Israel, Palästina und Jordanien – und breitete sich von dort schrittweise auch in Europa aus. Schnell hatte der Ackerbau Auswirkungen auf die Art und Weise, in der Menschen zusammenlebten. Es entstanden größere Gemeinschaften und die Ernährungsgewohnheiten änderten sich.

Um einen möglichst genauen Überblick über die Größe der Menschen während, vor und nach dieser Zeit zu bekommen, untersuchten die Forschenden sowohl genomweite alte DNA-Daten als auch intakte Langknochen von 167 Individuen, die vor 38.000 bis 2.400 Jahren lebten – von Menschen aus der Zeit vor der Landwirtschaft über die ersten Bauern bis hin zu späteren Landwirten.

Der Größenunterschied zwischen den ersten Bauern der Jungsteinzeit – dem Neolithikum – und ihren Vorgängern aus der Mittel- und Altsteinzeit erwies sich mit 4 Zentimetern als der wohl deutlichste. Allerdings interessierte die Forschenden zusätzlich, wie sich die Größe der Menschen in den darauffolgenden Jahrtausenden wieder einpendelte. Durch die Analyse jener jüngerer Überreste stellte sich heraus: Die Menschen der Kupfer- und Bronzezeit wurden stetig wieder größer, bis sie schließlich in der Eisenzeit wieder eine ähnliche Größe wie vor der Jungsteinzeit erreichten.

Lebenswandel in der Jungsteinzeit

Warum die Größe der Menschen während des Neolithikums – und damit wohl auch ihre Gesundheit – so beeinträchtigt wurde, könnte viele Gründe haben, beispielsweise Mangelernährung und Stoffwechselprobleme. „Ungünstige Bedingungen in der frühen Kindheit können sich negativ auf die Statur des Erwachsenen auswirken“, sagt Marciniak. Und gerade diese Bedingungen könnte der Ackerbau zunächst gefördert haben. „Eine Kombination aus geringerer Ernährungsvielfalt, unvorhersehbarer Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln – zum Beispiel durch Ernteausfälle und Lagerverluste – und erhöhter Belastung durch Infektionskrankheiten könnte sich negativ auf die Gesundheit und das Wachstum von Kindern ausgewirkt haben“, heißt es in der Studie.

Um die Gründe hinter den geschrumpften europäischen Bauern genauer zu untersuchen, müssen aber noch größere Datensätze analysiert werden. „Unsere Arbeit ist eine Momentaufnahme von etwas, das sehr dynamisch und sehr nuanciert ist. Um herauszufinden, was die Ursache für die Abnahme der erreichten Größe im Vergleich zur vorhergesagten genetischen Größe ist, müssen wir noch weiter forschen“, so Marciniak.

 

Nota. - Es ist noch immer ein Rätsel, wehalb ursprünglich nomadisch lebende Populationen, die nebenher saisonalen Ackerbau betrieben, das Jagen und Sammeln gänzlich aufgaben und sich jahraus, jahrein auf sesshafte Landwirtschaft beschränkten. Im nördlichen Mitteleuropa ist mit dem Ende der letzten Eiszeit der Bestand an jagdbarem Großwild drastisch zurückggegangen, und hier war der Übergang zu einer kärglichen Getreidediät ein Notbehelf; besser schlecht ernährt als gar nicht. 

Mitgebracht hatten sie Zuwanderer aus dem Balkan, die den Ackerbau aus der Levante übernommen hatten. Dort war er beiläufig von Wildbeutern entwickelt worden, und es wird ernsthaft spekuliert, dass es ihnen weniger ums Essen als ums Trinken gegangen sei: um das Brauen von Bier für rituelle Festgelage

Auch dort könnten es Erwärmung und Trockenheit gewesen sein, die eine Trennung der Menschen in nomadisierende Hirtenstämme und dauerhaft ansässige Bauern bewirkt haben. Doch das sind Spekulationen, für die es archäologische Indizien gibt, aber keine Beweise. Allerdings lassen sie die "neolithische Revolution" so erscheinen, wie die Bibel sie beschreibt: als Jehovas Fluch auf die Erbsünde.
JE

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