aus Telepolis, 12. 2. 2019
von Florian Rötzer
... Geografen des University College London und der University of Leeds
sind nun einer interessanten Verbin- dung nachgegangen und versuchen zu
zeigen, dass das Massensterben der amerikanischen Bevölkerung ein
Auslöser der Kleinen Eiszeit gewesen sein könnte, die vom 16.
Jahrhundert und bis Mitte des 19. Jahrhunderts anhielt. Das wäre auch
ein Beleg dafür, dass die Menschen schon vor dem Anthropozän das Klima
beeinflusst haben. Allerdings gibt es Hinweise, dass die Kleine Eiszeit
früher begonnen hat, vielleicht bereits im 13. Jahr- hundert. Allerdings
nahm die Kälte im 16. und 17. Jahrhundert zu.
Neu ist die These nicht. Der Klimatologe William Ruddiman hatte bereits in einer Studie
aus dem Jahr 2003, die in der Zeitschrift Climatic Change erschienen
ist, darauf hingewiesen, dass die Pest, die zu einem teils starken
Bevölkerungsrückgang in Europa, Ostasien und im Nahen Osten geführt hat,
einen Kühlungseffekt verursacht haben könnte. Weil die Bevölkerung
ausstarb, wurden Ländereien weniger bewirtschaftet, was zu einer
Rück- kehr des Waldes führte. Dieser entzog der Atmosphäre mehr CO2, was
zur Kühlung und damit zu einer Abküh- lung des Klimas geführt haben
könnte.
Dabei wies er auch daraufhin, dass die vorübergehende Entvölkerung
von Süd- und Nordamerika ebenfalls eine Ausbreitung der Wälder und damit
sinkende CO2-Emissionen verursacht haben könnte, die zumindest mit zur
Kleinen Eiszeit beigetragen haben könnte. Für Ruddiman setzt die Eiszeit
1300 ein und reicht bis 1900. Für ihn setzt die anthropogene
Beeinflussung des Klimas bereits vor 8000 Jahren mit der Ausbreitung der
Landwirt- schaft, und der Rodung der Wälder und vor 5000 Jahren mit der
Reisbewässerung an.
Das "Große Sterben" und die Ausbreitung der Wälder
In der neuen Studie
gehen die Wissenschaftler nach Bewertung zahlreicher Studien von einer
präkolumbia- nischen Bevölkerung in Nord- und Südamerika von etwa 60
Millionen Indianern aus (44-78 Millionen). Pro Kopf seien 1.04 Hektar
Land gebraucht worden, insgesamt wurden damit 62 Millionen Hektar v.a.
landwirt- schaftlich genutzt, in Teilen Mittel- und Südamerikas intensiv.
Die landwirtschaftliche Nutzung war weitver- breitet, auch in Amazonien.
Mit der Eroberung starben im Laufe von 100 Jahren 90 Prozent der
einheimischen Bevölkerung aus (Great Dying).
Das habe zur Wiederbewaldung von mehr als 55 Millionen Hektar an
verlassenem Land geführt, nur noch 6 Millionen Hektar wurden
landwirtschaftlich genutzt. Das soll dazu geführt haben, dass die
CO2-Konzentration dadurch um 3,5 ppm, zusammen mit Entwicklungen im Rest
der Welt um insgesamt 5 ppm zurückgegangen ist und nach 1600 eine
Abkühlung stattgefunden hat. Messungen aus Bohrkernen aus antarktischem
Eis haben ergeben, dass ab 1500 die CO2-Konzentration zurückgegangen
ist, am stärksten um 1600 herum. Zuvor war im 15. Jahrhundert die
CO2-Aufnahme stark zurückgegangen, während logischerweise die
CO2-Emissionen ange- stiegen sind. Zum Vergleich: In den letzten Jahren
nahm die CO2-Konzentration jährlich um mehr als 2 ppm zu.
Nach den Wissenschaftlern lassen sich Klimaschwankungen, vulkanische
Aktivitäten und Änderungen der Sonneneinstrahlung ausschließen. Die
Menschen in der präkolumbianischen Zeit haben bereits Brandrodungen
durchgeführt. Deren Rückgang könnte mit der Entvölkerung zu tun haben,
mit der sich feuchtere Wälder aus- breiten konnten, die auch weniger
brandanfällig sind. Wenn große Landflächen wieder mit Wald bedeckt
wer- den, ist es auffällig, dass die CO2-Aufnahme zunächst in den ersten
20 Jahren schnell ansteigt, um sich dann zu verlangsamen. Nach der
Global Charcoal Database lässt sich im 16. Jahrhundert ein Rückgang der
Verbrennung von Biomasse erkennen, vor allem in Mittel- und
Lateinamerika, das zumindest teilweise auf den Bevölkerungs- rückgang
zurückzuführen ist. Insgesamt schätzen die Wissenschaftler, dass 35-50
Prozent der gestiegenen CO2-Aufnahme seit Beginn des 16. Jahrhunderts
bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts mit dem "Großen Sterben" der
indianischen Bevölkerung zusammenhängen.
Belegen wollen die Wissenschaftler mit ihrer Studie vor allem wie
bereits Ruddiman, dass die Entvölkerung von Süd- und Nordamerika den
beobachteten Rückgang der atmosphärischen CO2-Konzentration mit
verursacht hat. Für sie beginnt daher das Anthropozän nicht erst im
Industriezeitalter, sondern schon 200 Jahre früher, wenn auch nicht als
anthropogene Klimaerwärmung, sondern als globale Klimaabkühlung der
Kleinen Eiszeit.
Nota. - Ja ja, da ist was dran an dem menschengemachten Klimawandel. Aber zu ideologischer Stimmungs- mache eignet er sich nicht; genauer gesagt: viel zu gut, weil Wissenschaft 'von Natur' nicht populär ist.
Die Menschen sind im Begriff, den amazonische Regenwald trockenzulegen. Doch dass es ihn überhaupt gibt, ist seinerseits 'menschengemacht' - gelegentlich einer vorhergehenden selbstgemachten Klimakatastrophe.
Auf Vieles muss die Wissenschaft erst durch politische Agitation aufmerksam gemacht werden, das ist leider wahr. Doch was wissenschftlich zu klären ist, ist - wissenschaftlich zu klären und keine Sache der Gesinnung. Mannesmut vor Fürstenthronen frommt auch dem Gelehrten, und wenn der Fürst selbst Volkes Stimme wäre.
À Propos: Wie stark hätte sich die Erdatmosphäre aufgeheizt, wenn die Menschen damals keine kleine Eiszeit verursacht hätten? Wären die Gletscher inzwischen längst abgeschmolzen?
JE
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen