Donnerstag, 5. Dezember 2019

Dem alten Rom war das Bauholz ausgegangen.


aus nzz.ch, 4.12.2019

Das antike Rom importierte Bauholz zum Teil aus Gallien. Immer noch streiten Archäologen darüber, ob das nötig war.
Einfaches Bauholz 1700 Kilometer nach Rom zu transportieren, deutet nicht nur auf ein hochorganisiertes Handelssystem hin, sondern auch auf einen Mangel an geeignetem Holz in der Umgebung der Stadt.

von Esther Widmann

«Holz aus heimischen Wäldern» – was dieser Werbespruch zur Zeit der Römer bedeutet haben könnte, zeigt eine kürzlich in der Fachzeitschrift «Plos One» veröffentlichte Studie: In Rom haben Archäologen Eichenbalken ausgegraben, die im ersten Jahrhundert nach Christus im Fundament eines Gebäudes verbaut worden waren. Die 24 gut erhaltenen Eichenbalken im Unterbau einer reich verzierten Portikus, einer überdachten Säulenhalle, kamen beim Bau der Metro ans Licht. Das Gebäude gehörte zu einem riesigen und reichen Anwesen. Erhalten ist das Holz, weil es offenbar über Jahrhunderte unter Sauerstoffausschluss mit Wasser vollgesogen war.Einige der Holzplanken in der Portikus, in der sie gefunden wurden.

Die bis zu 3,6 Meter langen Balken weisen Axtspuren, aber sonst keine Zeichen von Bearbeitung auf. Die Archäologen schliessen daraus, dass das Holz wohl eigens für diesen Bau zugerichtet worden war. Die Baumart liess sich nicht genau bestimmen, es könnte sich um eine Weisseichen-Art (zu dieser Sektion gehört etwa die Deutsche Eiche) oder Zerreichen-Art (dazu gehört zum Beispiel die Korkeiche) handeln. Gefällt wurden sie laut der Datierung der Jahresringe zwischen 40 und 60 nach Christus.

Weil Wetter und Klima regional unterschiedlich sind, wachsen Bäume aber nicht überall gleich stark. Für die Datierung braucht man deshalb regionale Reihen; es bringt nichts, ein Stück Holz aus der Schweiz mit den Jahresringen in Griechenland zu vergleichen. Die Jahresringe verraten deshalb ausser dem Jahr, in dem der Baum gefällt wurde, auch, wo die Bäume wuchsen. Die Autoren verglichen das römische Holz mit Jahresring-Chronologien aus Ostfrankreich. Ihr Ergebnis: Die grösste Korrelation besteht mit Holz aus Moissey im Département Jura, etwa 60 Kilometer nordöstlich von Chalon-sur-Saône, dem römischen Cabillonum.

Sie schliessen daraus, dass die Eichen aus dieser Gegend kommen, die zudem nahe an den wichtigen und weitgehend schiffbaren Handelsrouten Galliens liegt. Das bereits zugerichtete Holz sei wahrscheinlich über die Flüsse Saône und Rhone über Lyon (Lugdunum) und dann über das Mittelmeer nach Rom transportiert worden. Der Transport auf dem Wasser ist plausibel; er war immer die günstigere Alternative zum Landweg, und Funde etwa aus Mainz und Strassburg zeigen, dass in römischer Zeit Holz zu Flössen verbunden wurde.

Robyn Veal, die an der Universität Cambridge die römische Holzwirtschaft erforscht, zweifelt jedoch an den Ergebnissen: «Die Korrelation ist gut, und es ist ein interessanter Vorschlag, dass das Holz aus Gallien kommt. Aber es könnte auch aus Norditalien stammen. Da braucht es noch viel mehr Forschung», sagt sie. Ulf Büntgen, an der Studie beteiligter Professor für Umweltsystemanalyse in Cambridge, widerspricht: «Der Referenzpunkt aus dem Jura ist der mit der höchsten Wahrscheinlichkeit. Natürlich gibt es eine statistische Unsicherheit, und das Holz könnte auch aus Baselland kommen. Aber es ist ausgeschlossen, dass es von südlich der Alpen stammt.»

Dass Holz über 1700 Kilometer nach Rom gebracht wurde, begründen Büntgen und seine Kollegen damit, dass der Wald in der Umgebung der Stadt und grossen Teilen des Apennins zu jener Zeit bereits abgeholzt gewesen sei. Mit der Ausbreitung des Reiches habe sich diese Ausbeutung in immer neue Gebiete ausgedehnt. Diese Aussage rührt an eine seit Jahrzehnten andauernde Diskussion unter Archäologen: Welchen Anteil hatte die klassische Antike, also Griechen und Römer, an dem heutigen teilweise sehr baumarmen Erscheinungsbild des Mittelmeerraums?

Die eine Fraktion geht davon aus, dass einst überall Wald war, dieser für Bau- und Feuerholz gerodet wurde und in der Folge der Boden erodierte und keine neuen Bäume nachwachsen konnten. Die andere verweist darauf, dass pauschale Aussagen nicht möglich seien; jede Region müsse für sich geologisch untersucht werden. Feuerholz könne durch Niederwaldwirtschaft und Schneiteln, also regelmässiges Beschneiden der Triebe von Laubbäumen, auch nachhaltig gewonnen werden – und Bäume wüchsen nach.

Robyn Veal, die Holzkohle aus Fundstellen in Rom untersucht, gehört zu letzterer: «Holz gab es in Italien reichlich. Die lokalen Ressourcen auch an Eichen waren nicht aufgebraucht, das zeigen Holzkohlefunde und Pollenanalysen. Die Wälder waren in der Regel wirtschaftlich gut verwaltet, wie die meisten Dinge bei den Römern.»

Allerdings lassen Reste von Eichen in Holzkohle- oder Pollenproben keine Schlüsse darüber zu, ob es sich um grosse Bäume oder etwa durch Tierverbiss niedrig gehaltene Büsche handelte. Büntgen argumentiert: «Wenn es in der Umgebung Holz in der gleichen Qualität gegeben hätte, hätte man das nicht von so weit her herangeschafft. Transport ist aufwendig und teuer. Das macht man nicht, wenn man nicht muss.»


Nota. - Zu erinnern ist, dass die vieltausendjährige Induskultur an der Rodung der Galeriewälder entlang dem Strom untergegangen ist, weil der Nachschub an Bauholz ausblieb.
JE

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