Montag, 20. April 2020

Die Zukunft der Arbeit - eine Idylle?

Puvis de Chavannes, Arbeit
aus brandeins

Das Ende der Maloche
Werden Roboter und künstliche Intelligenz Jobs vernichten? Zunächst ja, doch in 30 Jahren könnten sie die Arbeit und das Leben sehr angenehm machen, sagt das Zukunftsbild „Arbeit 2050“.
 

Im Best-Case-Szenario ist ein geschichtlich einmaliger Wandel fast abgeschlossen: Maschinen haben die Arbeit der Menschen ersetzt. „Die Menschheit ist davon befreit, einer Arbeit zum Broterwerb und aus Gründen der Selbstachtung nachgehen zu müssen“, schreiben die Autoren. So wie die industrielle Revolution Muskeln ersetzt hat, soll künstliche Intelligenz geistige Tätigkeiten ersetzen.

Doch was offenbart ein genauerer Blick in das hoffnungsvolle Szenario des Jahres 2050? Welche Entscheidun-gen waren nötig? Und wie finanziert sich die Utopie vom Hightech-Schlaraffenland?

Die Mehrheit wird selbstständig sein

Arbeitslosigkeit bleibt nach diesem Zukunftsbild bis in die Dreißigerjahre dieses Jahrhunderts in vielen Ländern eine Geißel, ist aber 2050 zumindest statistisch so gut wie nicht mehr existent. Die digitalen Technologien, so die Autoren der Studie, haben „mehr neue Arten von Arbeit geschaffen als alte vernichtet“. Von den weltweit sechs Milliarden Menschen im erwerbsfähigen Alter ist nur noch eine Milliarde fest angestellt (heute rund drei Milliarden), eine Milliarde schlägt sich in der Schattenwirtschaft durch, und eine Milliarde befindet sich „im Übergang zur Selbstständigkeit“. Die restlichen drei Milliarden Menschen sind selbstständig. „Der Begriff der Arbeitslosigkeit hat für die neue Generation der Globals keine Bedeutung mehr“, heißt es in der Studie.

Mit körperlicher Arbeit muss sich dank Automatisierung und Denkmaschinen kaum noch jemand quälen, der Wandel von der auf Erwerbsarbeit fixierten Wirtschaft zur sogenannten Selbstaktualisierungs-Ökonomie ist im Jahr 2050 abgeschlossen. Die Menschen arbeiten nicht, weil sie müssen, sondern weil sie wollen. Beispielswei-se als Berater und Freiwillige in großen Agrikultur-Farmen, die Shrimps oder Biomasse für künstliches Fleisch heranzüchten und gleichzeitig CO2 absorbieren.

Doch der Weg dorthin war steil und steinig. Roboter und Algorithmen haben nicht nur repetitive Jobs an Fließ-band oder Kasse überflüssig gemacht; auch Wissensarbeiter sind zu Millionen von Maschinen verdrängt worden. Es sind nicht mehr die Menschen, die auf der Welt am intelligentesten sind. Dadurch stieg im Krisenjahrzehnt der 2030er-Jahre die Arbeitslosigkeit global auf Rekordhöhe.

Was tun mit dem Heer der Automatisierungs-Verlierer? Viele Regierungen – zuerst in reichen Staaten wie Norwegen oder Golfstaaten wie Bahrain, Katar oder den Vereinigten Arabischen Emiraten – griffen in dieser Situation zurück auf Erkenntnisse aus erfolgreichen Pilotversuchen mit einem bedingungslosen Grundeinkom-men zu Beginn des Jahrhunderts vor allem in Afrika und Asien. Es verführte, anders als von vielen befürchtet, die meisten Bezieher nicht zu Trägheit. Im Gegenteil: Laut der Zukunfts-Studie machten sie klugen Gebrauch von der staatlichen Daseinsprämie, nutzten das Geld für eine bessere Bildung, bauten sich eine kleine Firma auf. „Die Leute verwendeten das Einkommen, um mehr Geld zu verdienen, sie waren gesünder, es gab weniger Kriminalität, Bildungsniveau und Selbst- ständigkeit stiegen.“

Der Mensch wird mit weniger Geld auskommen

Je höher die Arbeitslosigkeit stieg, desto lauter wurde der Ruf nach einem Grundeinkommen. Ein bedingungs- loses Weltbürgergeld könnte einen Aufruhr der Modernisierungsverlierer im Keim ersticken. Wer genug zu essen hat, stürmt keine Roboterfabrik. „Die finanziellen Risiken eines Grundeinkommens dürften geringer sein als das soziale Risiko von Millionen Habenichtsen, die herumlungern und durch die Straßen streunen“, so das Szenario.

Doch woher das Geld nehmen für ein Grundeinkommen? Ausgerechnet der Siegeszug der Maschinen ebnete dem Szenario zufolge seiner Einführung den Weg: Ab Mitte der 2030er-Jahre beginnen die Lebenshaltungs-kosten dramatisch zu sinken. Da die Politik keinerlei Schranken für die Einführung neuer Techniken errichtet hat, erobern sie schnell nicht nur die Fabrikhallen, sondern krempeln auch weite Teile der Infrastruktur um – den Nahverkehr, den Bau, die Abfallentsorgung, die Verwaltung, das Gesundheitssystem, Schulen und Hochschulen, Wasser- und Energieversorgung. In den Städten verkehren kostenlose Robo-Busse und -bahnen sowie Lufttaxis; Wohn-, Büro- und Fabrikgebäude kommen aus dem 3D-Drucker. Roboter bringen Lebensmittel von der Farm direkt in den Haushalt – bei geringen Kosten. Ein globales KI-basiertes Bildungssystem ermöglicht Gratis-Bildung vom Kindergarten bis zur Doktorarbeit, der Einsatz von Robotik verwirklicht die Vision von der kostenlosen Gesundheitsversorgung für alle. Der Mensch kommt also mit viel weniger Geld aus.

Parallel dazu erschließen die Regierungen neue Steuerquellen für das bedingungslose Grundeinkommen. Schlupflöcher werden geschlossen, CO2-Steuern und andere Umweltabgaben drastisch erhöht, eine weltweite Finanztransaktionssteuer eingeführt, die Profite der Internet-Monopolisten kräftig geschröpft. Alles KI-gestützt, damit keiner davonkommt. Allein 18 Billionen Dollar, die weltweit in Steuerschlupflöchern versteckt werden, können so zutage gefördert werden. Nach und nach werden auch Roboter und der Einsatz künstlicher Intelligenz besteuert – eine fast unerschöpfliche Quelle des Wohlstands.


Nota. -  Gegen Modellrechnungen unkritisch zu sein, können wir uns spätestens seit Corona gar nicht leisten. Die obige Darstellung hat aber doch den Vorzug, dass sie dem "Das geht nicht!" pointiert entgegentritt; theo-retisch ist es möglich.

Es ist ein Best-Case-Szenario. Zum besten Fall gehört energischer Willen bei den Entscheidern und Loyalität bei den Ausführenden (und der Wegfall äußerer Störungen). Um damit rechnen zu können, ist es freilich nicht emp-fehlenswert, den Blick auf "die nächsten zehn Jahre" zu richten. Denn das ist die Zeit, in der sich obige günstig-ste Bedingungen einstellen werden oder nicht.

Das ist aber das einzige wirkliche Problem. Dass unter den sich abzeichnenden Zukunftsbedingungen ein Garan-tiertes Grundeinkommen nicht nur möglich, sondern auch nötig scheint, sage ich seit langem. Doch dass es unter den vofindlichen Gegenwartsbedingungen möglich sein wird, den Übergang zu bewerkstelligen, bezweifle ich immer mehr. Es würde sich um eine wahre Revolution der bürgerlichen Lebensweise handeln, aber auf revolu-tionärem Weg wird sie gerade nicht machbar sein. Die Revolution ist eine Freisetzung ungeahnter Energien, an-ders kann sie nicht siegen, und ist das Risiko schlechthin: Vor keiner Überraschung ist sie sicher.

Die Einführung des Garantierten Grundeinkommens müsste dagegen minutiös geplant und mit penibler Diszi-plin umgesetzt werden. Wenn da die Massen in Bewegung kommen, ist alles im Eimer. Vorstellbar ist es nur unter den Bedingungen einer totalitären Technokratie und einer wachsamen Polizei. Dass die aber freiwillig das Feld räumen, sobald ihre Mission erfüllt ist, wer mag das glauben?

Auch an dem Punkt wird uns die gegenwärtige Pandemie noch zu größter Skepsis veranlassen.
JE


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