aus wiwo.de, 27. 7. 2021 Frank Abagnale (hier gespielt von Leonardo DiCaprio)
von
Tristan Heming
Wie begehrenswert charmante Flunkerer sein können, ist der Welt spätestens seit Frank Abagnale bekannt. Der Möchtegern-Pilot flog jahrelang in falschen Uniformen um die Welt, ergaunerte Millionen mit gefälschten Schecks und lebt dabei in Saus und Braus unter den Reichen und Schönen. Bevor er aufflog und hinter Gitter musste. Selbst im Abagnale-Film „Catch me if you can“ aber, in dem den Zuschauern von vorneherein bekannt ist, wer gut und wer böse ist, dauert es lange, bis sich die Sympathien der meisten Zuschauer endlich von Abagnale (Leonardo di Caprio) zum ihn verfolgenden FBI-Agenten (Tom Hanks) verschieben.
Was sich aus dieser Geschichte bis heute für den beruflichen Erfolg lernen lässt, zeigt nun eine Studie kanadischer Forschender: Wer glaubhaften, befriedigenden „Bullshit“ erzählen kann, ist schlauer und wirkt auch klüger auf andere. Die Psychologinnen und Psychologen aus Ontario untersuchten über 1000 Studierende auf ihre Neigung zum Unfug-Erzählen, ihre Fähigkeit, überzeugenden Unsinn zu produzieren, wie klug sie dadurch auf andere wirkten, ihre tatsäch-liche Intelligenz und ihre Anfälligkeit für pseudoklugen Blödsinn anderer.
Evolutionär sinnvoll
Wer „Bullshit“ erzählt, will damit andere Menschen überzeugen oder beeindrucken, der Wahrheitsgehalt spielt keine Rolle. Die Forschenden gehen davon aus, dass die „Bullshit-Fähigkeit“ evolutionär betrachtet ein durchaus sinnvolles Signal ist: Demnach beurteilen Menschen sich gegenseitig nach der Überzeugungskraft der Geschichten, die diese über sich selbst erzählen. Ob die Erzählungen stimmen oder nicht, ist in diesem Sinne zweitrangig, da es echte Intelligenz erfordert, sich überzeugende Legenden auszudenken. Das spart sogar Ener-gie im Vergleich dazu, sich eine Fähigkeit erst kompliziert anzueignen, um sie danach anzu-wenden und davon erzählen zu können.
Gerade in Berufen, in denen der eigene Erfolg wesentlich von der Meinung anderer abhängt, kann das für den Erfolg entscheidend sein. Die Studie nennt Kunst, Werbung, Politik, Coaching und Journalismus als Bereiche, in denen bei gleichen Fähigkeiten der bessere Bullshit-Produzent die Nase vorn hat.
Die Ergebnisse zeigen aber auch: Wer gut überzeugenden Unfug reden
kann, tut das nicht zwingend auch häufiger. Das liege wohl an der
höheren sozialen Intelligenz kluger Menschen, mutmaßen die Forscher: Sie
wissen, wann es aussichtslos ist, Unfug zu erzählen, weil ihre Zu-hörer
den Braten riechen würden. Dann bleiben sie lieber bei der Wahrheit. Wer
hingegen die Neigung hat, häufig Unsinn zu erzählen, ist im Allgemeinen
eher weniger intelligent – und deshalb weniger erfolgreich in der
Anwendung.
Betrüger wie Frank Abagnale oder Thomas Manns
Hochstapler Felix Krull sind deshalb eine sehr seltene Mischung:
Begeisterte Bullshit-Produzenten, die diese Tätigkeit auch noch
meisterlich beherrschen. Dass beide am Ende scheitern, sollte auch
moderateren Anwendern dieser Kunstform eine Lehre sein. Auch gute
Bullshit-Produzenten sollten ihre Fähigkeit also nicht einfach voll
ausschöpfen und davon ausgehen, dass es schon gut gehen wird.
Stattdessen empfiehlt sich eine gesunde Portion Humor. Wer seine kreativen Realitätsausge-staltungen nämlich erst meisterlich aufbaut und dann mit Humor zum Einsturz bringt, stellt seine Intelligenz gleich doppelt zur Schau. Ohne Risiko aber ist auch dieser Weg nicht: Fühlen sich die Kollegen durch die Auflösung einer solchen Fiktion herabgesetzt, wird es schnell feindselig. Das Erzählen von überzeugendem Unfug zur Darstellung der eigenen Intelligenz und die Auflösung durch Humor sollten im Idealfall allen Beteiligten Freude bringen.
Nota. - Mit andern Worten: Das ist eine Kunst. Aber die muss man beherrschen. Was ein Wi-derspruch in sich ist; denn was ein wirklicher Künstler ist, ist es intuitiv. Reflexion kann nur stören; doch auf die Proportionen kommt es an.
JE
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