aus welt.de, 26. 7. 2021 Heinrich VI. (1165–1197), Manessische Handschrift
Doch ein Vorfall am 26. Juli 1184 sollte Heinrich daran erinnern, dass das Schicksal auch unangenehme Überraschungen bereithalten kann. Sein Vater bezog ihn zunehmend in die Regierungsgeschäfte ein und betraute ihn mit durchaus anspruchsvollen Aufgaben. So sollte Heinrich an der Spitze eines Heeres den polnischen Großfürsten Mieszko III. gegen seinen Bruder Kasimir II. unterstützen.
Auf dem Weg dorthin bot sich in Erfurt die Chance, den Streit zwischen dem Landgrafen Ludwig III. von Thüringen mit dem Mainzer Erzbischof Konrad I. zu schlichten und damit diplomatisches Fingerspitzengefühl zu beweisen. Denn der Landgraf war ein enger Verbündeter der Staufer, der Erzbischof Erzkanzler des Reiches. Entsprechend groß war der Andrang hochgestellter Persönlichkeiten zu dem Treffen, das entweder auf der Burg des Kirchenfürsten (der Stadtherr von Erfurt war) oder in seiner Dompropstei anberaumt war.
Es war auf jeden Fall ein Bauwerk, das offensichtlich über die modernste Technik verfügte, die die Zeit zu bieten hatte. Das bedeutete zum Beispiel, dass eine Latrine vorhanden war und die Ausscheidungen der Gäste nicht einfach aus dem Fenster auf den Hof gekippt wurden. Diese Kloake lag in Parterre, sodass die Dienstleute, denen die Aufgabe der Leerung zufiel, einen erträglichen Zugang zu diesem Abort hatten.
Wie es in der Chronik von St. Peter heißt, war die Versammlung in der „Oberstube“ angesetzt, also im Saal im Zweiten Stock. Als Vorsitzender hatte Heinrich in einer Fensternische Platz genommen, ebenso der Hausherr: „Plötzlich (brach) das Gebäude zusammen und Viele stürzten in die darunter befindliche Abtrittsgrube, deren einige mit Mühe gerettet wurden, während andere im Morast erstickten.“
Der Pastor Leitzmann zu Tunzenhausen hat die Katastrophe bis ins Detail erforscht. Danach brach zunächst der Boden des zweiten Stocks unter dem Gewicht der Versammlung ein. Als etwa 60 edle Herren in den ersten Stock stürzten, gab auch dieser nach. Darunter aber lag die Latrine. „Von denen (konnte) ein Theil kaum mit großer Mühe herausgezogen werden, die anderen erstickten in dem scheußlichsten Unflat.“
„Landgraf Ludewig“, schrieb Leitzmann, „stürzte auch mit hinab, wurde jedoch glücklich gerettet. Der König und der Erzbischof saßen in den Fensterbänken, sie mussten mit Hülfe angelegter Leitern herabgetragen werden.“ Die Liste derer, für die es keine Rettung aus den menschlichen Ausscheidungen gab, soll etwa 60 Namen umfasst haben, darunter „Friderich, Graf von Abinberc, Heinrich, ein Graf aus Thüringen, Gozmar, ein hessischer Graf, Friderich, Graf von Kirchberg, Burchard von Wartburg und Andere geringeren Namens“, so die Chronik.
Der konsternierte König soll daraufhin fluchtartig die Stadt verlassen haben. Nach dem Tod seines Vaters auf dem Dritten Kreuzzug 1190 folgte ihm Heinrich als Kaiser nach und errichtete tatsächlich in Süditalien und Sizilien ein Imperium. Aber sein früher Tod 1197 in Messina – vermutlich starb er an Malaria – bewies einmal mehr, wie launisch die Geschichte sein kann.
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