aus welt.de, 10. 8. 2021 Otto I. und seine erste Frau Edgitha in dem von ihm begründeten Dom von Magdeburg
von Berthold Seewald
Das war hochriskant, schließlich hatten sich die nomadischen Ungarn, die aus der eurasischen Steppe kommend bis an die mittlere Donau gelangt waren, mit ihrer hochmobilen Reiterei den schwerfälligen Aufgeboten des Reiches lange als überlegen gezeigt. Daraufhin hatte Ottos Vater Heinrich I. (ca. 876–936) eine Heeresreform durchgeführt, die aus den bislang zu Fuß kämpfenden Sachsen Panzerreiter machte. Zugleich unterwarf der König seine Ritter harter Disziplin. Sie sollten die Linie halten und sich gegenseitig mit den Schilden vor dem gefürchteten Pfeilhagel der Ungarn schützen. Mit dieser Taktik errang Heinrich 933 bei Riade einen ersten Sieg.
955 war Otto in einer schwierigen Lage. Sein Sohn Liudolf und sein Schwiegersohn Konrad der Rote hatten sich gegen den König erhoben, zugleich tobte im Osten ein Aufstand der Slawen, der das Gros seiner sächsischen Truppen band. Also brach Otto mit nur wenigen Leuten nach Süden auf, wo die Ungarn daran gingen, die Stadt Augsburg zu belagern. Auf dem Marsch stießen Kontingente der Franken, Bayern, Schwaben und Böhmen zu ihm, sodass sein Heer etwa 10.000 Mann umfasste.
Da die Ungarn – wie andere Reitervölker wie Hunnen oder Awaren vor ihnen – Probleme mit Belagerungen hatten und vor dem stark befestigten Augsburg festlagen, gewann Otto die Zeit, um sein Heer aufzustellen. Er gliederte es in acht „Legionen“, wie Widukind nach römischem Vorbild die Abteilungen nannte: Vorne standen die Bayern in drei Legionen, nach ihnen die Franken sowie als fünfte die stärkste, die königliche Legion mit Elitekriegern. Es folgten die Schwaben in zwei Legionen und mit dem Tross am Ende die Böhmen. Diese letzten Kämpfer waren „besser mit Waffen als mit Glück versehen“.
Vor dem entscheidenden Angriff soll Otto eine Rede gehalten haben: „Sie übertreffen uns, ich weiß, an Zahl, aber nicht an Tapferkeit, nicht an Rüstung. Es ist uns doch hinreichend bekannt, dass sie zum größten Teil ohne Rüstung sind … Ihnen dient als Schirm lediglich ihre Verwegenheit, uns dagegen die Hoffnung auf göttlichen Schutz … Lieber wollen wir im Kampf … ruhmvoll sterben als den Feinden unterworfen in Knechtschaft leben oder gar wie böse Tiere durch den Strick enden.“
Fast wäre es so gekommen. Denn die Ungarn umgingen Ottos Zentrum und stürzten sich auf den Tross und die Böhmen. Nur ein Gegenangriff der Franken verhinderte eine Katastrophe. Daraufhin „ergriff Otto den Schild und die heilige Lanze und richtete selbst als erster sein Pferd gegen die Feinde, wobei er seine Pflicht als tapferster Krieger und bester Feldherr erfüllte“. Der Regen kam ihm dabei zu Hilfe, durchweichte er doch die Sehnen der ungarischen Kompositbögen.
Training und Disziplin seiner Panzerreiter taten ein Übriges, dass den Ungarn „der Garaus gemacht“ wurde, schreibt Widukind, ihre Anführer „krepierten durch den Strick“, aber auch die eigenen Verluste waren hoch. Die Überlebenden huldigten Otto als „Vater des Vaterlandes ... denn eines solchen Sieges hatte sich kein König vor ihm in zweihundert Jahren erfreut“. Die Ungarn dagegen zogen sich zurück und gingen zur festen Landnahme über.
Der gemeinsam erkämpfte Sieg begründete das Bewusstsein, Angehörige eines Reiches zu sein, das nicht mehr ein Teil des Fränkischen, sondern nach der Sprache seiner Bewohner ein „deutsches“ sein würde. Da Otto 962 von Papst Johannes XII. zum Kaiser gekrönt wurde, stellte er sich zudem in die Tradition Westroms, aus der das Heilige Römische Reich deutscher Nation entstand.
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