aus welt.de, 7. 1. 20121 angeblichen Hexen wurden der „Wettermagie“ beschuldigt und auf dem
Scheiterhaufen verbrannt
In unseren Tagen wiederum verweisen Apologeten der fossilen Energieträger auf die europäische Warmperiode zwischen etwa 1000 und 1300: Da sei die Kultur des Hochmittelalters zur Blüte gelangt, hätten die Wikinger Grönland und Neufundland besiedelt, bevor die „kleine Eiszeit“ einsetzte, deren Ausläufer noch im 20. Jahrhundert zu spüren waren. Wärmeres Klima wäre also besseres Klima.
Nun, wir wissen inzwischen, dass es in den Tropen schon Hochzivilisationen gab, als die Germanen noch in Fellen herumliefen, und dass nicht kälteres Wetter, sondern eine Pandemie – der Schwarze Tod – das Ende des Hochmittelalters einläutete. Welchen Einfluss also hat das Klima wirklich? In ihrem Buch „Klima und Gesellschaft in Europa: Die letzten tausend Jahre“ versuchen der Historiker Christian Pfister und der Klimatologe Heinz Wanner eine Antwort zu geben.
„Westwind, saurer Wein“
Das 423 Seiten starke Werk enthält eine Fülle von Fakten. Will man wissen, wie der Sommer des Jahres 1144 war, findet man dort die Antwort: „Kühl, anhaltender Regen, Westwind, geringe Weinernte, saurer Wein.“ Aber auf die Frage, ob und wie der Klimawandel die Gesellschaft veränderte, geben die Autoren keine einleuchtende Antwort.
Nehmen wir ein Beispiel: die Hexenverfolgung des 16. Jahrhunderts, der 40.000 bis 60.000 Menschen zum Opfer fielen, die meisten von ihnen Frauen. Die Autoren führen das auf die klimatische Abkühlung zurück, die zu Ernteausfällen und Hunger führte.
Oft war ja „Wettermagie“ ein Anklagepunkt gegen die angeblichen Hexen. Jedoch betraf die „kleine Eiszeit“ die ganze Nordhemisphäre, während, wie Pfister und Wanner berichten, „drei von vier Opfern, die zwischen 1560 und 1660 in Europa hingerichtet wurden, einen deutschen Dialekt sprachen“ und „sechs von sieben innerhalb der Grenzen des Heiligen Römischen Reiches lebten und starben“.
Will man also die Hexenhysterie verstehen, muss man nicht das Klima studieren, sondern die damalige deutsche Befindlichkeit; so wie man heute die Anti-Impf-Hysterie auch nicht auf das Covid-Virus, sondern auf deutsche Befindlichkeiten zurückführen muss.
Zweifellos werden auch der Klimawandel und die Antworten darauf im 21. Jahrhundert zu gesellschaftlichen Veränderungen führen. Doch ob die Deutschen mit Optimismus und Tatkraft auf die Herausforderungen reagieren oder mit Depression, Hysterie und Wut, das bestimmt nicht das Klima. Das bestimmen wir.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen