Sonntag, 17. Mai 2020
Weltanschauung und eigene Meinung.
Dieser Tage ist viel Geschrei um die pp. eigene Meinung. So, als läge die Betonung auf eigene. In Wahrheit liegt sie aber auf Meinung - im Unterschied nämlich zum erwogenen und geprüften Urteil. Man erkennt es daran, dass einem auf Nachfrage nicht dieses oder jenes bestimmte Argument zu Ohren kommt, sondern Weltanschauung. Und die kann man sich, das ist wahr, nicht durch vernünftiges Urteil aneignen, sondern eben durch - meinen.
Das liegt daran: Von der Welt gibt es gar keine Anschauung. Denn die Welt ist keine identifizierbare Gegend, son-dern lediglich ein Horizont, vor der bestimmte Gegenden sich als Gestalten abzeichnen. Die Gestalten lassen sich von nah betrachten, während der Horizont schwindet, je näher man ihm tritt.
Anders gesagt, was immer sich bestimmen lässt, ist konkret. Oder besser, indem eines sich bestimmen lässt, wird es konkret. Doch der Mühe, etwas zu bestimmen und so lange fort zu bestimmen, bis sich schließlich was draus machen lässt, kann sich keiner entziehen, der es auf ein Eigenes abgesehen hat. Das geht nur, wenn man irgendwo mitläuft und zusammen mit Vielen in allerlei Hörner stößt - es ergibt sich eine atonale Klangfarbe in unendlicher Melodie.
Das ist der Grund, weshalb Weltanschauungen immer Konjunktur haben, wenn die Welt komplex erscheint und dem Anschauenden vor den Augen flimmert.
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