Botticelli
aus getabstract
Rezension
Ian Goldin und Chris Kutarna
Die zweite Renaissance
Warum die Menschheit vor dem Wendepunkt steht
FinanzBuch, 2016
Die beiden Oxford-Gelehrten Ian Goldin und Chris Kutarna glauben, dass wir in Europa um das Jahr 1990 her- um in eine zweite Renaissance eingetreten sind – eine Periode großer Blüte, vieler Möglichkeiten, aber auch Risiken. Sie ziehen Parallelen zu der Zeit von 1450 bis 1550 und erweitern mit dem Blick in die Geschichte unser Verständnis der Gegenwart. Dazu fächern sie ein breites Spektrum an Themen auf und verknüpfen sie miteinander: von Seefahrt, Entdeckungen und Buchdruck bis Internet, Welthandel und Nanotechnologie. Diese Gegenüberstellung ist spannend zu lesen und bietet sehr erhellende Schlussfolgerungen. getAbstract meint: Ein Werk für alle, die durch einen Blick in die Geschichte eine klarere Sicht auf Gegenwart und Zukunft bekommen möchten.
aus getabstract
Rezension
Ian Goldin und Chris Kutarna
Die zweite Renaissance
Warum die Menschheit vor dem Wendepunkt steht
FinanzBuch, 2016
Die beiden Oxford-Gelehrten Ian Goldin und Chris Kutarna glauben, dass wir in Europa um das Jahr 1990 her- um in eine zweite Renaissance eingetreten sind – eine Periode großer Blüte, vieler Möglichkeiten, aber auch Risiken. Sie ziehen Parallelen zu der Zeit von 1450 bis 1550 und erweitern mit dem Blick in die Geschichte unser Verständnis der Gegenwart. Dazu fächern sie ein breites Spektrum an Themen auf und verknüpfen sie miteinander: von Seefahrt, Entdeckungen und Buchdruck bis Internet, Welthandel und Nanotechnologie. Diese Gegenüberstellung ist spannend zu lesen und bietet sehr erhellende Schlussfolgerungen. getAbstract meint: Ein Werk für alle, die durch einen Blick in die Geschichte eine klarere Sicht auf Gegenwart und Zukunft bekommen möchten.
- In der Renaissance (etwa von 1450 bis 1550) prosperierte Europa.
- Damals vernetzten sich die Menschen. Der Ideenstrom nahm zu, die Anzahl gebildeter Menschen stieg, und es gab Anreize, wagemutig Neues auszuprobieren.
- Viele Einzelne brachten in einer Art kollektiver Genialität die Gesellschaft voran.
- Das Zeitalter befähigte Individuen, herausragende Werke zu schaffen, die mit herrschenden Paradigmen brachen.
- Unsere Gegenwart weist ähnlich verheißungsvolle Merkmale auf, die darauf hindeuten, dass Paradigmen hinterfragt und Grenzen überschritten werden können.
- Grenzen der Sprache und der Datenanalyse gilt es zu überwinden.
- Die immer engere weltweite Verknüpfung, ihre Komplexität und ihre Konzentration, birgt jedoch auch systemische Gefahren.
- Komplexität erschwert es, Kausalitäten und Risiken zu erkennen.
- Die Konzentration auf attraktive Verbindungspunkte belastet die dortige Infrastruktur und Ressourcen.
- Jeder Einzelne kann dazu beitragen, dass sich die Verheißungen der zweiten Renaissance erfüllen und die Gefahren gemindert werden.
Zusammenfassung
Die Renaissance: Zeit der Prosperität
Die Renaissance: Zeit der Prosperität
Im Zeitalter der Renaissance, etwa zwischen 1450 und 1550, rückte die Welt enger zusammen: Seefahrer stießen auf neuen Routen in bislang unbekannte Gebiete vor und berichteten davon. Neue Schiffe, Instrumente und Techniken erleichterten ihnen die Navigation. Und das erlaubte wiederum Gerhard Mercator, die Karte der Welt in einer nie dagewesenen Exaktheit zu zeichnen. Der Handel mit anderen Weltregionen wuchs an Größe und Vielfalt, auch weil sich das Finanzwesen wandelte. Die Menschen reisten mehr, und in der Hoffnung auf verlässlicheres Einkommen und Schutz migrierten sie vermehrt in die Städte. Frieden, das Abebben der Pestwelle und zunehmender Wohlstand trugen zur steigenden Lebenserwartung bei. Die Menschen wandten sich von der Vorstellung ab, dass ihr Schicksal gottgegeben sei: Sie begannen, es selbst in die Hand zu nehmen.
„Aus Unkenntnis der großen Richtung lassen wir uns von unmittelbaren Krisen und den Ängsten, die sie auslösen, bedrängen, um nicht zu sagen, tyrannisieren.“Diese Prosperität bildete die Basis für herausragende Errungenschaften in Kunst, Wissenschaft und Philosophie, die häufig mit bis dahin gültigen Paradigmen brachen. Einige Beispiele: Die Künstler Leonardo da Vinci und Michelangelo erschufen bleibende Werke voller Originalität. Zuvor waren Künstler eher darauf bedacht gewesen, religiöse Geschichten zu verbreiten, als darauf, etwas neu zu interpretieren. Der Astronom Kopernikus revolutionierte unsere Vorstellung vom Kosmos. Der Mediziner und Theologe Servetus deutete das Herz um, vom Sitz der Seele zu einem bloßen Muskel. Damit ermöglichte die Anatomie ein neues, nicht mehr spirituelles Verständnis des Körpers. Der Philosoph Machiavelli begründete mit seiner Abhandlung Der Fürst unter anderem die modernen Politikwissenschaften. Gutenbergs Erfindung der Druckerpresse machte Bildung einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich.
Genialität bei Individuen und im Kollektiv
Teilweise können besondere kreative Leistungen Individuen zugeschrieben werden, die sich stark auf ein Thema oder Fachgebiet fokussieren. Manche dieser Durchbrüche wären aber ohne eine kollektive Genialität nicht zustande gekommen: Viele Menschen arbeiteten mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten am selben Problem und trugen durch originelle Ideen zu dessen Lösung bei. So stützten sich die herausragenden Persönlichkeiten der Renaissance auf das, was ihr Zeitalter hervorbrachte. Es lassen sich drei wesentliche Bedingungen erkennen, die die Renaissance so fruchtbar machten:
- Der Ideenstrom nahm zu – an inhaltlicher Mannigfaltigkeit, an Verbreitung und an Geschwindigkeit. Dazu trug das neue Printmedium maßgeblich bei.
- Ebenso stieg die Anzahl gut gebildeter und ausgebildeter Menschen, die sich für neue Ideen interessierten, sie diskutieren und nutzen konnten.
- Wagemut wurde durch private und soziale Anreize belohnt: Europäische Staaten standen miteinander im Wettbewerb, teilweise sogar im Krieg. Deshalb waren Neuentdeckungen, die militärische, wirtschaftliche oder kulturelle Vorteile versprachen, besonders gefragt.
Wer unsere Gegenwart aufmerksam beobachtet, der findet ähnlich günstige Umstände und Bedingungen wie in der Renaissance: Global vernetzen die Menschen sich immer mehr. Mittels der rasant verbreiteten digitalen Medien ist fast die ganze Menschheit miteinander per Stimme oder Datenverkehr verbunden – und das zu tragbaren Kosten. Viele haben Zugang zu einer riesigen Informationsfülle und können an deren Gestaltung teilhaben.
„Wer die Zukunft voraussehen will, muss sich mit der Vergangenheit beschäftigen, denn menschliche Ereignisse ähneln stets denen vergangener Zeiten.“Seit 1990 hat der grenzüberschreitende Handel stark zugenommen, ebenso die Diversität der Waren, Güter und Beziehungen. Auch sind die internationalen Finanzströme bis zur Krise 2007/2008 stark angestiegen. Dann sanken sie, allerdings noch immer auf ein höheres Niveau als 1990. Die weltweiten Passagieraufkommen auf Flughäfen und die Anzahl der Übernachtungen in Gästeunterkünften wuchsen zwischen 1990 und 2014 deutlich. Ebenso hält der Zuzug in Städte an. Seit 2008 leben mehr als 50 Prozent der Weltbevölkerung in Städten.
„Eine Renaissance ist ein Wettkampf um die Zukunft in einem Moment, in dem außerordentlich viel auf dem Spiel steht.“Gemessen am Stand von 1990 sind die Armuts- und die Analphabetenraten weltweit zurückgegangen. Die durchschnittliche Lebenserwartung ist im letzten halben Jahrhundert stärker gestiegen als in den 1000 Jahren davor. Krankheiten können viel effektiver bekämpft werden als früher. Computer und Internet haben die Massenkommunikation und die Möglichkeiten der Kooperation verbilligt und globalisiert. Die Rechenleistung nimmt, wie von Moores Gesetz vorhergesagt, exponentiell zu. Davon profitieren viele Wissensgebiete, etwa Mathematik, Astronomie, Biologie, Geologie, Meteorologie oder Wirtschaft. Heute wird an Themen, Ideen und Konzepten gearbeitet, an die vor 20 Jahren noch nicht zu denken war.
Paradigmenwechsel in den Naturwissenschaften
Ähnlich wie in der Renaissance brechen Wissenschaftler heute auf etlichen Gebieten mit Paradigmen. Beispiele aus den Naturwissenschaften belegen dies. In der Medizin hat die Kombination aus Medikamenten, Chirurgie und präventiver Aufklärung in den letzten Jahrzehnten Heilungschancen verbessert und Krankheiten verhindert. Sie arbeitet auch daran, die natürlichen Grenzen des Alters und der Gene zu verschieben oder gar aufzuheben. So fanden die Mediziner heraus, dass die DNA nicht allein – wie ursprünglich angenommen – den Organismus bestimmt. Auch die Epigenetik (nicht in der DNA kodierte Erbinformationen) spielt eine Rolle.
„Die Neuartigkeit der Welt der Renaissance reichte weit über den physischen Raum hinaus; sie erstreckte sich bis auf die Gedankenwelt.“Andere Forscher erkunden, wie sich die DNA verschiedener Spezies kombinieren oder wie sich ein synthetischer Organismus entwerfen lässt. Die Macht, Leben zu erschaffen oder zu verändern, die bisher der Natur vorbehalten war, ist aufregend und gefährlich zugleich. Deshalb wird sie in einigen Ländern gesetzlich beschränkt.
Größenbeschränkungen im Kollektiv durchbrechen
Nicht nur Paradigmen gilt es, zu wechseln. Auch traditionelle Größenbeschränkungen sind zu überwinden. Zum einen hindern unterschiedliche Sprachen die Menschen am gegenseitigen Verständnis. Nur etwa 25 Prozent der Weltbevölkerung verstehen die am weitesten verbreitete Sprache, Englisch. So bleiben beispielsweise Themen, die im nichtenglischen Teil des Internets diskutiert werden, vielen verborgen. Alle Inhalte zu übersetzen, würde zu viel kosten und zu lange dauern – trotz Computerunterstützung. Allerdings machen sich mittlerweile viele Menschen daran, kleinere Teile des World Wide Web in andere Sprachen zu übertragen, so etwa Untertitel für Filme, Unterrichtsvideos und TED Talks.
„Erst seit Kurzem wird uns klar, dass die Summe der individuellen Strategien und Entscheidungen zur Verfolgung privater und kommerzieller Ziele unsere kollektive Verwundbarkeit für Schockereignisse erhöht hat.“Zum anderen wachsen die Verarbeitungskapazitäten nicht mit der gleichen Geschwindigkeit wie die Daten. Wissenschaftler kommen mitunter nicht nach, Daten auszuwerten und zu nutzen. Und Computer allein können nicht so gut wiederkehrende Muster identifizieren oder Wichtiges von Bedeutungslosem trennen wie das menschliche Gehirn. Deshalb suchen Wissenschaftler nun Unterstützung bei Amateurforschern. Auf sogenannten Citizen-Science-Webplattformen können diese bei Projekten mitmachen. Beispiele sind Zooniverse für Astronomen, Chimp & Sea für Erforscher der Tierwelt Afrikas, Old Weather für die Transkription alter Schiffslogbücher, die Auskunft über Klimadaten geben, Tomnod, um illegale Fischerei zu bekämpfen, und EyeWire zur Kartierung des menschlichen Gehirns.
Lässt sich Genialität quantifizieren?
Manche zweifeln daran, dass das heutige Zeitalter Genialität hervorbringt. Diese Skeptiker argumentieren etwa, dass eine zweite Mona Lisa das Einkommen nicht wachsen lässt. Und dass die Arbeitsproduktivität – also der Wert, den eine Arbeitsstunde produziert – trotz des technischen Fortschritts mittlerweile nur noch langsam zunimmt. Zudem sind einige Zukunftserwartungen der Vergangenheit nicht Realität geworden: So fliegen, trotz des technologischen Wandels, Autos zur allgemeinen Enttäuschung immer noch nicht. Möglicherweise haben neue Erkenntnisse also nur noch inkrementellen Nutzen; von Genialität ließe sich dann nicht mehr sprechen.
„Das Internet stellt eine ganz neue Quelle für systemische Risiken im 21. Jahrhundert dar.“Dagegen ist erstens einzuwenden, dass sich außergewöhnliche individuelle und kollektive Leistungen nicht immer in wirtschaftlichen Zahlen fassen und messen lassen. Genialität kann mit Innovationen zur Wirtschaftsaktivität beitragen, sie kann aber auch in ganz anderen Dimensionen Veränderungen anstoßen und vorantreiben, etwa in der Gesundheit, der Kunst oder in Fragen der Gerechtigkeit.
„Komplexität überfordert unsere Wahrnehmung; Konzentrationen überfordern unsere Urteilsfähigkeit.“Zweitens wirkt sie möglicherweise langfristiger, als die Messkonzepte reichen. Drittens kann Genialität auch mittelbaren Nutzen stiften, der bei einer Messung unberücksichtigt oder verborgen bleibt. Viertens täuscht mitunter der eigene Maßstab: So unterschätzte Robert Metcalfe, Miterfinder des Ethernets, im Jahr 1995 die zukünftige Bedeutung des Internets massiv, sagte sogar seinen Zusammenbruch für das folgende Jahr voraus. Ein weiterer Irrtum ist der Glaube, dass alle Probleme durch Innovationen gelöst werden können.
Gefahren und Risiken genialer Ideen
Neuerungen, die durch geniale Gedanken entstehen, können auch Gefahren mit sich bringen. In diesem Punkt haben die Skeptiker recht. In der Renaissance wurden in Europa erstmals Schusswaffen eingesetzt – zunächst in Form von Kanonen, später als Handfeuerwaffen, die im Lauf der Zeit für immer breitere Gesellschaftskreise erschwinglich wurden. Heute stellt Bioterrorismus die größte neue Gefahr dar. Denn im Gegensatz zu Atomwaffen ist der Wirkungsradius von Viren räumlich nicht begrenzt. Die technischen Möglichkeiten zur synthetischen DNA-Produktion eines gefährlichen Virus sind in entwickelten Ländern vorhanden und kostengünstig zugänglich. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie genutzt werden, steigt stetig. Eine weitere Gefährdung erwächst durch das Internet: Anstatt die Menschheit im positiven Sinn zu verbinden, können mit dem Internet auch kriminelle Aktivitäten besser koordiniert und Hetzkampagnen weiter und schneller verbreitet werden als zuvor.
„Tugend, so hatte Aristoteles erklärt, ist die charakterliche Qualität, so zu handeln, wie man sollte, selbst wenn das schwierig und unpopulär ist oder bestimmte Interessen stört.“Nicht nur das Internet, auch die Finanz- und Handelsströme unterliegen der globalen Vernetzung. Doch je enger alles miteinander verknüpft ist, desto anfälliger wird ein System für Störungen. Das liegt zum einen an seiner Komplexität, die dazu führt, dass ein scheinbar unwesentliches Ereignis an ganz anderer, unerwarteter Stelle im System Wirkungen zeigt. Kausale Zusammenhänge lassen sich nur schwer erkennen und Risiken deshalb kaum im Voraus abschätzen. Ein weiterer wunder Punkt komplexer Systeme ist ihre Konzentration auf besonders attraktive Verbindungspunkte, an denen sich Infrastruktur, Ressourcen und das soziale Miteinander kreuzen. Krankheiten wie Sars oder Ebola können sich in solchen Zentren viel schneller ausbreiten. Diese Netzknoten zu isolieren, ist im Ernstfall einerseits schwierig, andererseits für das System insgesamt eine Belastung.
In welcher Welt wollen wir leben?
Durch die verschiedenen Neuerungen sind wir immer wieder gefordert, Entscheidungen zu treffen über die Welt, in der wir leben wollen. Beispielsweise sind durch die fortschreitende Automatisierung viele der gegenwärtigen Arbeitsplätze bedroht. Unklar ist, ob neue Jobs geschaffen werden oder es zukünftig viel mehr Unterbeschäftigte oder Arbeitslose geben wird. Ebenso unklar ist, ob die durch Automatisierung entstandenen Gewinne nur wenigen zugutekommen oder mit den am Arbeitsleben weniger beteiligten Menschen geteilt werden. Ein anderes Beispiel ist die Frage, wie unsere Gesellschaft die öffentliche Sicherheit und die Privatsphäre von Individuen ausbalancieren möchte. Wir haben es in der Hand, ob sich die Risiken oder die Chancen unserer Zeit realisieren werden. Einiges, was Sie beitragen können:
- Seien Sie offen für neue Ideen. Fragen Sie bei Meinungen nach Argumenten und stützenden Fakten; hinterfragen Sie, ob es nicht noch andere Sichtweisen gibt.
- Fördern Sie Kreativität, auch mit finanziellen Mitteln, zum Beispiel durch Crowdfunding.
- Haben Sie Mut zum Experimentieren, Erforschen, Probieren, auch außerhalb Ihrer festgefügten Lebensbahn. Haben Sie keine Angst vor dem Scheitern.
- Nehmen Sie eine langfristige Perspektive ein, die Ihnen Vertrauen in die Zukunft jenseits negativer Schlagzeilen gibt. Tauschen Sie sich mit anderen dazu aus.
- Folgen Sie Ihrer Leidenschaft an Orte, an denen viele Menschen diese teilen. Wenn Sie noch keine Passion für sich entdeckt haben, schauen Sie sich danach in einer der größten oder wachstumsstärksten Städte der Welt um – „finden Sie Ihr Florenz.“
- Schließlich: Handeln Sie tugendhaft, ehrlich, wagemutig und mit Würde. Letzteres setzen Sie um, indem Sie sich lebenslang in unterschiedlichsten Gebieten fortbilden, sich für Andersartiges interessieren und der Kunst in Ihrem Alltag einen Platz einräumen.
Über die Autoren
Ian Goldin ist Professor und Direktor der Oxford Martin School der Universität von Oxford in England. Von 2003 bis 2006 war er Vizepräsident der Weltbank. Chris Kutarna hat in Oxford promoviert und bei der Boston Consulting Group in Fragen der internationalen Politik und Wirtschaft beraten.
Nota. - Ich setze voraus, dass getabstract korrekt zusammengefasst hat. Da fällt mir als erstes die eigenwillige Epochenbestimmung auf. 1450 bis 1540 - nur neunzig Jahre? Literaturwissenschaftler würden die Renaissance mit Petrarca, Kunsthistoriker mit Giotto beginnen lassen - rund hundert Jahre früher.
Da fällt mir ein: Die Schwarze Pest wütete 1346 bis 1353, nachdem im Jahr 1342 gewaltige Überschwemmun- gen weite Teile Europas verheert hatten - Ost- und Zentralfrankreich, die Provence, Norditalien, das ganze heu- tige Deutschland sowie Böhmen, Österreich und Ungarn; in Süddeutschland die Magdalenenflut. In Europa kam es zu einem Niedergang des Ackerbaus, der, indem er die Feudalität schwächte, einen Aufschwung des städti- schen Bürgertums begünstigte.
Es gibt Anlass, im 14. Jahrhundert den Beginn der Neuzeit wahrzunehmen. Ein besonderes Datum its die Herr- schaft Philipps des Schönen in Frankreich, der sein Land als kontinentale Großmacht etablierte, indem er im Innern den Absolutismus begründete.
Und sogleich fällt auf, dass wirtschaftshistorische Erwägungen bei Goldin und Jutarna kaum eine Rolle spielen. Aber ohne die ist Sozial- und Kulturgeschichte nicht wohl möglich.
Gehen wir von der anderen, von unserer Seite an den Vergleich heran, so wurde der Umbruchcharakter der Gegenwart zunächst mit dem Ausdruck neue industrielle Revolution bezeichnet, wobei man gleich mitentschei- den musste, ob des die zweite, dritte oder schon vierte wäre. Das war aber, je weiter die Digitalisierung um sich griff, kleinlich und unangemessen. Der Vergleich mit der Gutenberg-Revolution hat ihrem Ausmaß und ihrer kulturellen Reichweite Rechnung getragen, doch die produktionstechnische und ökonomische Dimension, die alles Dagewesene in den Schatten stellt, ging wieder verloren.
Im Grunde ist die noch immer an Tempo und Tiefe gewinnende Digitale Revolution aber nur mit der Neolithi- schen Revolution, mit der Einführung des Ackerbaus und der Entstehung der Arbeits- und Wirtschaftsgesell- schaft zu vergleichen. Also, wenn wir von der Vorgeschichte der Jäger- und Sammler-Kulturen absehen, mit dem Anfang der Geschichte.
Also ein Neu anfang, indem sie unser bisherige Geschichte zu einem Abschluss bringt. Das ist mehr als bloß eine Renaissance.
JE
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