aus spektrum.de, 15. 6. 2022
Neoliberalismus fördert Akzeptanz von Ungleichheit
Ein paar Jahre reichen aus, damit politische Systeme die persönlichen Einstellungen der Menschen verändern.
von Anton Benz
»Die
Wirtschaft ist die Methode; das Ziel ist es, Herz und Seele zu
verändern.« Gemäß diesem Motto stieß die ehemalige Premierministerin
Margaret Thatcher in den 1980er Jahren einige neoliberale Reformen in
Großbritannien an: Privatisierung staatlicher Konzerne, Rückzug des
Wohlfahrtstaats und Beschneidung von Umverteilungsprogrammen. Ein Team
um Shahrzad Goudarzi von der New York University untersuchte jetzt, ob
eine neoliberale Politik das Gerechtigkeitsempfinden der Bürgerinnen und
Bürger beeinflusst. Ihre Resultate veröffent-lichte es in »Perspectives on Psychological Science«.
»Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein paar Jahre ausreichen,
damit Systeme, wie Thatcher es formulierte, ›Seelen‹ verän-dern«, so
Goudarzi.
Die
Forschungsgruppe analysierte mehrere Daten von 1995 bis 2019 aus mehr
als 160 Län-dern. Dazu gehörte der Economic Freedom Index, in dem
Staatsausgaben, Spitzensteuersätze und Arbeitnehmerrechte erfasst sind.
Hieraus lässt sich ableiten, wie neoliberal die Politik eines Staats
ist. Daten über das individuelle Gerechtigkeitsempfinden erlangten die
Forscher aus der World Values Survey, der weltweit umfangreichsten
Umfrage über menschliche Werte. Unter anderem geben die Teilnehmenden
darin an, ob sich ihrer Meinung nach das Einkom-men angleichen sollte
oder ob größere Lohnunterschiede notwendig seien, um individuelle
Leistungen zu belohnen.
Spektrum Kompakt: Moral – Gemeinsame Werte und Normen
Die Wissenschaftler fanden heraus, dass Menschen in
neoliberaleren Staaten größere Lohnunterschiede guthießen. Weil die
Daten zu mehreren Zeitpunkten erhoben wurden, konnten sie ausmachen,
dass sich zuerst das Wirtschaftssystem veränderte und sich die
persönlichen Einstellungen dem anglichen. »Neoliberale,
marktwirtschaftliche Reformen scheinen die Präferenz der Menschen für
ein hohes Maß an Einkommensungleichheit zu erhöhen«, erklärt Goudarzi.
Nota. - Beachten Sie im obigen Beitrag die Werbung von Spektrum Kompakt: Sie stellt nicht die Frage, ob es in der Moral um gemeinsame Normen geht oder um persönliche Entscheidun-gen, sondern setzt die kollektivistische Antwort schlicht und einfach voraus. Fast möchte man ihnen ein paar Monate Liberalismus wünschen; Archäoliberalismus.
Doch in diesem besondern Punkt haben sie ja Recht: Geht es in Wahrheit nicht um Moralität, sondern um die eigene Wohlfahrt, dann neigen die Menschen allerdings dazu, stets recht ähn-liche Entscheidungen zu treffen. Ist das gut, ist das schelcht? - Na, man darf es eben nicht mit Moral verwechseln, denn das ist ganz schlecht.
JE
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