aus welt.de, 24. 6. 2022 arabische Silbermünzen aus Neustettin, Pommern
Der Chronist Widukind von Corvey beschreibt in seiner „Sachsengeschichte“ die Eroberung der Slawenburg Gana durch König Heinrich I. im Jahr 929. „Die in der Burg gemachte Beute übergab er seinen Kriegern, alle Erwachsenen wurden getötet, die Jungen und Mädchen für die Gefangenschaft verschont.“ Auch andere Autoren berichten von diesem Phänomen, das heute eher mit der Antike oder dem Kolonialismus verbunden wird, tatsächlich aber auch im europäischen Mittelalter existierte: der Sklaverei.
Zahlreiche Entdeckungen, die in den vergangenen Jahren vor allem im Norden und Osten Deutschlands gemacht wurden, zeigen inzwischen, dass sich der Handel mit Menschen keineswegs auf Einzelfälle beschränkte, sondern ein weit verbreitetes System bildete, das von Nordeuropa bis in den Orient reichte. Vor allem eine Fundgattung rückt dabei in den Fokus der Forschung: Dirhams, arabische Silbermünzen.
Waren lange nur wenige Depots bekannt, haben ehrenamtliche Mitarbeiter der Bodendenkmalpflege mit Detektorprospektionen in den letzten Jahren viele Schätze und Einzelstücke geborgen, sodass sich „ihre Menge nun geradezu explosionsartig vergrößert, und zwar von Burgen und Siedlungen bis weit ins Binnenland“, schreibt Felix Biermann in der Zeitschrift „Archäologie in Deutschland“. In Mecklenburg-Vorpommern und Teilen Brandenburgs bis in die Niederlausitz hinein gehörten sie inzwischen zum üblichen Fundspektrum. Ihre Zahl im Ostseeraum schätzt der Mittelalterarchäologe an der Universität Stettin auf mehrere hunderttausend Stück.
Schloss man früher von den Münzen auf partielle Handelskontakte, wird ihre Verbreitung inzwischen als großräumige Zone des Austauschs gedeutet, deren Basis der Sklavenhandel war. Dessen frühmittelalterliche Zentren waren Burgstädte an der Ostseeküste. In Ralswiek auf Rügen kamen etwa 2200 orientalische Silbermünzen ans Licht, die um das Jahr 850 datiert werden.
Zu jener Zeit beherrschten die Wikinger die marinen Handelsrouten, die nicht nur nach Westen, sondern über Russland bis ins Abbasidenkalifat mit seiner Hauptstadt Bagdad reichten. Funde von – wirtschaftlich unbedeutenden – Scheidemünzen aus Kupfer zeugen für Biermann von der Anwesenheit von Händlern, die unmittelbaren Kontakt zu den Sklavenmärkten des Orients hatten.
Menschen waren eine lukrative Handelsware. An Land bildeten sie Karawanen, die keine Lasttiere benötigten, zur See wurden sie in die Knorr-Segler der Wikinger gepfercht. Allerdings behandelten die „ihre Sklaven gut und kleideten sie schön, denn sie sind für sie eine Handelsware“, bemerkte ein muslimischer Beobachter. Die engen Beziehungen fanden ihren Niederschlag auch in der Sprache. Der griechische Völkername sklaboi wurde im Arabischen zu Saqaliba, eine Bezeichnung für Eunuch oder Sklave.
Spuren von Gewalt oder Tierverbiss
Eine Reihe von weiteren archäologischen Funden wird mittlerweile mit der Sklaverei verbunden. Fesseln aus Eisen etwa, die zum Teil mit einem Schloss versehen waren, oder menschliche Knochen, die Spuren von Gewalt oder Tierverbiss tragen. Was früher als Opfer von Kultritualen oder Massakern interpretiert wurde, könnten durchaus „Zeugen eines Sklavenmarkts“ sein, „wo Menschen verkauft und verschifft wurden sowie Gewalt erleiden mussten“, schreibt Biermann.
Auch pietätlose Bestattungen oder „Verlochungen“ können auf Sklaverei verweisen. Wenn Skelette Zeichen von Gewalt, Mangelerscheinungen oder schwerer körperlicher Arbeit tragen und nicht in ordentlichen Gräbern, sondern auf Müllhalden oder in Gewässern entsorgt wurden, sagt das einiges über den Wert aus, der ihnen beigemessen wurde. Als Beispiel aus der Zeit des Kolonialismus nennt Beckmann die Überreste von 150 Menschen, die auf einer Müllhalde im portugiesischen Sklaverei-Zentrum Lagos entdeckt wurden.
Allerdings muss es sich bei den Toten im Mittelalter nicht unbedingt um Opfer von Wikingern oder ostfränkischen Rittern gehandelt haben, die mit ihren überlegenen Waffen Eroberungs- und Beutezüge ins Slawenland unternahmen. Auch in und um die Reste slawischer Burgen und Siedlungen haben Ausgräber verstreute Menschenknochen gefunden, die im Gegensatz zu vielen Bewohnern nicht nach den herrschenden Sitten bestattet wurden. Das würde dafür sprechen, dass der Menschenhandel auch zwischen slawischen Gesellschaften florierte.
Das würde auch die zahlreichen Dirham-Funde erklären, die in den einstigen Slawen-Gebieten östlich der Elbe gemacht werden. Die Anführer einzelner Stämme und Clans kämpften gegeneinander, und die Sieger brachten die Verlierer auf die Sklavenmärkte. Die reichen Erlöse in Silber wurden dann zu einem weiteren Motiv für Raubzüge, auf denen nicht nur Menschen zu holen waren. Ein Ergebnis war erstaunlicherweise zivilisatorischer Fortschritt. Denn das hohe Gewaltpotenzial beförderte den Ausbau von Burgen und Herrschaftsstrukturen, die die Verteidigungsfähigkeit erhöhten. Damit wiederum konnte slawische Fürsten als Akteure und Kunden in den Fernhandel einsteigen.
Nota. - Christen war verboten, Menschen als Sklaven zu halten. Und schon gar, Christen als Sklaven zu verkaufen. Doch die Menschen östlich der Elbe waren keine Christen, sondern Heiden. Die deutschen Eroberer durften sie nicht selber versklaven, doch sie als Sklaven an andere Nichtchristen zu verkaufen hinderte sie nichts. In spanischen Geschichtbüchern liest man ganz selbstverständlich, dass der Ausdruck esclavo aus dem Wort Slawe stammt, weil die Menschen, die es im maurischen Herrschaftsgebiet zu kaufen gab, aus den Gebieten jenseits der Elbe stammten.
Woher stammt der Verschlussaut k? Im Frnazösischen heißt es esclave, auch im Italienischen heißt es schiavo. Nur englisch ist alles klar. Sklave heißt slave und Slawe heißt slav.
Im Osten Europas heißt es, im byzantinischen Reich wären Sklaven hauptsächlich aus den slawischen Siedlungsgebieten des Balkans gekommen.
JE
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