Sonntag, 15. März 2020

Röttgen zur neuen Flüchtlingskrise.

 

Unter den Titel Europa hat sich in der Flüchtlingsfrage nur Zeit gekauft schreibt Norbert Röttgen heute in der Welt - nein, nicht über Corona, sondern über den unbewältigten Dauerbrenner der deutschen Innenpolitik seit 2015. Es heißt dort:

Die humanitäre Katastrophe in Idlib hat sich seit Monaten abgezeichnet. Aus der Flüchtlingskrise von 2015 hat Europa nicht gelernt – es wacht erst auf, wenn das Problem und schwer erträgliche Bilder vor der eigenen Haustür angekommen sind. Die EU hat noch immer keine Strategie, wie sie mit dieser Situation akut und lang- fristig umgehen soll. Mit einem Arbeitskreis, wie von der Kommission ins Leben gerufen, ist es nicht getan. Die Art und Weise, wie sich die EU in dieser Krise präsentiert, macht deutlich: von der viel zitierten „Sprache der Macht“ ist Brüssel noch weit entfernt. Aber die Zeit drängt. Gemessen in Vertrauen ist sie bald abgelaufen. ...

Im Ernst der Lage besteht auch eine Chance für mehr europäische Zusammenarbeit in der Außenpolitik. Wenn wir jetzt nicht handeln, wann dann? Deutschland und Frankreich sollten vorangehen. Idealerweise nicht alleine, sondern mit Unterstützung der zentral- und osteuropäischen Mitgliedstaaten. Sie müssen wir außenpolitisch in die Pflicht nehmen, indem wir eine einfache Rechnung aufstellen: Wer nicht will, dass die Flüchtlinge nach Europa kommen, der muss sich in den Krisenherden in unserer Nachbarschaft engagieren.


Nota. - Nicht gerade wegweisend. Als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses muss er sich diplomatisch ausdrücken, und das heißt nicht erst seit Genscher nichtssagend. Aus der Flüchtlingskrise von 2015 hat Europa nichts gelernt, das wird ihm keiner bestreiten. Was hätte es lernen sollen? Dass es die Herausforderung nur ge- meinsam würde bewältigen können, was sonst! Auch das wird keiner bestreiten, nur versteht Victor Orban und inzwischen mancher andere darunter, dass es alle so machen wie er.

Die Alternative hätte es noch 2015 gegeben, sie hätte damals bedeutet, dass Europa uns um die Ohren geflogen wäre. Heute würde es nicht viel was anderes bedeuten. Und es wird deutlich: Die Politik von Angel Merkel war damals das Richtigste, was möglich war. Sie hat recht daran getan, den Kontinent vor vollendete Tatsachen zu stellen, denn sonst hätten sie einander doch nur den Schwarzen Peter zugeschoben, wie sie es danach taten und bis heute tun. 

Mehr als damals eine akute Situation zu entschärfen - aber immerhin! - und Zeit zu gewinnen, hat Merkel da- mals nicht vermocht. Doch bedeutet das nicht, dass ihr Weg falsch war, sondern nur, dass ihr zu viele, und vor allem zu viele Parteifreunde, in den Rücken gefallen sind. Nur ihnen verdanken wir heute das scheinheilige Mantra, 2015 dürfe "sich nicht wiederholen". Hätten sie damals Deutschlands Position in der Welt gestärkt und nicht beschädigt, gäbe es diese Gefahr gar nicht.

Nein, es ist völlig falsch, über die Sache Gras wachsen zu lassen, um "alte Wunden nicht wieder aufzureißen". Das wäre jetzt genau das Richtige: klären, wer damals Recht hatte und wer Deutschland und Europa damals ge- schwächt hat und heute wieder schwächt. Röttgen darf sich nicht scheuen, die Dinge beim Namen zu nennen. Als Kandidat hat er in seiner Partei ohnehin nur Außenseiterchancen. Doch wenn er die jetzt nicht wahrnimmt, wird er nie wieder welche bekommen; und kein anderer muss sich die richtigen Fragen stellen.
JE

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