Freitag, 4. Juni 2021

Maaßen, Antisemit?


aus Tagesspiegel.de, 4. 6. 2021                              
Stephan Kramer, Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes

Der heutige Tagesspiegel berichtet über ein Gespräch mit Stephan Kramer, derzeit Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes und langjähriger Verteter der jüdischen Gemeinde:

... Als Co-Autor schrieb Maaßen einen Essay mit dem Titel „Aufstieg und Fall des Postnatio-nalismus“, erschienen im Magazin „Cato". Äußerlich will es konservativen Intellektuellen Lek-türe bieten, tatsächlich etabliert es sich als Blatt der Neuen Rechten.

Maaßen und sein Co-Autor haben in dem Beitrag jedenfalls eine gesteuerte Zerstörung ge-wachsener Traditionen und Nationalkulturen ausgemacht – das Ziel sei es, das Volk in eine „anonyme, atomisierte Masse“ zu verwandeln, die „leicht zu kontrollieren und zu manipulieren ist“.

Jene, die von der „Idee eines totalen Staates angezogen“ seien, die „im Namen von Gerech-tigkeit, Gleichheit oder neuerdings Ökologie eine neue Weltordnung radikal zu verwirklichen hoffen“, würden nun die „Abschaffung“ der Freiheit verfolgen.

Aber sie würden „heute nicht als Feinde unserer Gesellschaftsordnung erkannt; schließlich sind sie Geisteswissenschaftler, Journalisten, Berufspolitiker, EU- und UN-Bürokraten, Befür-worter der ökonomischen Globalisierung sowie Manager multinationaler Konzerne und deren Dienstleister“.

Maaßen sieht hinter dem Komplott zwei Akteure

Sie alle - so schreibt Maaßen - verbinde „eine tiefe Verachtung für normale, regional verwur-zelte Menschen sowie für deren Traditionen und Lebensstile, die sie, wie etwa die Jagd oder den Verzehr von Fleisch, lächerlich zu machen oder sogar zu verbieten versuchen“.

Maaßen sieht hinter dem Komplott zwei Akteure – und ihre „mehr oder weniger offene Ver-schmelzung“. Nämlich die „vormals sozialistischen Linken mit dem Wirtschaftsliberalismus“. Und weiter heißt es in dem Beitrag: „Diese Ideologie bildet eine Projektionsfläche für die po-litischen Erlösungshoffnungen linker Denker, während Wirtschaftsglobalisten sie als Rechtfer-tigung ansehen, globales Eigentum und globale Profite zunehmend auf einige tausend Fami-lien zu konzentrieren, die sich daranmachen, bald alles zu besitzen.“ 

Der Thüringer Verfassungsschutzchef sieht darin klare antisemitische Muster: „Globalisten ist ein rechtsextremer Code, darin sind sich unter anderem die Konrad-Adenauer-Stiftung und die Bundeszentrale für politische Bildung einig", sagte Kramer.

Verschwörungsideologischen Begriff der „neuen Weltordnung“

Außerdem verwende Maaßen den verschwörungsideologischen Begriff der „neuen Weltord-nung“. Dabei gehe es um die Vorstellung einer totalitären globalen Regierung einer interna-tionalen Elite, die die Menschheit versklavt und aussaugt. „Es grüßen die Protokolle der Wei-sen von Zion“, sagte Kramer.

Auch der Rechtsextremismusforscher Matthias Quent kommt zu dem Schluss, dass sich Maaßen in dem Magazin-Beitrag in der ideengeschichtlichen Tradition antisemitischer Welt-bilder bewegt. Der „taz“ sagte Quent: „Das ist die Erzählung von wurzellosen, in der Diaspora lebenden jüdischen Kräften, die angeblich sowohl hinter dem Kapitalismus als auch hinter dem Bolschewismus stecken und für die Auflösung von Volk und Nation verantwortlich sei-en.“

Soviel über den Bericht im Tagesspiegel.

Was der Thüringer Verfassungsschützer aus diesem einen Artikel Maaßens herausliest, in ein klassisches völkisch-reaktionäres Weltbild, kokettierend mit traditionalistischen und organizistischen Staatsvorstellungen. Es ist eine ferne Botschaft aus dem vordemo-kratischen Traum von der heilen Welt und ihrer bewährten Ordnung. Sollte er ihm ganz ohne Hintergedanken aus der Feder geflossen sein, wäre es umso dringlicher, es ihm unter die Nase zu reiben. Dass er mit solchen Vorstellungen jahrelang der oberste Schützer unserer Verfassung war, jagt mir noch nachträglich einen Schreck ein.

Es macht aber einen Unterschied, ob er zusammenfassend abschließt: Und hinter dem allen stecken Juden, oder ob er das nicht tut. Einen noch größeren Unterschied würde es machen, wenn er es nicht tut, weil er es nicht meint. Und wenn er es nur aus takti-schen Gründen verschwiege, so dürfte man es zwar vermuten, aber man dürfte es ihm nicht öffentlich unterstellen. Oder richtiger gesagt - dürfen im strafrechtlichen Sinne dürfte man schon, aber in einem politischen Sinn müsste man sagen: Das ist der Stil von Demagogen, deren Absicht es ist, den Rechtsstaat zu unterminieren. Das darf man nicht nur, das muss man sogar sagen. (Verstehen Sie's nicht falsch: Ich meine den Artikel im Tagesspiegel)

Dass ich außerdem meine, die CDU sollte Leute wie Maaßen rausschmeißen, um ein deutliches Zeichen zu setzen, steht auf einem ganz andern Blatt. Das, was er wirklich sagt und tut, führt die CDU in ein tiefes schwarzes Loch, wenn man ihn lässt. 

JE



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