aus welt.de, 26. 5. 2022 Friedrich Wilhelm IV. von
Preußen (r.; 1795–1861) und der junge Kaiser Franz Joseph I. (1830–1916)
Wie Österreich und Russland Deutschlands Einigung verhinderten
Zwar hatte Friedrich Wilhelm IV. 1849 die Kaiserkrone der Paulskirche
abgelehnt. Aber dennoch wies er seinen Vertrauten Radowitz an, einen
Bundesstaat unter preußischer Führung zu bilden. Da drohte ein Ultimatum
mit dem großen Krieg.
Gerade weil Radowitz in keine Fraktion passte, stieg er nach der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms IV. zu einem der engsten Ratgeber des Monarchen auf, der sich ungern auf eine Linie und ihre Wortführer festlegte. Auch nachdem Radowitz nach Ausbruch der Revolution 1848 den Dienst quittiert hatte und für einen westfälischen Wahlkreis in die Nationalversammlung in Frankfurt am Main gewählt worden war, blieb der Kontakt erhalten. Denn der König scheute davor zurück, sich ganz und gar der konservativen Kamarilla am Hof auszuliefern.
Schmiedete die Erfurter Union: Joseph Maria von Radowitz (1797––1853)Der entscheidende Grund für Friedrich Wilhelms Ablehnung der Krone war die – aus seiner Sicht – fehlende Legitimation des Angebots. Der Hohenzoller, ganz Romantiker, träumte von der Wiedererrichtung eines reformierten Heiligen Römischen Reiches unter preußischer Führung. Die Grundlage dafür sollte jedoch nicht der Mehrheitsbeschluss eines nationalen Parlaments, sondern die Zustimmung der Fürsten und Städte, also der Souveräne, sein. Radowitz wurde dabei zu seinem wichtigsten Helfer, oder, wie Bismarck es höhnisch formulierte: „der geschickte Garderobier der mittelalterlichen Fantasie des Königs“.
Das Ergebnis war das Dreikönigsbündnis vom 26. Mai 1849. Darin verständigten sich Preußen, Hannover und Sachsen auf die „Herstellung einer einheitlichen Leitung der Deutschen Angelegenheiten“. Das Ziel dieser Erfurter Union war ein Bundesstaat, der durch den Beitritt der deutschen Staaten geschaffen werden sollte. Das war der entscheidende Unterschied zum Vorschlag der Paulskirche.
Der Verfassungsentwurf, der zwei Tage später veröffentlicht wurde, folgte jedoch in weiten Teilen der Konstitution, die die Nationalversammlung erarbeitet hatte. Nur die Rechte der Einzelstaaten waren verstärkt worden. Das bedeutete zum Beispiel, dass statt eines allgemeinen und gleichen Wahlrechts ein Dreiklassenwahlrecht gelten sollte, wie es von einigen Mitgliedern inzwischen eingeführt worden war.
Immerhin signalisierten 26 Staaten des aufgelösten Deutschen Bundes ihre Zustimmung. Aber mit Bayern und Württemberg verweigerten zwei Schwergewichte den Beitritt zu diesem Bundesstaat. Mit dem sollte Österreich nur lose verbunden sein, sodass diese Deutsche Union ungefähr dem Umfang des Nationalstaats glich, der 1871 aus der Taufe gehoben wurde. Damit hätte Preußen Österreich als Führungsmacht Deutschlands bereits 1849 abgelöst.
In Wien war man damit verständlicherweise nicht einverstanden. Und in dem Maße, in dem es dem neuen Kaiser Franz Joseph I. gelang, die Revolution in seinen Ländern niederzuschlagen, gewann die Habsburgermonarchie die Handlungsspielräume zurück, um auch in Deutschland wieder aktiv zu werden. Der mächtige Partner wurde dabei das Zarenreich, dessen Truppen maßgeblich am Sieg über die ungarischen Freiheitskämpfer mitgewirkt hatten.
Unter österreichischem Druck gelangten auch Hannover und Sachsen, gefolgt von Baden, zu der Überzeugung, dass eine Restauration des Deutschen Bundes ihren Interessen dienlicher sei als die Unterordnung unter preußische Dominanz. Unmissverständlich stellte der Kaiser in Wien die Machtfrage.
Den Hebel boten innere Unruhen im Kurfürstentum Hessen. Der reaktionäre Kurfürst sah sich von liberalen Gegnern herausgefordert und rief den im September 1850 reanimierten Deutschen Bund unter österreichischer Führung um Hilfe. Da zwei strategisch wichtige preußische Militärstraßen durch das Land führten, sah sich Friedrich Wilhelm IV. herausgefordert und ernannte Radowitz zum Außenminister.
Aber Wien ließ es auf die Machtprobe ankommen. Nachdem der Bund die „Exekution“ beschlossen hatte und Bundestruppen an der Grenze zusammengezogen worden waren, wurde von Berlin in scharfen Worten der Rückzug der preußischen Sicherungseinheiten in Hessen verlangt. Friedrich Wilhelm befahl daraufhin die Mobilmachung seiner Armee. Ein deutscher Krieg schien unausweichlich.
Am 24. November ging in Berlin das österreichische Ultimatum ein, die preußischen Truppen binnen 48 Stunden aus Hessen abzuziehen. Das Entscheidende daran: Zar Nikolaus I., obwohl mit einer preußischen Prinzessin verheiratet, schloss sich der österreichischen Position an. Damit drohte ein großer Krieg. Was folgte, hat Sebastian Haffner in seinem Buch „Preußen ohne Legende“ so beschrieben: Es war „ein Zusammenbruch von einer Vollständigkeit wie der von 1806“, als der altpreußische Staat von Napoleon I. bei Jena und Auerstedt vernichtend geschlagen worden war.
Im böhmischen Olmütz gab Preußen in allen Punkten nach, zog seine Truppen zurück, beteiligte sich an der Bundesexekution in Hessen und akzeptierte kleinlaut die Führung Österreichs im Deutschen Bund. Radowitz wurde als Sonderbotschafter nach London geschickt, während die Konservativen in Berlin triumphierten. Bismarck zog aus der schweren politischen Niederlage den Schluss, dass die Gründung eines kleindeutschen Reiches unter preußischer Führung „nur durch Kampf oder die Bereitschaft zu demselben gewonnen werden“ könnte. Diesen Krieg galt es jedoch erst zu führen, „bis wir gerüstet sein würden“.
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