Die FAZ vom heutigen 7. Juli bringt einen Artikel von Boris Holzer über Hitlers Erfolg als Massen- redner. Untersucht wurden die Wirkungen seiner Massenreden auf die jeweiligen Reichtagswahl- ergebnisse am Ort der Auftritte. Das Ergebnis: Die Veranstaltungen hatten keinen Einfluss auf die Ergebnisse deer NSDAP; führten aber zu einer Demobilisierung von Anhängern anderer Parteien.
... Politikwissenschaftler der Universität
Konstanz und der Hertie School of Governance haben nun eine
datengesättigte Studie vorgelegt, die in bisher nicht gekannter
Tiefenschärfe die Zusammenhänge zwischen den Wahlkampfauftritten Hitlers
und den Wahlergebnissen der Jahre 1928 bis 1933 beleuchtet. Sie greift
zum einen auf eine umfangreiche Sammlung historischer Wahldaten auf der
Ebene einzelner Gemeinden und Wahlkreise zurück, zum anderen auf eine
Rekonstruktion aller öffentlichen Auftritte Adolf Hitlers in diesem
Zeitraum.
Auf diese Weise können sowohl die Strategie der Wahlkampagne der NSDAP
als auch mögliche Effekte auf die Wahlentscheidungen analysiert werden.
Strategisch waren die Reden Hitlers von großer Bedeutung, weil der
Rundfunk und die meisten Zeitungen den etablierten politischen Kräften
gewogen waren. Nachdem ein zeitweises Auftrittsverbot im Jahr 1927
aufgehoben worden war, absolvierte Hitler bis zur Reichstagswahl im März
1933 insgesamt 455 öffentliche Veranstaltungen mit geschätzt 4,5
Millionen Besuchern. Die Daten deuten darauf hin, dass die Orte seiner
Reden ausgewählt wurden, um möglichst viele potentielle Wähler zu
erreichen und als knapp antizipierte Wahlausgänge zu beeinflussen. Auch
die Erreichbarkeit spielte eine Rolle – erst ab 1932 nutzte Hitler auch
ein Flugzeug. Das spricht dafür, dass knappe Ressourcen gezielt
eingesetzt wurden.
Hinweise auf negative Zusammenhänge
Die Wahlergebnisse der NSDAP scheinen für
eine erfolgreiche Kampagne zu sprechen: Die Partei erhöhte ihren
Stimmenanteil von unter 3 Prozent bei der Reichstagswahl des Jahres 1928
auf über 37 im Jahr 1932. Doch inwiefern spielten die Auftritte Hitlers
dabei eine Rolle? Die Autoren prüfen, ob sich die Wahlergebnisse in
„exponierten“ Gebieten in einem Radius von 10 Kilometern um einen
Wahlkampfauftritt von jenen in nicht besuchten Gegenden unterscheiden.
Ein positiver Effekt auf die Stimmanteile lässt sich nicht feststellen,
im Zeitraum von 1928 bis 1930 jedoch ein negativer Zusammenhang mit der
Wahlbeteiligung. Eine Demobili- sierung der Wähler, die vor allem Anhänger
anderer Parteien betraf, war offenbar die Folge gewaltsamer
Einschüchterung durch die SA, einer regelmäßigen Begleiterscheinung der
Wahlkampfveranstaltungen.
Während sich
also kein signifikanter positiver Effekt der Hitler-Auftritte nachweisen
lässt, weisen die Ergeb- nisse der Reichstagswahlen von 1930 und 1932
sogar auf einen negativen Zusammenhang hin. In einem Zei- traum, in dem
die NSDAP die größten Zuwächse verzeichnete, zahlten sich die Auftritte
Hitlers also am wenigsten aus. Allein die kurze Kampagne während der
Reichspräsidentenwahl 1932 resultierte in zurechen- baren Stimmenzuwächsen
(die Stichwahl gewann aber dennoch Hindenburg).
Die Furcht vor
charismatischen Demagogen scheint also unbegründet zu sein. Selbst in
einem günstigen Umfeld bewirkt ihre Propaganda keine Wunder an der
Wahlurne. Die Ursachen des Aufstiegs und Erfolgs radikaler Parteien
liegen nicht in den Personen, sondern in den Umständen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen