Fergus Millar ist tot
Direkter Demokrat
Er provozierte eine der heftigsten Debatten in der jüngeren
Geschichte seines Faches: Zum Tod des englischen Althistorikers Fergus
Millar.
Von Simon Strauss
Auf Millars provokative – und bald als „revisionistisch“ gebrandmarkte – These reagierte das Fach wie ein aufgescheuchter Bienenschwarm, in dessen Bau jemand mit spitzem Stock hineingestochen hatte. Nahezu monatlich erschienen damals entrüstete Gegendarstellungen, etwa mit Verweis auf ungerechte Abstim- mungsmodalitäten und die einflussreiche Rolle der Versammlungsleiter. Aber die sogenannte „Fergus-Millar-Debatte“ setzte im Fach auch neue Energien frei, um sich mit der Frage nach dem tatsächlich zwitterhaften Wesen der römischen Republik und dem erstaunlich langlebigen Zusammenhalt von Elite und Masse zu beschäftigen. Statt staatsrechtlicher oder prosopographischer Erklärungen suchte man nun allerdings eher in der integrativen Wirkung politischer Kultur und ritualisierter Erinnerung die Gründe für diesen Zusammenhalt.
Fergus Millar, der nach seinem Wehrdienst
bei der Royal Navy in den fünfziger Jahren am Oxforder Trinity College
studierte und bei Ronald Syme über Cassius Dio promovierte, später
Nachfolger von Arnaldo Momigliano am University College London wurde und
danach für den Rest seines lehrenden Lebens nach Oxford zurückkehrte,
hatte sich vor seinen pointierten Aussagen zur Republik insbesondere mit
der kaiserlichen Verwaltung vom ersten bis vierten nachchristlichen
Jahrhundert beschäftigt. Der Versuch, den römischen Kaiser als
politischen Amtsträger zu fassen, der – im Büro arbeitend wie ein
moderner Beamter – auf Anfragen reagierte, schloss trotz heftiger
Abgrenzung von der deutschen staatsrechtlichen Forschung etwa eines
Theodor Mommsen im Grunde wieder an diese an. In Millars Person lebte
immer auch das Bestreben der englischen Forschung fort, ihre Eigenart zu
bewahren und gegen die im Fach allgegenwärtige deutsche Hegemonie zu
verteidigen. Nicht unbedingt die Antworten, die er gab, aber auf jeden
Fall die Fragen – auch die unbequemen –, die er stellte, haben dann aber
eher zu einer Annäherung beider Forschungskulturen geführt.
In späteren Jahren widmete sich Millar verstärkt den institutionellen Verschiebungen in der Spätantike und verfasste ein Standardwerk zur Ordnung des Oströmischen Reiches. Zuletzt war er nicht mehr bei der Alten Geschichte, sondern am Institut für Orientalistik angesiedelt. Am vergangenen Montag ist der 2010 von Queen Elizabeth geadelte und von seinen Schülern als „towering figure“ bewunderte Nestor britischer Altertumswissenschaft kurz nach seinem vierundachtzigsten Geburtstag gestorben.
In späteren Jahren widmete sich Millar verstärkt den institutionellen Verschiebungen in der Spätantike und verfasste ein Standardwerk zur Ordnung des Oströmischen Reiches. Zuletzt war er nicht mehr bei der Alten Geschichte, sondern am Institut für Orientalistik angesiedelt. Am vergangenen Montag ist der 2010 von Queen Elizabeth geadelte und von seinen Schülern als „towering figure“ bewunderte Nestor britischer Altertumswissenschaft kurz nach seinem vierundachtzigsten Geburtstag gestorben.
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