Mittwoch, 29. Mai 2019

Keltische Eisenindustrie.

aus derStandard.at, 28. Mai 2019             Etwa so dürfte die Keltensiedlung im Raum Schwarzenbach-Burgberg vor über 2.000 Jahren ausgesehen haben.

Die Kelten hinterließen vor 2.000 Jahren eine Industriewüste 
Forscher wiesen bei Oberpullendorf Tausende Eisenerz-Abbaustätten nach

Schwarzenbach/Oberpullendorf/Wien – Tausende Gruben, in denen Eisenerz gefördert wurde, großflächige Waldrodungen und eine stark befestigte, weitläufige keltische Siedlung: So etwa kann man sich die Gegend um das heutige Oberpullendorf im Burgenland vor 2.000 Jahren vorstellen. Archäologen haben in den vergangenen Jahren die bisher ungeahnten Dimensionen dieses früheren Zentrums der Eisenerzeugung mit neuen virtuellen Forschungsmethoden erfasst.

Seit rund 25 Jahren erforschen Wissenschafter des Ludwig Boltzmann Instituts für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie (LBI ArchPro) und der Universität Wien die Gegend im heutigen Grenzgebiet zwischen Niederösterreich und dem Burgenland rund um das keltische Freilichtmuseum am Burgberg in Schwarzenbach in der Buckligen Welt (Bezirk Wiener Neustadt-Land). Die Lage auf dem Burgberg gewährte den dort ansässigen Keltenfürsten einen guten Überblick über das weite Umland. Seine Blütezeit hatte der Ort im Zeitraum zwischen ungefähr 250 bis 15 vor unserer Zeitrechnung.

Eisen von berühmter Qualität

Der Schlüssel zum einstigen wirtschaftlichen Erfolg lag in der Eisenproduktion und dem Eisenhandel. Über die hohe Qualität des "ferrum noricum", des norischen Stahls, berichtete bereits Ovid in seinem "Metamorphosen" ([…] durior […] ferro quod noricus excoquit ignis […] ("hart wie Eisen und Stahl, in der norischen Esse geschmolzen"). In welchem Ausmaß dieses gewonnen und verarbeitet wurde, analysierte das Forschungsteam nun mittels digitaler Modelle des Geländes und anhand neuer Luftbilder. Zur Überraschung der Wissenschafter zeigte sich, dass es einst in der Gegend Tausende sogenannte Pingen – also Eisenerzgruben – gab.

Laut Schätzungen des Teams um den Leiter des Boltzmann-Instituts, Wolfgang Neubauer, wurden in einem Zeitraum von rund 150 Jahren zwischen 35.000 bis 60.000 Tonnen Eisenerz gefördert. Das entsprach wiederum rund 3.500 bis 6.000 Tonnen Eisen, die in und um diese wohl zu den wichtigsten Zentren des Königreichs Noricum gehörende Ortschaft erzeugt wurden.

Rekonstruktionen keltischer Häuser im Freilichtmuseum Schwarzenbach.

Bis zu 4.000 Hektar Wald gerodet

Eine Produktion dieses Ausmaßes hatte demnach auch enorme Auswirkungen auf die Umwelt, da es dazu großer Mengen an Holzkohle bedurfte. Es sei davon auszugehen, dass die Kelten in der Gegend 2.200 bis 4.000 Hektar Wald abgeholzt haben. Das derart entwaldete, mit Pingen durchlöcherte, verwüstete Gebiet bezeichneten römische Historiker als "Deserta Boiorum".

Inmitten dieses frühen Industriegebiets ließ es sich für die Elite aber offenbar gut leben: So konnten sich die Keltenfürsten nachgewiesenermaßen Pferde aus römischer Zucht leisten – obwohl das eigentlich nur römischen Bürgern vorbehalten war. Funde aus dem Handwerkerviertel von Schwarzenbach bezeugen, dass dort mit einem über die Zeit zunehmend abgenutzen Stempel Silbermünzen geprägt wurden.

So stellt man sich die umfangreiche Wallanlage rund um die Siedlung vor. 

Einzigartige keltischen Münzprägestätte

Es handle sich hier um den ersten gesicherten Nachweis einer keltischen Münzprägestätte in Österreich und den Beweis für den hohen Status des Ortes, der allerdings vor über 2.000 Jahren ein jähes Ende fand. Die Siedlung war zwar mit einem bis zu sieben Meter hohen Wall gesichert, ihren Untergang konnte diese jedoch nicht verhindern: Mindestens zwei Mal wurde die nun auf Basis der neuen Erkenntnisse virtuell rekonstruierte Siedlung angegriffen und schlussendlich auch zerstört.

Heute können sich Besucher trotzdem ein Bild vom damaligen Leben machen. Mit zwei neuen, vom Experimentalarchäologen Wolfgang Lobisser von der Uni Wien und einem Team aus Archäo-Technikern erbauten keltischen Wohngebäuden kann das an dem historisch bedeutenden Ort seit rund 15 Jahren bestehende Freilichtmuseum aufwarten. Die Eröffnung findet am Donnerstag (30. Mai) statt. (red, APA,)
 

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