Donnerstag, 16. Mai 2019

Merkel for Ratspresident.


aus Süddeutsche.de, 16. 5. 2019

... In wenigen Tagen wählen die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union ein neues Parlament. Die Gemeinschaft ist in der Krise, es wird mit Stimmengewinnen rechtspopulistischer Parteien gerechnet. Welche Verantwortung dafür trägt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die nach 14 Jahren im Amt trotz ihres für spätestens 2021 angekündigten Abschieds aus der Politik noch immer als mächtigste Frau Europas gilt? Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung hat Merkel jetzt wichtige Entscheidungen der vergangenen Jahre verteidigt: "Hätten wir in der Euro-Krise und in der Flüchtlingskrise nicht oder ganz anders gehandelt, hätte das meiner Meinung nach sehr viel schlimmere Folgen als manche Probleme heute gehabt."

Merkel war wegen der harten Sparauflagen für Krisenstaaten wie Griechenland als Austeritätskanzlerin kritisiert worden, die Europa in die reicheren Länder des Nordens und die ärmeren des Südens gespalten habe. In der Flüchtlingskrise seit 2015 kam der Vorwurf hinzu, die Kanzlerin habe ihre Entscheidungen ohne Abstimmung mit den europäischen Partnern getroffen und damit vor allem osteuropäische Regierungen verprellt. Merkel sagte: "Das sind keine Entscheidungen, die am Reißbrett entstehen, sondern Antworten auf das reale Leben." Weltweit seien knapp 70 Millionen Menschen auf der Flucht, deshalb sei es nachvollziehbar gewesen, "dass sich Europa mit gut einer Million davon befassen muss". Dass das zu gesellschaftlichen Kontroversen führe, verstehe sie. "Aber die müssen dann eben ausgetragen werden. " ...


Nota I. - An beiden Punkten - Griechenland und Flüchtlingskrise - hat Merkel den Charakter der Europäischen Union geprägt wie kein Politiker vor ihr. Dass sie in Deutschland kein Wahlamt mehr anstrebt, ist in Ordnung; dieser Rahmen ist für sie zu eng geworden. Aber die Verantwortung, den eingeschlagenen europäischen Weg zu einem guten Ende zu führen, sollte man ihr nicht vorenthalten. Wer könnte das besser als sie, die ihn vorgege- ben hat? Und wer hätte die Autorität dazu?

Angela Merkel muss neue Ratspräsidentin werden.


Nota II. -  Eben hat sie gesgt, das käme für sie nicht in Frage. Was aber ihre Autorität ausmacht, ist, dass sie als eine Führungsperson gilt, bei der Pragmatismus nicht Opportunismus bedeutet. Mit andern Worten, starken Gründen ist sie jederzeit zugänglich. Ein lauter Ruf wäre so eine starker Grund.
JE


 


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen