Donnerstag, 8. April 2021

Eine Frau von Vorvorgestern.

zeit.de

Chefredakteur Ulf Poschardt schreibt in der gestrigen Welt:

... Sahra Wagenknecht ist eine klassische Linke. Sie sieht auch – sehr markenbewusst – so aus. Sie denkt und argumentiert, knietief in der deutschen Klassik stehend, entlang marxistischer Kategorien. Für sie ist die Klassenfrage nicht erledigt, und deswegen erkennt sie im Theorie-soufflé der sogenannten Identitätspolitik das, was es ist: das Distinktionsbedürfnis kleinbür-gerlicher Intellektuellendarsteller und Zeitgeistopportunisten. Das schreibt sie in klaren Wor-ten so in ihrem neuen Buch, und schon wittern die Priester der urbanen Linken eine Chance, Wagenknecht als „rechts“ zu markieren und aus der Partei zu drängen, weil sie das neue Glau-bensbekenntnis der Opferreligionsfolklore verweigert.

„TERFs (Trans Exclusive Radical Feminists) wollen nur Menschen mit Uterus und XX-Chro-mosomen empowern“ twitterte zuletzt die Bürgerkinderoffensive namens Fridays for Future und bediente mit ihrem amüsanten Intersektionalismus eine Fiktion von Befreiungskämpfen, die vor allem zu marktgängigen Instagram-Accounts und steuerfinanzierten Kulturinstitu-tionen passt. Wagenknecht ist klug genug, dieses Schmalspurprogramm als „Lifestyle-Linke“ zu durchschauen.

Die beeindruckende Inkompetenz der neuen Linken-Führung schafft nun Raum für einen Konflikt, den zwei intellektuelle Frauen wie Wagenknecht und Katja Kipping stets hochklassig eingehegt hatten. Wagenknechts Buch „Die Selbstgerechten“ erregt bereits vor dem Erstver-kauf ihre Partei, weil auch die Zeitgeistsurfer und Opfermilieurepräsentanten wissen, wie recht sie hat. Vegane Besserverdiener und Rotwein trinkende Kuba-Nostalgiker wählen die Linke als Distinktion. Die Arbeiter*innen wählen AfD oder Union, weil sie sich nicht auch noch bei Linken für ihr Schweineschnitzel, ihre politisch unkorrekte Sprache oder den Traum vom Mallorca-Urlaub entschuldigen wollen. 

 

Nota. - Wenn Ulf Poschardt Sahra Wagenknecht eine "klassische Linke" nennt, lacht er sich dabei ins Fäustchen, denn er ist ein klassischer und doch nicht blöder Rechter; er meint damit nämlich: eine Frau von vorvorgestern. Ich knirsche mit den Zähnen, aber widersprechen kann ich nicht.

JE

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