aus derStandard.at, 29. 5. 2022 Eine Gruppe von Wölfen im Yellowstone National Park. Selbst
wenn einzelne Tiere keine eigenen Nachkommen haben, kann die
Mitgliedschaft in einer Gruppe die Überlebenschancen und die Chance auf
Weitergabe ihrer eigenen Gene erhöhen.
Selbstlosigkeit (Altruismus) bei der Aufzucht von Jungtieren anderer Eltern ist durch na-türliche Selektion erklärbar, denn die eigene genetische Fitness kann dadurch wachsen. Denn selbst wenn Individuen keine eigenen Nachkommen haben, kann die Mitgliedschaft in einer Gruppe die Überlebenschancen und die Chance auf Weitergabe ihrer eigenen Gene steigern, berichtet der österreichische Verhaltensforscher Michael Taborsky. gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen im Fachblatt "Science Advances".
"Bei vielen Tiergesellschaften werden die Jungtiere nicht nur von ihren Eltern, sondern auch von anderen Gruppenmitgliedern gepflegt, umsorgt und behütet", meinen Taborsky und Irene Garcia-Ruiz vom Institut für Ökologie und Evolution der Universität Bern: "So-lange es sich um Geschwister handelt, lässt sich die Evolution solcher Fremdbrutpflege leicht durch Verwandtenselektion erklären", meinen sie: "Die Weitergabe der genetischen Anlagen erfolgt über Vollgeschwister nämlich ebenso effizient wie über eigene Nachkommen."
Individualselektion
Es gibt laut den Simulationsmodellen der Forscher aber auch eine biologische Erklärung, wieso Betreuer sich um nicht-verwandte Pfleglinge kümmern. Das ist etwa der Fall, wenn sie von zugewanderten Gruppenmitgliedern stammen. "Dies passiert in vielen Gesellschaften, von sozialen Insekten bis zu Menschen", so die Forscher: "Dann steigert die Vergrößerung der Gruppe die eigenen Überlebenschancen." Hier wirkt also die sogenannte "Individualselek-tion".
Welcher der beiden Selektionsmechanismen in einer Gruppe vorherrscht, wird durch das Rundherum bestimmt, erklären die Biologen: Unter günstigen Umweltbedingungen ist die Verwandtenselektion von großer Bedeutung für die Entstehung altruistischen Verhaltens. "In einer gefährlichen Umwelt spielt Verwandtschaft aber keine große Rolle für die Evolution von altruistischer Brutpflegehilfe", erklärte Taborsky im Gespräch: Dann ist nämlich der eigene Sicherheitsvorteil durch die via Kooperation gesteigerte Gruppengröße wichtiger für die Evolution nicht-elterlicher Brutpflege.
Gefährliche Umgebungen
Auch das Alter der Individuen spielt dabei eine Rolle, ob sie die eigene Fitness am besten steigern, indem sie altruistisch handeln, sich also um die jüngeren Gruppenmitglieder kümmern und damit die Gruppengröße erhöhen, oder indem sie ausziehen, um eigene Nachkommen zu erzeugen, so der Forscher. In einer Umgebung mit gutem Nahrungsan-gebot und wenigen Fressfeinden sollten die Individuen zur Maximierung ihrer genetischen Fitness die Gruppe früh verlassen, in einer gefährlichen Umwelt hingegen erst in höherem Alter, um längere Zeit altruistische Brutpflege "zu Hause" zu leisten. (APA, red,)
Studie
Science Advances: "The evolution of cooperative breeding by direct and indirect fitness effects."