Freitag, 23. Oktober 2020

Panzerreiter und Feudalität.

FRANCE - CIRCA 2002: Scene of chivalry, miniature from Lancelot of the Lake, manuscript, France 15th Century. (Photo by DeAgostini/Getty Images)aus welt.de, 23. 10. 2020
 
Die Panzerreiter schlugen Löcher in die Reihen der Muslime
Mit gepanzerten Reiterkriegern schufen die Karolinger im 8. Jahrhundert eine Elitetruppe, die bald die mittelalterlichen Schlachtfelder beherrschte. Im Kloster Lorsch wird jetzt die Ausrüstung eines Ritters aufwändig rekonstruiert.
 
 
Als der karolingische Hausmeier Karl Martell im Jahr 732 zwischen Tours und Poitiers ein arabisches Heer besiegte, kämpften seine Franken weitgehend zu Fuß. Das Imperium, zu dem sein Sohn Pippin der Jüngere und der Enkel Karl der Große das Frankenreich erweiterten, wurde dagegen von Reitern erobert, genauer: Panzerreitern. Militärisch wie gesellschaftlich sollte diese Reform welthistorische Wirkungen zeitigen.
 
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Karl-Martell-Galerie 2: "Martells Widersacher Abd ar-Rahman ist auf diesem Gemälde von 1837 mit Rauschebart und Pfeil im Bein dargestellt. Er kam auf dem Schlachtfeld bei Poitiers um." CHARLES MARTEL (the Hammer) c.688-741. Founder of Carolingian dynasty, grandfather of Charlemagne. Battle of Poitiers 732 at which Charles stopped Islamic advance from Spain. Charles STEUBEN, Galerie des Batailles, Versailles
Karl "der Hammer" Martell – Retter des Abendlandes

Diese berittenen Krieger waren die Rolls-Royce-Reiter der damaligen Zeit, sagt Klaus Wirth, Leiter der archäologischen Denkmalpflege der Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim. Zu ihrem Bestand gehören Schwerter aus karolingischer Zeit. Sie wurden fotografiert, geröntgt und metallurgisch analysiert, um einen modernen Nachbau einer sogenannten Spatha schmieden zu können, eines zweischneidigen Schwertes, mit dem die Elite von Karls Truppen in die Schlacht zog. ...

Gepanzerte Reiter mit Bandhelmen und Rundschilden im Leidener Makkabäer-Codex, frühes 10. Jahrhundert 
Gepanzerte Reiter mit Bandhelmen und Rundschilden im Leidener Makkabäer-Codex, frühes 10. Jahrhundert

Denn die Ausrüstung eines berittenen Kriegers war eine enorm aufwendige und kostspielige Angelegenheit. Schild, Lanze, Lang- und Kurzschwert, eine mit Metallplatten benähte Lederweste, Eisenhelm und Beinschienen entsprachen einem Gegenwert von 18 bis 20 Kühen, ein Vermögen, wenn man bedenkt, dass auf einem durchschnittlichen Königshof etwa 45 Rinder gehalten wurden.

Hinzu kamen die Kosten für das Schlachtpferd und seine Ausrüstung. Ein ausgebildetes Tier konnte 800-mal mehr kosten als ein einfaches Arbeitspferd. Daher benötigte ein Reiter auch ein Tier für den Marsch und weitere für den Transport seiner Ausrüstung. Hinzu kamen Männer zu Fuß, die ihm beim Ankleiden halfen, sich um die Tiere sorgten und ihn gegebenenfalls im Kampf unterstützten.

Die Hauptrolle auf dem Schlachtfeld aber spielte in den folgenden Jahrhunderten der Panzerreiter. Er vervollkommnete die Taktik, im Verband mit angelegter Lanze gegen feindliche Linien anzustürmen. Bereits einige Hundert Mann reichten für solche Schockangriffe aus. Sie schlugen ein „Loch in die Mauern von Babylon“, beschrieb die staunende byzantinische Prinzessin Anna Komnene die Wirkung einer Kreuzfahrer-Attacke auf ein muslimisches Heer.

Dieser Aufwand für die Kriegsführung hatte tiefgreifende soziale Folgen. Um sich angemessen ausrüsten zu können, erhielten die fränkischen Reitersoldaten Landgüter, deren Überschüsse ein „ritterliches“ Leben ermöglichten. Diese Grundherrschaft ging nicht in den Besitz eines Stammes oder Clans über, sondern begründete eine feste Bindung zwischen dem einzelnen Ritter und dem Landesherrn. Es sollte nur wenige Generationen dauern, dass aus diesem persönlichen Vertragsverhältnis auf Zeit familiäre Besitztitel auf Dauer abgeleitet wurden, die die feudale Welt des mittelalterlichen West- und Mitteleuropas über Jahrhunderte hinweg prägten.

mit dpa
 
Nota. - Die Grundlage für die Ausbildung des feudalen Gesellschaftstyps war deer Zerfall der politischen Infrastruktur im weströmischen Reich gewesen, der als Folge den Niedergang der städtischen Zentren und den Rückzug des Grundadels auf seine ländlichen Güter mit sich brachte. So entstand die Villen-Wirtschaft, wo sich um die Landsitze der patrones Kreise von 'enkommendierten' Klienten bildeten, die wegen des Zerfalls der öffentlichen Strukturen bei potenten Privaten Schutz suchten.

Die Feudalität im Wortsinn - "Lehnswesen" - entstand, indem sich im Siedlungsgebiet der Franken von Gallien bis in die römische Germania Minor über die Villenwirtschaft das Netz der fränkischen Heeresorganisation legte.

Das mittellateinische Wort feudum und das frazösische fief gehen beide auf den deutschen Stamm Vieh zurück und haben mit Grund und Boden nichts zu tun. Wie das?
 
Obiger Beitrag macht es plausibel: Allgemeines Tauschmittel im fränkischen Gebiet war das Rind, gezählt wurde in capita, Köpfen, das französische cheptel für Herde und das weltweite Kapital stammen daher. Wollte der König seine Gefolgsleute wohlgenährt und wohlgerüstet sehen, musste er sie mit Viehherden zu ihrem Nießbrauch ausstatten. Und die Herden brauch-ten Weiden. Indem ein Ritter zum patronus über ein Dorf bestellt wurde, stand seiner Herde die dortige Gemeindewiese zur Verfügung, so wie im Allgemeinen nun der Feudalherr die An-gelegenheiten des Gemeinwesens gegenüber den Einzelhaushalten vertrat.

Das ist der Ursprung der Grundherrschaft. Es ist nur eine Schema, das für die Länder außer-halb der fränkischen Herrschaft und wohl selbst innerhalb nur mit tausend Varianten anwend-bar ist. Aber es ist das Grundmodell, das für die ersten Jahrhunderte die Dynamik und für die folgenden die Stagnation der Feudalordnung verständlich macht.
 
Noch pointierter wird der Niedergang der Feudalität in der Schlacht von Azincourt dargestellt, als das Heer der französischen Panzerreiter von den Langbögen der angelsächsischen Bauernkrieger vernichtend geschlagen wurde.
JE

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