Mittwoch, 14. Oktober 2020

Regieren und Wissenschaft.

Plato, aus Raffael, Die Schule von Athen

An sich, nämlich wissenschaftlich betrachtet, muss die Pandemie dort bekämpft werden, wo sie sich zeigt, und so, wie sie sich zeigt; je präziser, umso besser.

An sich - das heißt: ohne den Menschen betrachtet. Der ist ein Sprudel von Kontingenz und muss aus jeder wissenschaftlichen Fragestellung ausgeschlossen werden. 

Da aber die Pandemie darin besteht, dass sie Menschen ohn' Ansehen der Umstände erfasst, ist die wissenschaftliche Betrachtung nicht die politisch sinnvolle. Ein Glück, dass es so ist: Denn würden die Menschen vergessen, würde die Wissenschaft triumphieren, doch wenn die Wissenschaft triumphierte, würden die Menschen vergessen. 

Es bleibt dabei, was die Wissenschaft zu sagen hat, müssen die Wissenschaften entscheiden, und was die Politik zu entscheiden hat, entscheiden, und sei es durch Nichtstun, die Politiker. Es ist zu wünschen, dass sie, wenn sie schon selbst keine Wissenschaftler sind, der Wissen-schaft immerhin ihr Ohr leihen. 

Ein Kreuz bleibt, dass die Wissenschaft nur durch Zweifel und Streit voranschreitet. Bevor ein Thema ausgeschöpft ist, kann sie schwerlich mit einer Stimme sprechen. Der einzelne Politi-ker kann nur hoffen, dass sich der Wissenschaftler, dem er sein Ohr leiht, nicht irrt; andern-falls jagt sie das Publikum beide vom Acker. So ist der Lauf der Welt, und das Ärgerliche ist nur, dass in dem einen Fall sehr viele und im andern Fall ein paar weniger Leute zu Tode kommen.

 

 

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