Über mehr als zwei Millionen Jahre der Menschheitsgeschichte waren Faustkeile das Werkzeug der Wahl. Etwa 2,5 Millionen Jahre alt sind die ältesten der behauenen Steine, die charakteristisch für das Acheuléen der Altsteinzeit sind und von verschiedensten frühen Menschenformen hergestellt worden sein dürften. In der Mittleren Steinzeit Afrikas änderte sich dies. Im Olorgesailie-Becken im Süden Kenyas war der Wechsel vom Acheuléen zur Mittleren Steinzeit vor etwa 320 000 Jahren abgeschlossen: Die Steinwerkzeuge aus dieser Zeit sind diverser und feiner, man fand Hinweise auf den Gebrauch von Farbpigmenten. Obsidian, aus dem beispielsweise Pfeilspitzen hergestellt wurden, wurde über mindestens 25 Kilometer transportiert – so weit ist die nächste Quelle dieses vulkanischen Glasgesteins von Olorgesailie entfernt. Wieso kam es zu diesen Innovationen?
Eine Idee sind grossräumige Klimaveränderungen und auch tektonische Prozesse, die die Umwelt der frühen Menschen veränderten und Verhaltensanpassungen erforderten. Um mehr über die tatsächlichen lokalen Umweltbedingungen im Olorgesailie-Becken zu erfahren, haben Wissenschafter nun mit verschiedensten Analysemethoden einen knapp 140 Meter langen Erdbohrkern untersucht, der von einer etwa 25 Kilometer vom Olorgesailie-Becken entfernten Stelle im Koora-Becken stammt. Sie analysierten ihn Lage für Lage und konnten so sie die Umweltbedingungen der Gegend über fast eine Million Jahre rekonstruieren. Ihre Resultate beschreiben sie in der Fachzeitschrift «Science Advances».
Die Faustkeile der Altsteinzeit (links) wichen in der Mittleren Steinzeit diversen Werkzeugen.
Wie sich zeigte, blieben die Lebensbedingungen in der Gegend über die frühesten etwa 500 000 Jahre hinweg recht stabil. Es gab reichlich Süsswasser, trockene Perioden waren selten. Grosse Pflanzenfresser, die von einer verlässlichen Süsswasserquelle abhängig waren, lebten in Savannen mit einer Mischung aus Grasland und Bäumen. Vor etwa 470 000 Jahren allerdings begann sich dies zu ändern. Der Wasserstand und der Salzgehalt in den Seen der Region fluktuierten, trockene Perioden wurden häufiger, und auch die Vegetation änderte sich immer wieder – mal waren holzige Pflanzen dominant, dann wieder Gräser. In der Folge dieser Prozesse verschwanden die riesigen Pflanzenfresser, und an ihre Stelle traten kleinere, weniger stark vom Wasser abhängige Arten.
Insgesamt, so schliessen die Wissenschafter um Richard Potts vom Human Origins Program der Smithsonian Institution, waren die Ressourcen, auf die die früheren Hominiden noch hatten zählen können, weniger verlässlich geworden. Zudem war die Landschaft laut den Forschern kleinräumiger, tektonische Prozesse hatten Gräben entstehen lassen, die sie zerteilten. Die ökologischen Bedingungen konnten sich demnach selbst in relativer Nähe stark unterscheiden: Ein Erdbohrkern beispielsweise, der nur etwa zwanzig Kilometer weit von dem nun untersuchten gewonnen wurde, deutet laut den Forschern dort auf eine zunehmende Wüstenbildung hin.
Die Forscher vermuten nun, dass es die Kleinräumigkeit der Landschaft und auch die dadurch bedingte Unsicherheit der Ressourcen war, die den Übergang von der Alt- in die Mittlere Steinzeit begünstigte. Die frühen Menschenformen dort mussten neue Wege finden, mit der Unbeständigkeit ihrer Umwelt umzugehen. Dies leuchtet ein, sagt Christoph Zollikofer von der Universität Zürich. Doch was man beobachtet habe, sei ein zeitlicher Zusammenhang, kein Ursache-Wirkungs-Prinzip. So ist es laut dem Forscher auch möglich, dass die beobachteten Veränderungen der Steinwerkzeuge eine erhöhte Mobilität widerspiegeln: Das neue Ökosystem im Olorgesailie-Becken könnte die Besitzer der neuen Werkzeugkultur von anderswo her angezogen haben.
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