Samstag, 20. Juni 2020

Der transatlantische Sklavenhandel.

aus nzz.ch, 13.06.2020

Der Sklavenhandel – das blutigste Kapitel des britischen Wohlstands
Britische Sklavenhändler wurden nicht geächtet, weil sie in der Heimat auch Wohltäter waren. Das unmenschliche, aber bedeutende Geschäft trieb die wirtschaftliche Entwicklung voran.

von Benjamin Triebe

Als Demonstranten die Statue des Sklavenhändlers Edward Colston in das Hafenbecken von Bristol warfen, da fragten sich manche Briten: Warum stand sie dort überhaupt? Warum ehrte eine englische Stadt mehr als ein Jahrhundert lang einen Kaufmann, der schwarze Menschen verkaufte – so lange, bis die Black-Lives-Matter-Bewegung sein Standbild am vergangenen Sonntag vom Sockel riss? Das geschah aus demselben Grund, warum es in Bristol auch eine Colston-Konzerthalle, Colston-Schulen, Colston-Strassen, Colston-Pubs, ein Colston-Bürohochhaus und ein Colston-Fenster in der Kathedrale gibt. Das Vermögen aus dem Sklavenhandel hatte ihn zu einem der grössten Wohltäter und Gönner der Stadt gemacht. 

Perfektion des Slave-Trade

Colston ist kein Einzelfall. Der transatlantische Slave-Trade war in ganz Europa und besonders in Grossbritannien ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Alle grossen europäischen Seefahrernationen betrieben ihn, und die Briten besonders gut. «Die Briten haben den Sklavenhandel nicht begonnen, aber sie haben ihn perfektioniert», schreibt James Walvin, emeritierter Professor für Geschichte der Universität York. Er hat die Kaufleute und ihre Financiers bereichert, Industrien geprägt und die Wirtschaft des Landes verändert.

Zwischen dem Anfang des 16. Jahrhunderts und den 1860er Jahren wurden laut Walvin geschätzt zwölf Millionen afrikanische Männer, Frauen und Kinder versklavt und über den Atlantik verschifft. Etwa eine Million starb bei der Reise unter furchtbaren Bedingungen. Am Bestimmungsort boten die Händler sie in Auktionen feil. Mehr als drei Millionen Sklaven wurden via britische Händler transportiert, die von etwa 1640 bis 1807 in dem Geschäft mitmischten. Initiiert hatten den Slave-Trade zuvor die Spanier und Portugiesen, später stiegen die Niederländer ein.

Zeichnung der unmenschlich gedrängten Verhältnisse auf dem Liverpooler Sklavenschiff «Brookes», datiert auf 1791.

Das britische Königshaus rief im Jahr 1660 die Royal African Company ins Leben, um die niederländische Vorherrschaft zu brechen. Die Company erhielt das Monopol für den britischen Sklavenhandel; Edward Colston war kurzzeitig ihr Vizedirektor. Doch je lukrativer das Geschäft wurde, desto mehr drängten private Kaufleute in die Branche. Das Monopol der Royal African Company, die ihre Sklaven mit dem Brandzeichen «RAC» markierte, musste im frühen 18. Jahrhundert aufgegeben werden. Ein Dreiecksgeschäft über den Atlantik

Vereinfacht gesagt, war der Sklavenhandel ein Dreiecksgeschäft: Händler segelten von Europa nach Westafrika, beladen mit heimischen Produkten wie Kleidung, Waffen und Glasarbeiten. Diese tauschten sie gegen versklavte Ureinwohner, die im damaligen Empfinden als «Güter» wie jede andere Rohware galten. Die Sklaven wurden über den Atlantik gebracht und zur Arbeit auf Plantagen gezwungen, meistens im karibischen Raum, in Brasilien und den heutigen Vereinigten Staaten. Beladen mit durch Sklavenarbeit hergestellten Rohwaren wie Zucker, Rum, Tabak, Kaffee und Baumwolle traten die Händler die Rückkehr nach Europa an. Die Luxusgüter verkauften sie mit grossem Gewinn, beluden die Schiffe neu mit europäischen Erzeugnissen und segelten wieder gen Süden.

«Verglichen mit der damaligen Grösse der Weltwirtschaft war die Sklaverei ein gigantisches Geschäft», kommentiert der ehemalige IMF-Ökonom Peter Doyle in einem Beitrag für das britische Wirtschaftsforschungsinstitut Niesr. Es war ein internationaler Wirtschaftskreislauf, stark angetrieben von einem speziellen Motor: der Gier nach Zucker, der Produkte wie Tee, Kaffee oder Schokolade veredelte und so auch diese Nachfrage stimulierte.

Von britischen Sklavenhändlern

Farmer hatten Zuckerrohr als die ertragreichste und profitabelste Pflanzenart zum Anbau in der Karibik gewählt. Die grossen Plantagen verlangten nach viel Handarbeit, daher der hohe Bedarf nach Arbeitskräften. Die Zustände waren unmenschlich, nicht selten kam es zu Unfällen. Bei der maschinellen Raffination des Rohrzuckers wurden Macheten bereitgehalten, um Körperteile abzuschlagen, wenn Sklaven in die Anlagen gerieten, wie man im Stadtmuseum von Liverpool erfährt.

Liverpool als europäisches Zentrum

Liverpool übernahm von Bristol die führende Rolle im britischen Sklavenhandel und dominierte ab 1780 auch das europäische Geschäft. Die Stadt verband gute Verkehrswege mit der Verfügbarkeit von Handelswaren, welche die Sklavenhändler zum Eintauschen in Afrika brauchten, seien es Metallwaren aus Birmingham und Sheffield oder Textilien aus Lancashire. Nach den brasilianischen Häfen von Rio de Janeiro und der Region Bahia war Liverpool zeitweise der weltweit drittgrösste Anlegeplatz für die Schiffe der Händler auf ihrer Dreieckstour. Die Hauptstadt London kam auf den vierten Platz.

In einem ehemaligen Zuckerlagerhaus an den Londoner Anlegestellen erinnert heute das Docklands Museum an den Slave-Trade: Allein im Jahr 1781 erhielt Grossbritannien 55 000 Tonnen Zucker von Sklavenplantagen, der Gewinn pro verkauftem Zentner auf Londoner Märkten betrug umgerechnet etwa 120 Pfund nach heutigem Wert (150 Franken). Der Marktwert eines Sklaven belief sich auf rund 6000 Franken.

Auch London hat eine unrühmliche Vergangenheit

Vor dem Docklands Museum stand lange Zeit ein Standbild von Robert Milligan, einem schottischen Kaufmann und Sklavenhändler. Am Dienstag wurde es auf Initiative der Landbesitzer entfernt. Milligan war an der Konstruktion der Docks beteiligt, und ihm gehörten Zuckerplantagen in Jamaica. «Auch wenn es eine traurige Wahrheit ist, dass ein grosser Teil des Wohlstands unserer Stadt und unseres Landes auf dem Sklavenhandel beruht, so darf das nicht öffentlich gefeiert werden», kommentierte Londons Bürgermeister Sadiq Khan.

Tatsächlich floss der von den Sklavenhändlern erworbene Reichtum nicht nur in ihre herrschaftlichen Wohnsitze: Die Gewinne wurden reinvestiert, in Unternehmen und die Infrastruktur. Um die Warenströme zu bewältigen, wurden Flüsse und Kanäle verbreitert, neue Verkehrswege angelegt sowie Lagerhäuser gebaut. Gleichzeitig zog der Boom andere Branchen nach sich, nicht nur im Schiffsbau, sondern auch bei Banken und Versicherungen, die den Handel finanzierten und absicherten. Ein wichtiger Schritt für Londons Aufstieg zum internationalen Finanzzentrum war der Sklavenhandel.

Für eine wohlhabende englische Familie galten versklavte Afrikaner als Symbol von Reichtum und Status sowie als exklusive Accessoires, lässt sich im Liverpooler Museum erfahren. Derweil erhielt die wachsende Arbeiterschicht Zugang zu vorher unerschwinglichen Luxusgütern, vor allem zu Zucker. Der wachsende internationale Warenfluss und die Verfügbarkeit von Rohstoffen, darunter Baumwolle, halfen der Industriellen Revolution.

Erst ab den 1780er Jahren geriet der Sklavenhandel aus ethischen Gründen unter Druck. Die Ansicht, Menschen als Rohstoff und Handelsgut anzusehen, verlor an Unterstützung. Auch die wirtschaftliche Diskussion drehte, als man über künftigen Wohlstand nachdachte. Argumente für freie Arbeit und freie Handelsmärkte fanden Zulauf, gleichzeitig erwiesen sich die auf Sklavenarbeit basierenden Plantagensysteme als unflexibel.

In Grossbritannien, einem der grössten Profiteure des Sklavenhandels, erhob sich eine der stärksten Bewegungen zugunsten seines Endes. Hier wurde der Handel im Jahr 1807 verboten, in den britischen Kolonien dauerte die Sklaverei bis 1838. Auf den Baumwollplantagen der amerikanischen Konföderationsstaaten währte sie bis zum Bürgerkrieg, und in Brasilien, der letzten Bastion, gab es sie bis 1888. 


Nota. - Welches Kapitel des britischen Wohlstands das blutigste war, würde ich nicht zu entscheiden wagen.
JE


Quelle: BBC
Wealth of ports and merchants



Bristol
In the early 18th century Bristol dominated the British end of the slave trade. Bristol merchants established strong trade links with West Africa. The boom for Bristol was created through this slave trading success. Industries such as sugar-refining grew as a result of the slave trade. 


Liverpool
Liverpool also grew into a powerful city, directly through the shipping of slaves. By the end of the 18th century Liverpool controlled over 60 per cent of the entire British slave trade. Liverpool's cotton and linen mills and other subsidiary industries such as rope making created thousands of jobs supplying goods to slave traders. By the 1780s, Liverpool had become the largest slave ship building site in Britain 

Glasgow
Other ports such as Glasgow profited from the slave trade. In Glasgow the tobacco trade contributed hugely to the profits and development of the city. The 'tobacco lords' as the merchants of Glasgow became known, made a lot of money dealing in tobacco, not slaves. 

London
London was already trading in African slaves before 1700. It continued to be Britain's main port for slave ships, but merchants found other ways to make money. The Atlantic trade, including the slave trade, provided the impetus to develop merchant banking.



Growth of merchant banking
An engraving satirising the inside of the British stock exchange, showing rich upper class men dancing
A satirical engraving on upper class wealth in the British Stock Exchange

Merchants made their money from buying goods at low prices and selling them at high prices. But they didn't receive this profit until after the voyage and after the goods had been sold. A voyage could take six months or longer.

In the meantime, merchants had to finance the voyage, paying for the ship and sailors. They also carried the risk that the ship might be lost at sea. It was also up to the merchant to find outlets to sell the goods.
Specialist skills developed around each part of the process of trading. Financial, commercial, legal and insurance institutions emerged to support the activities of the slave traders:
  • David and Alexander Barclay set up Barclays Bank
  • Sir Francis Baring started Barings Bank
  • London became a centre for marine insurance. Lloyds of London, founded in 1688, is still the world's leading insurance marketplace.
Atlantic slave trade profits also went to anyone who was wealthy enough to buy shares in the newly invented joint stock companies.

The South Sea Trading Company was set up in 1711, and it invested in the slave trade and in plantations. Its shares were very popular and rose rapidly in value. This led to the first "boom and bust" in Britain, the South Sea Bubble of 1720. The profits from the South Sea Trading Company were spread throughout the upper classes.


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