Assurbanipal
aus spektrum.de, 14.11.2019
Neuassyrisches Großreich:
Zwangen Megadürren die Assyrer in die Knie?
Das
erste Großreich der Geschichte erstreckte sich vom Zweistromland bis
nach Ägypten. Doch sein Ende kam plötzlich. Scheiterte das neoassyrische
Großreich an Hunger und Dürre?
von Jan Dönges
Der Anfang vom Ende begann mit dem Tod von Assurbanipal um das Jahr
630 v. Chr. Binnen einer Generation zerfiel ein Reich, das sich auf
seinem Höhepunkt vom Zentrum von Mesopotamien, dem Zweistromland, bis in
den Mittelmeerraum und nach Ägypten ausgedehnt hatte. 612 v. Chr fiel
eine der Metropolen, die Hauptstadt Niniveh, angreifenden Medern und
Babyloniern zum Opfer. Das große neuassyrische Reich wurde unter seinen
Nachbarn aufgeteilt und war bald Geschichte.
Woher kam diese plötzliche Schwäche? Ein
Faktor könnte das Klima gewesen sein, urteilt nun ein Team um Ashish
Sinha von der University of California in einem Beitrag für das
Fachmagazin »Science Advances«.
In der Blütezeit des Reichs von 912 bis 650 v. Chr. herrschten in
Mesopotamien besonders günstige, weil feuchte Bedingungen. Doch die
regenreiche Phase mündete kurz nach dem Tod Assurbanipals in eine
Trockenphase, welche die Wissenschaftler als Megadürre bezeichnen.
Sie
stützen sich dabei auf die Analyse von Stalagmiten aus der Höhle
Kuna Ba im Norden des Iraks. Die einzelnen Schichten der Tropfsteine
verraten, wie sich die klimatischen Bedingungen während der Assyrerzeit
veränderten. Unter den dramatisch schlechteren Lebensbedingungen hätten
die Assyrer die vielfältigen Herausforderungen ihrer Herrschaft an den
Landesgrenzen und in den eroberten Gebieten nicht mehr meistern können, schreiben die Forscher.
Die
Reiche der Maya und der Khmer könnten ebenfalls solchen abrupten
klimatischen Veränderungen zum Opfer gefallen sein, vermuten manche
Wissenschaftler. Auch Beispiele aus jüngster Vergangenheit zeigen, unter
welchen politischen Stress ein Gemeinwesen gerät, wenn Dürren die
Ernten zerstören. Beim Fall des neuassy- rischen Reichs dürfte die
Trockenheit jedoch nur ein Faktor unter mehreren gewesen sein.
Historikern zufolge scheint es Assurbanipal und seinen Vorgängern nicht
gelungen zu sein, ein tragfähiges Verwaltungssystem in den eroberten
Landesteilen zu etablieren. Stattdessen dehnten sie die Grenzen ihres
Reichs durch Eroberungs- züge immer weiter aus.
Nota. - Klimatische und Naturkatastophen sind eins. Ein anderes ist die Fahigkeit der Gemeinwesen, deren Folgen zu beherrschen. Und da ist wäre der springende Punkt, dass Assurbanipal sein Reich in die Breite überdehnt hat, statt es strukturell in die Tiefe zu konsolidieren. Hätte er zu letzterem die Mittel gehabt oder fehlte bloß die Einsicht? Und so weiter... Die Suche nach einem "ausschlaggebenden Faktor" verliert sich meist in der Weite. Man kann schon froh sein, wenn sich Kraftlinien abzeichnen.
JE
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