aus süddeutsche.de, 19. November 2019 Grundrisse Urs sind aus der Luft deutlich erkennbar.
Mesopotamische Stadt Ur war viel größer als gedacht
- Die Stadt Ur im altertümlichen Mesopotamien war bis zu acht Mal größer als bisher vermutet.
- Das belegen Bilder von Spionageflügen aus dem Kalten Krieg.
- Die Studie könnte dabei helfen, das Leben der Menschen vor 5000 Jahren besser zu verstehen.
Spionageflüge
während des Kalten Kriegs haben Archäologen Jahrzehnte später
Erkenntnisse über die legendäre Stadt Ur beschert. Amerikanische
Flugzeuge hatten in den 1950er- und 1960er-Jahren detaillierte Aufnahmen
von Landstrichen im damals mit der Sowjetunion verbündeten Irak
gemacht. Darauf sind jedoch nicht nur militärische Einrichtungen und
kritische Infrastrukturen zu sehen, sondern auch die Überreste alter
Hochkulturen. Emily Hammer, Archäologin der University of Pennsylvania,
entdeckte auf den Bildern nun Spuren der altmesopotamischen Stadt Ur. Wie sie in einer im Fachblatt Iraq veröffentlichten Studie schreibt, könnte die Stadt bis zu acht Mal so groß gewesen sein wie bisher angenommen.
Ur
gehörte zu seiner Blütezeit zwischen 3800 und 500 Jahren vor Christus
zu den wichtigsten Städten der mesopotamischen Hochkultur. Davon zeugen
reiche Grabbeigaben, die Wissenschaftler bei den Ausgrabungen der
Königsgräber von Ur fanden. Auch für das Juden- und Christentum spielt
die Stadt eine bedeutende Rolle: Dort soll nach alttestamentarischer
Überlieferung die biblische Figur Abraham gelebt haben. Bisher war den
Archäologinnen jedoch unklar, wie diese offensichtliche Bedeutung der
Stadt mit der kleinen Fläche von gerade einmal 0,6
Quadratkilometern zusammenpasste.
Luftaufnahmen enthüllen verschüttete Bauwerke
Diese
Lücke schließen nun die neuen Entdeckungen. Wie die Analyse von
historischen Luftaufnahmen, aktu- ellen Drohnenbildern und Bodenproben
zeigte, könnte sich Ur zu Blütezeiten über bis zu 5 Quadratkilometer
erstreckt haben - und wäre damit genauso groß wie andere bedeutende
Städte Mesopotamiens. Im Vergleich mit heutigen Großstädten ist das zwar
winzig (München nimmt etwa eine Fläche von mehr als 300
Quadratkilo- metern ein), selbst das mittelalterliche London konnte aber
nicht an diese Größe heranreichen.
Luftaufnahmen helfen
Archäologen immer wieder, verschüttete historische Stätten zu
erforschen. Gerade Linien in der Landschaft, auffällige Strukturen im
Gelände, ungewöhnlich eingefärbte Sanddünen: All das verrät viel
darüber, was sich unter der Oberfläche verbirgt. Historische Bilder
haben einen großen Vorteil gegenüber aktu- ellen, viel besser aufgelösten
Fotos. Sie bieten ein Fenster in eine Zeit, in der die Region weitaus
dünner besiedelt und kaum industriell oder landwirtschaftlich
erschlossen war, sodass Hinweise auf antike Stätten noch nicht
unwiederbringlich zerstört waren.
Auf
den militärischen Bildern können Fachleute erkennen, dass der Fluss
Euphrat, Lebensader der mesopotami- schen Hochkultur, im ersten
Jahrtausend vor Christus noch nahe der Stadt entlangfloss. Heute liegen
die Über- reste von Ur jedoch mitten in der Steppe, das ehemalige
Flussbett ist ausgetrocknet. Den Untergang der Stadt besiegelte ein
babylonischer König, der Ur unter seine Kontrolle gebracht hatte. Die
zuvor unabhängigen Städter begehrten dagegen auf. "Daraufhin wurde ihnen
das Wasser abgestellt, der Euphrat anders kanalisiert und das Leben
dort war nicht mehr möglich," erklärt Adelheid Otto vom Institut für
Vorderasiatische Archäo- logie der Uni München in einer Mitteilung zu von
der aktuellen Studie unabhängigen Ausgrabungen. "Diese blühende Stadt
ist binnen kürzester Zeit zu einem Haufen Staub geworden."
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