Ein "menschenwürdiges Leben" kommt mit überraschend wenig Energie aus
Forscher: Wohlstand und Überfluss heizen die Nachfrage deutlich stärker an als die Deckung der Grundbedürfnisse
Wien – Wie viel Energie braucht man wirklich, um ein
"menschenwürdiges Leben" – "a decent living", wie es Forscher im
Fachjournal "Nature Energy" nennen – zu führen? Die Antwort:
überraschend wenig. Zu diesem Schluss kommt das Team um Studienleiterin
Narasimha Rao vom Internationalen Instituts für angewandte Systemanalyse
(IIASA) in Laxenburg bei Wien, nachdem es Brasilien, Indien und
Südafrika als Beispiele untersucht hat.
"Es wird seit langem befürchtet, dass wirtschaftliche Entwicklung und Klimaschutz nicht vereinbar sind", sagt Rao. Denn das Wachstum, das erforderlich ist, um Milliarden von Menschen aus der Armut zu befreien, würde es unmöglich machen, die Nettoemissionen auf Null zu senken. Diese Annahme galt es nun zu überprüfen.
Es ginge gar nicht so schwer!
Für ihre Studie haben die Wissenschafter eine neue Methode entwickelt, die erstmals ermöglicht, die Energienachfrage zur Beseitigung der Armut von jener für das allgemeine Wirtschaftswachstum getrennt zu betrachten. Am Beispiel von Brasilien, Indien und Südafrika konnten sie zeigen, dass der notwendige Energiebedarf, um allen einen angemessenen Lebensstandard bereitzustellen, deutlich unter dem derzeitigen jeweiligen nationalen Energieverbrauch und auch deutlich unter dem durchschnittlichen globalen Pro-Kopf-Verbrauch liegt.
Die notwendige Energie für die Bereitstellung einer guten Gesundheitsversorgung und Bildung ist demnach weitaus geringer als jene für Infrastruktur, Transit und Gebäude. Dieser Energiebedarf kann jedoch weiter reduziert werden, wenn die Länder umfangreiche, erschwingliche öffentliche Verkehrsmittel bereitstellen und lokale Materialien im Gebäudebau verwenden.
Was wirklich Energie frisst
"Wir hatten nicht erwartet, dass der Energiebedarf für ein minimal menschenwürdiges Leben so gering sein würde", so Rao. Es sei auch überraschend, dass die grundlegendsten menschlichen Bedürfnisse in Bezug auf Gesundheit, Ernährung und Bildung energietechnisch günstig sind.
Der Studie zufolge treiben Wohlstand und Überfluss die Energienachfrage deutlich stärker an als die Deckung der Grundbedürfnisse. In den untersuchten Ländern werde voraussichtlich der Großteil des künftigen Energie- wachstums der Mittelschicht und den Wohlhabenden zugutekommen, selbst wenn die Regierungen die Armutsbekämpfung in den Vordergrund stellen. Aus diesem Grund sollte dem Lebensstil und seiner Entwicklung in Schwellen- und Entwicklungsländern besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, betonten die Forscher. (red, APA)
Abstract
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