Dienstag, 30. März 2021

Merkels wichtigstes Argument ist sie selbst

In der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung schreibt Nico Fried unter der Überschrift Merkels wichtigstes Argument ist sie selbst:

... So bleibt Merkel nur eine offene Konfrontation, wenn die Pandemie nicht völlig außer Kontrolle geraten soll. Die Kanzlerin warnt nun all jene Ministerpräsidenten, die trotz stei-gender Infektionszahlen die Notbremse schleifen lassen. Aber vor was genau warnt sie eigentlich? Die formalen Druckmittel, über die Merkel verfügt, sind kompliziert, strittig und in der Regel auch nur anzuwenden, wenn die Länder im Bundesrat ihrer eigenen Entmachtung zustimmen. Deshalb sind das auch nicht die Mittel, auf die Merkel tatsächlich setzt. Das wichtigste Argument der Kanzlerin ist sie selbst.

Bei allen Versäumnissen: Merkel steht immer noch im Ruf, mit ihrem vorsichtigen Kurs häufiger richtig gelegen zu haben als die Länderchefs im Ensemble. Deshalb hat sie auch am Sonntagabend noch mal ausführlich an die Verzögerungen vor der zweiten Welle erinnert. Ihr Fehlereingeständnis vergangene Woche, selbst von der Opposition mit Respekt quittiert, dürfte ihrem Ansehen auch nicht geschadet haben.

Und dass sie den Ministerpräsidenten, CDU-Chef und potenziellen Kanzlerkandidaten Armin Laschet von ihrer Kritik an einer zu freien Interpretation der Notbremse nicht ausnahm, ist auch als Zeichen zu verstehen: Merkel wird im Kampf gegen die Pandemie keine Rücksichten mehr auf den Kampf ums Kanzleramt nehmen. Mal ganz abgesehen davon, dass letzterer ohnehin verloren geht, wenn der erste nicht gewonnen wird.

Die Kanzlerin hat die jüngste Ministerpräsidentenkonferenz als Zäsur bezeichnet und eine neue Form des Austauschs zwischen Bund und Ländern angekündigt. Wie der aussehen soll, hat sie nicht ausdrücklich gesagt, aber man versteht es auch so: Die Ministerpräsidentenkon-ferenz findet jetzt faktisch in aller Öffentlichkeit statt. Man wird das schon bald erleben, wenn es um die Frage eines harten Lockdowns geht.

Merkel wirft damit in die Waagschale, was ihr an Ansehen und Vertrauen noch geblieben ist. Weil das deutlich weniger ist als noch vor einem Jahr, ist das Unternehmen nicht ohne Risiko, für sie wie für das Land. Denn wenn die widerwilligen Ministerpräsidenten nicht beidrehen und die Kanzlerin keine Handhabe gegen sie findet, ist sie politisch erledigt - und die Pandemie-Bekämpfung rutscht weiter ins Chaos.

 

Nota. - Sicher bin ich nicht der einzige, der immer wieder mal gehofft hat, dass Merkel nun endlich Nägel mit Köpfen macht. Nicht einmal der einzige, der darunter verstand: im eigenen Laden aufräumen. Sie hat es nie getan, sie hat immer taktiert und kompromisselt, worin ja ihre Stärke lag. Für das Flottmachen der CDU zur Achse einer neuen dynamischen Mitte möchte das ohnehin nie gereicht haben. Der eigentliche Mangel war aber, dass sie darin auch nie ihre Aufgabe erkannt hat. Ihr hat gereicht, dass sie als Kanzlerin Deutschland führen kann. Wer nach ihr kommt, hat sie nie wissen wollen, denn er hätte ihr unterwegs nahekommen müssen.

Wie das Schicksal so spielt, geht es jetzt um ihr Vermächtnis. Und siehe da: Es geht eben doch um die CDU. Hat sie als Vorsitzende versäumt, klar Schiff zu machen, so muss sie es jetzt halb von außen, nämlich aus dem Kanzleramt versuchen. Und jetzt ist es mit deen Händen zu grei-fen: Eine Neugruppierung der zukunftswilligen Mitte ist unumgänglich. Welche Rolle, und ob überhaupt, dabei die CDU spielen wird, ist zweitrangig. Zu befürchten ist bloß, dass ein ande-rer sie gar nicht spielen könnte, wenn er auch wollte.

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