Störtebeker GmbH & Co. KG
Klaus Störtebeker soll ein tollkühner Seeräuber und ein barmherziger
Helfer der Armen gewesen sein. Alles Quatsch, sagen Historiker jetzt: Er
war Inkasso-Unternehmer.
Von
Sebastian Balzter
Für einen Mann, der vor rund 600 Jahren gelebt hat, ist Klaus Störtebeker erstaunlich populär. Auf der Insel Rügen gibt es ihm zu Ehren jeden Sommer opulente Festspiele, eine Brauerei aus Rostock hat ein Bierglas nach ihm benannt, und im „Was ist Was“-Buch über Piraten, dem Zentralorgan für Seeräuberfragen, wird er als „Robin Hood der Meere“ gefeiert. Dass er nach seiner Enthauptung als kopfloser Torso an elf seiner Getreuen vorbeigelaufen sein soll, um sie gemäß einer vorher getroffenen Abmachung mit dem Scharfrichter vor der Todesstrafe zu bewahren, erhöht den wohligen Grusel beim Publikum aller Altersklassen. Seinen Platz im kollektiven Gedächtnis als Deutschlands furchtloser Vorzeigepirat hat Störtebeker sicher.
Für einen Mann, der vor rund 600 Jahren gelebt hat, ist Klaus Störtebeker erstaunlich populär. Auf der Insel Rügen gibt es ihm zu Ehren jeden Sommer opulente Festspiele, eine Brauerei aus Rostock hat ein Bierglas nach ihm benannt, und im „Was ist Was“-Buch über Piraten, dem Zentralorgan für Seeräuberfragen, wird er als „Robin Hood der Meere“ gefeiert. Dass er nach seiner Enthauptung als kopfloser Torso an elf seiner Getreuen vorbeigelaufen sein soll, um sie gemäß einer vorher getroffenen Abmachung mit dem Scharfrichter vor der Todesstrafe zu bewahren, erhöht den wohligen Grusel beim Publikum aller Altersklassen. Seinen Platz im kollektiven Gedächtnis als Deutschlands furchtloser Vorzeigepirat hat Störtebeker sicher.
Mit der Wahrheit hat das
alles jedoch herzlich wenig zu tun, sagt der Frankfurter Historiker
Gregor Rohmann, der seit bald zwanzig Jahren die Geschichte der
maritimen Gewalt im Mittelalter erforscht. „Störtebeker war ein
wohlsituierter Danziger Bürger, der erst lange nach seinem Tod zum
Piraten stilisiert wurde, der ohne staatliche Befugnis und zur
persönlichen Bereicherung auf dem Meer Beute machte“, fasst der
Historiker seine Erkenntnisse zusammen.
Bier und Stockfisch statt Gold und Silber
Das klingt erst einmal enttäuschend: Nimmt
uns da die Wissenschaft einen Helden weg und gibt uns einen langweiligen
Pfeffersack zurück? Je mehr Rohmann ausholt, desto spannender wird die
Sache dann aber. Schließlich ist die Frage, wo das Geschäft aufhört und
das Verbrechen anfängt, brennend aktuell. Das Euro- päische Hansemuseum
in Lübeck widmet dieser Störtebeker-Interpretation folgerichtig eine
Sonderausstellung, die gerade eröffnet worden ist. Störtebeker war
demnach der Kapitän eines Handelsschiffes, der sich ein zusätzliches
Geschäft als „Security-Dienstleister und Inkasso-Unternehmer“ aufbaute.
Die Gelegenheit dazu gab ihm der Umstand, dass Nord- und Ostsee im
Mittelalter juristische Grauzonen gewesen sind, wo die Anrainerstaaten
noch kein Monopol auf die Ausübung von Gewalt hatten.
Da gehörte es
laut Rohmann zum üblichen Geschäftsgebaren unter Kaufleuten aus
verfeindeten Städten, sich gegenseitig Schiffe oder deren Ladung
wegzunehmen, meistens Bier
und Stockfisch, Getreide und Salz, nie dagegen Gold, Silber und
funkelnde Edelsteine. „Nett waren die alle nicht. Aber es ging dabei
weniger um Kriminalität als um den Zugang zu Märkten und Waren, um
Privilegien“, urteilt Historiker Rohmann im Nachhinein.
Den Beleg dafür
sieht er in den überlieferten Schadenersatzklagen und den Verhandlungen
über Lösegeld, Entschädigungen und Vergleichszahlungen. Man rechnete
lange Listen von Untaten gegeneinander auf, und dann schickte man einen
Mutigen wie Störtebeker los, um die fein säuberlich verbrieften
Ansprüche einzutreiben. Es gab sogar schon eine Art Wertpapierhandel mit
diesen Inkasso-Briefen. So fortschrittlich war das Mittelalter.
Sebastian Balzter ist Redakteur in der Wirtschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
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