Ein Bewunderer von AKK bin ich nicht. Doch wo sie Recht hat, hat sie Recht:
aus FAZ.NET,
Von
Peter Carstens,
Berlin
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) wirbt für stärkere Verteidigungsanstrengungen Deutschlands und seiner europäischen Partner. Die Vorstellung einer „strategischen Autonomie“, die unabhängig ist von den Vereinigten Staaten, halte sie aber für falsch, so die Ministerin bei einer Grundsatzrede vor Studierenden der Universität der Bundeswehr. „Ohne die nuklearen und konventionellen Fähigkeiten Amerikas können Deutschland und Europa sich nicht schützen. Das sind die nüchternen Fakten“, so die Ministerin. Sie reagierte damit auf Äußerungen des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron, der sich besorgt über nachlassende Bemühungen um mehr europäische Selbständigkeit geäußert hatte.
Kramp-Karrenbauer sagte, Deutschland und Europa bräuchten Amerika auch weiterhin. „Das Paradox müssen wir aushalten: Wir bleiben von Amerika abhängig und müssen gleichzeitig mehr tun von dem, was die Amerikaner bisher übernommen haben.“ Die Ministerin stellte fest: „Die USA stellen derzeit 75 Prozent der Nato-Fähigkeiten.“ Nahezu 100 Prozent der ballistischen Abwehrfähigkeiten seien amerikanisch. Rund 76.000 amerikanische Soldaten dienten in Europa. „All das zu kompensieren, würde nach seriösen Schätzungen Jahrzehnte dauern.“ Deutschland habe ein besonderes Interesse daran, dass Amerika weiterhin in Europas Verteidigung engagiert bleibt. Die Ministerin sagte zudem: „Nur wenn wir unsere eigene Sicherheit ernst nehmen, wird Amerika das auch tun, das hat auch der französische Staatspräsident gerade festgestellt – und ich stimme zu.“ Die Idee einer strategischen Autonomie Europas gehe zu weit, wenn sie die Illusion nähre, „wir könnten Sicherheit, Stabilität und Wohlstand in Europa ohne die Nato und ohne die USA gewährleisten“.
Die Europäer sollten Amerika unter dem neuen Präsidenten Joe Biden ein gemeinsames Angebot unterbreiten, einen „New Deal“. Deutschland müsse seine Verteidigungsfähigkeit weiter ausbauen, sich zur nuklearen Teilhabe bekennen und eine gemeinsame Agenda Europas mit Amerika suchen und wollen.
Die Ministerin bezeichnete die russische Rüstungspolitik als eine „empfindliche Störung des strategischen Gleichgewichts“, sowohl die konventionelle als auch die nukleare Raketenausrüstung Russlands gäben Anlass zur Sorge, sagte Kramp-Karrenbauer. Vor dieser „unbequemen Wahrheit“ dürfe man nicht die Augen verschließen. Mit Macht würden verschiedene Länder versuchen, in die europäischen Demokratien und deren Institutionen einzudringen und diese zu steuern. „Manche bauen mit unterschiedlichen Methoden aggressiv ihren Einfluss in Europa aus, um in unseren Ländern und unseren Institutionen mitzuregieren.“ Und weiter: „Unser Wohlstand, unser friedliches Miteinander werden ganz real bedroht.“
Zugleich, so Kramp-Karrenbauer, veränderten sich die transatlantischen Gemeinsamkeiten. Es sei fraglich, ob Amerika noch denselben Blick auf Europa habe wie früher. Schon innerhalb Europas werde Russland von Riga oder Stockholm aus anders gesehen als von Madrid oder Paris aus. Die europäischen Nato-Staaten beobachteten sehr genau, ob der noch amtierende amerikanische Präsident Donald Trump noch weitreichende Entscheidungen zur amerikanischen Präsenz in Afghanistan treffen könnte. Trump hatte angekündigt, die amerikanischen Truppen in Afghanistan und im Irak drastisch zu reduzieren.
In der Diskussion mit jungen Offizieren betonte die Verteidigungsministerin, dass auch auf die Marine höhere Anforderungen zukämen, um den freien Handel zu schützen. Sie kündigte an, im kommenden Jahr ein Schiff der Marine in den indo-pazifischen Raum zu entsenden, ein Vorhaben, das die SPD heftig kritisiert. Die Ministerin sagte: „Wir werden Flagge zeigen für unsere Werte, Interessen und Partner.“ Eine eigene europäische Streitmacht sei „eine Vision unter vielen anderen“. Wer am Ende „diesen großen Schritt“ gehen wolle, müsse zuvor die vielen notwendigen kleinen Schritte gehen, um Europas Streitkräfte handlungsfähig zu machen. Die Kosten einer strategischen Autonomie würden ungleich höher ausfallen als die zugesagten zwei Prozent.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen