Donnerstag, 19. November 2020

Salz im Altertum.



aus welt.de, 15. 11. 2020                           Kopf von Salzmann 1 in dem Bergwerk von Chehrabad. Er lebte im 3. Jahrhundert n. Chr.

Sie starben beim Abbau eines lebenswichtigen Stoffes
In einem antiken Bergwerk in Persien wurden bislang acht mumifizierte Arbeiter geborgen, die bei Katastrophen ums Leben kamen. Wie beim Eismann Ötzi fördern die Untersuchungen verblüffende Details ihrer Lebenswelten ans Licht.

Salz ist überlebenswichtig. Es regelt den Wasserhaushalt im Körper, ist essenziell für die Arbeit der Nervenzellen, fördert Stoffwechselvorgänge. Daneben gibt es Speisen Geschmack und kann ihre Rohstoffe konservieren. Kein Wunder also, dass Homo sapiens früh die Verbindung aus Natrium und Chlorid zum „weißen Gold“ erklärte, das „du bei allen deinen Opfern (an Gott) darbringen sollst“, wie es im 3. Buch Mose des Alten Testaments heißt.

 

 

Damit wird das weiße oder graue Mineral auch zu einem Leitmedium der Kulturgeschichte. Denn die Form seines Abbaus, seines Handels, seiner Verarbeitung liefert wichtige Nachrichten über die Lebensumstände und Zeitläufte seiner Konsumenten. Ein Beispiel dafür bietet ein archäologischer Fundort, auf dem seit den 90er-Jahren wiederholt spektakuläre Entdeckungen für Furore sorgten: Im Nordwesten des Iran kam ein 2500 Jahre altes Salzbergwerk ans Licht, in dem die Mumien mehrerer verschütteter Arbeiter konserviert wurden.

 

Thomas Stöllner, Archäologe an der Universität Bochum und Leiter der Abteilung Forschung am dortigen Deutschen Bergbau-Museum, und Abolfazi Aali vom Zanjan Saltmen and Archaeological Museum in Zandschan, haben in der Zeitschrift „Archäologie in Deutschland“ jetzt einen Zwischenbericht ihrer Forschungen vorgelegt.

1993 hatten Arbeiter aus dem Bergwerk Chehrabad an dem Salzstock Douzlakh in der Provinz Zandschan Teile eines menschlichen Körpers entdeckt, der erstaunlich gut erhalten war. Nachdem 2004 eine zweite Mumie geborgen wurde, startete die iranische Antikenbehörde eine Notgrabung, die 2005 zwei weitere Tote zutage förderte. Inzwischen kamen acht Leichen ans Licht, die – ähnlich wie die Eismumie des Ötzi – im Rahmen eines internationalen Programms mit Unterstützung von Deutscher Forschungsgemeinschaft und Gerda-Henkel-Stiftung und weiteren Geldgebern analysiert und konserviert werden. Die Ausstellung „Tod im Salz – Eine archäologische Ermittlung in Persien“ in Frankfurt/M. und Bochum ist in Vorbereitung; ihre Eröffnung hängt von der Corona-Lage ab.

„Das Bergwerk von Chehrabad hat nach mehr als 20 Jahren Forschung Belege dafür geliefert, dass der Bergbau vor allem in Zeiten florierte, in denen eine zentrale Herrschaft den Abbau kontrollieren und die Verteilung übernehmen konnte“, schreiben Stöllner und Aali. Das leisteten im Altertum die Großreiche der Achämeniden und Sasaniden, nach der muslimischen Eroberung Seldschuken, Mongolen und Sawafiden.

Gute Belege dafür bietet der sogenannte Salzmann 4, der durch seine vollständige Erhaltung zu einer Ikone des Fundortes geworden ist. Er erstarrte ihn der Bewegung, mit der er sich vor dem Steinschlag unter Tage zu schützen suchte, der vermutlich durch ein Erdbeben ausgelöst worden war. Der 15- oder 16-Jährige stammte nicht aus der näheren Umgebung, sondern war, wie seine Isotopenwerte belegen, wohl am Ufer des Kaspischen Meeres aufgewachsen. Um 400 v. Chr. kam er an den Douzlakh. Zu jener Zeit erschütterte der Aufstand des jüngeren Kyros gegen seinen Bruder und Großkönig Artaxerxes II. das Persische Weltreich, das die Krise aber überwand und bis zur Eroberung durch Alexander den Großen 331. v. Chr. intakt blieb.

Über mehr als 2000 Jahre hinweg wurde in dem Bergwerk Chehrabad am Salzstock Douzlakh in der westpersischen Provinz Zandschan Salz gefördert

Auch die älteren Salzmänner 3, 5 und der erst unlängst entdeckte 8 wurden bei derselben Grubenkatastrophe vor gut 2400 Jahren getötet. Für 3 und 5 gilt ebenfalls, dass sie einen Teil ihres Lebens in weiter entfernten Regionen wie Zentralasien oder am Kaspischen Meer verbracht haben. Ihre Tätigkeit Bergwerk „konnte eigentlich nur im Rahmen eines staatlich organisierten ,bandaka‘ geschehen, einem Arbeitsdienst, in dem alle Männer als königliche Untertanen einen auferlegten Dienst leisten mussten“, folgern Stöllner und Aali, die zusammen mit Natascha Bagherpour-Kashani vom Archäologischen Museum Frankfurt/M. das internationale Programm koordinieren.

Dass es sich bei den Toten vermutlich um spezialisierte Wanderarbeiter und nicht um Sklaven handelte, belegen Konstitution und Ausrüstung von Salzmann 4. Er war gut genährt, trug eine Wolltunika mit Fellumhang, Federschuhe und Ohrringe. Auch besaß er einen Dolch und mehrere Gefäße. Da in den entsprechenden Schichten im Bergwerk kaum Holzschäfte für Eisenwerkzeuge gefunden wurden, vermuten die Wissenschaftler, dass ihm Holz nicht in großen Mengen zur Verfügung stand.

Der vollständig erhaltene Salzmann 4 erstarrte in der Bewegung, mit der er sich vor dem Steinschlag unter Tage zu schützen suchte

Wie seine Kollegen ernährte sich Salzmann 4 von Früchten, Gemüse und dem Fleisch von Ziegen, Schafen oder Rindern. Diese Nahrungsmittel konnten länger transportiert werden, trugen allerdings auch hygienische Gefahren in sich. So haben Stöllner und seine Kollegen in den konservierten Darmüberresten einer Salzmumie Eier eines Bandwurms nachgewiesen. Diese unangenehmen Parasiten werden durch den Verzehr von rohem oder nicht ausreichend durchgegartem Fleisch übertragen.

Das von den Arbeitern gebrochene Steinsalz wurde über große Entfernungen über uralte Trassen gehandelt, für deren Sicherheit der Großkönig und seine Satrapen sorgten. Da der Iran selbst über zahlreiche leicht erreichbare Vorkommen verfügte, wurde das „weiße Gold“ vom Douzlakh vermutlich als Qualitätsware in Blöcken gehandelt. „Der Stoff ,madukka‘, ein aus der elamischen Sprache stammendes Wort, durfte bei keinem Festmahl am achämenidischen Hof fehlen“, schreiben Stöllner und Aali: „War damit das reine, weiße, wohlschmeckende Salz gemeint?“
  Fragmente von sasanidischen Holzwerkzeugen (Griffe, Keile)

Unter den makedonischen Seleukiden, den Nachfolgern Alexanders des Großen, und den Parthern wurde der aufwendige Bergbau in Zandschan aufgegeben. Erst die persische Dynastie der Sasaniden, die ab 224 n. Chr. mit ihrem Großreich in direkte Konkurrenz zu Rom traten, nahm den Betrieb am Douzlakh wieder auf. Und wieder ereigneten sich um 300 und 600 Unglücke, denen dann die Salzmänner 1, 2, 6 und 7 zum Opfer fielen.

Ihre Arbeitsweise unterschied sich deutlich von der ihrer Vorgänger. Sie schlugen nicht mehr große Blöcke aus dem Salz, sondern förderten es als klein gehacktes Stücksalz, das in Säcken und Körben von Eseln oder Maultieren aus dem Bergwerk geschafft wurde. Auch dienten ihnen nicht mehr Öllampen als Lichtquellen, sondern größere Feuerplätze. Diese „gaben Licht, ermöglichten aber auch die Reparatur der häufig beschädigten Schäftungen aus Pappelholz“, schreiben Stöllner und Aali: „Die Feuerplätze waren aber sicher auch Orte der Kommunikation oder auch der Arbeits- und Essenspausen.“

Anders als die Salzmänner der Achämeniden kamen die Arbeiter aus der Umgebung, in der sich inzwischen einiges getan hatte. Unter den Sasaniden entstand in der Region ein Bewässerungssystem, das intensive Landwirtschaft ermöglichte. Nun diente das abgebaute Salz offenbar vor allem der Versorgung der näheren Umgebung und weniger den Höfen der Herrscher und ihrer Statthalter.

Nach der Eroberung Persiens im 7. Jahrhundert durch die Araber verfielen – ähnlich wie im Norden Syriens – die wirtschaftlichen Strukturen. Erst ab dem 13. Jahrhundert wurde in Chehrabad wieder nach Salz gegraben, diesmal für die Märkte urbaner Zentren. Auch standen nun wieder Techniken zur Verfügung, die Landwirtschaft etwa durch Bewässerungssysteme zu intensivieren.

Daher wurden nun erstmals in enger Nachbarschaft zum Bergwerk Dörfer gegründet. Denn ihnen stand endlich Wasser zur Verfügung, das nicht mehr durch Salz kontaminiert war. Denn das ist die Crux des Salzes: Es vergiftet das Wasser, einen anderen Grundstoff des Lebens.






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